Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerfreiheit von Flugbenzin bei Verwendung im Werksverkehr. Keine Zuordnung gemischt veranlasster Flüge zum unternehmerischen Bereich. Ausschluss von Nicht-Luftfahrtunternehmen von der Steuerbefreiung des § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a MinöStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Unternehmen, welches kein Luftfahrtunternehmen ist, hat für betrieblich veranlassten Flüge (Flüge von Mitarbeitern oder Geschäftsführern zu Kunden, Lieferanten oder Messen, sog. Werksverkehr) mit Ausnahme von Schulungs- und Werkstattflügen sowie Flügen zur Wartung und Überprüfung der Funktionstauglichkeit des Luftfahrzeugs (gemischt veranlasste Flüge) Anspruch auf Mineralölsteuervergütung unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 Buchst. b Satz 1 Richtlinie 2003/96/EG. Die eine Steuerbefreiung lediglich Luftfahrtunternehmen vorbehaltende Regelung des § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a MinöStG i.V.m. § 50 Abs. 1 MinöStV setzt das Gemeinschaftsrecht nur unvollständig um.
2. Allerdings hat die Klägerin einen Vergütungsanspruch unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 Buchst. b Satz 1 der Restrukturierungs-RL. Denn Deutschland hat Art. 14 Abs. 1 Buchst. b Restrukturierungs-RL bisher nur für Luftfahrtunternehmen und damit unvollständig umgesetzt, obwohl Art. 14 der Restrukturierungs-RL bis zum 31. Dezember 2003 in innerstaatliches Recht hätte umgesetzt werden müssen. Daher besteht für die hier zu beurteilenden Flüge zu Kunden, Lieferanten oder Messen (Werksverkehr),im deutschen Mineralölsteuerrecht bisher keine Regelung zur Steuerbefreiung.
Normenkette
MinöStG § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. A; MinöStDV § 50 Abs. 1; Richtlinie 2003/96/EG Art. 14 Abs. 1 Buchst. b S. 1, Art. 15 Abs. 1 Buchst. j; Richtlinie 92/81/EWG Art. 8 Abs. 1 Buchst. b S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Februar 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 12. April 2006 wird das HZA verpflichtet, der Klägerin für das Jahr 2004 Mineralölsteuer i.H.v. 1.206,75 EUR zu vergüten. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 30 %, der Beklagte zu 70 %.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Klägerin für das Jahr 2004 eine Vergütung von Mineralölsteuer zusteht.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen zur Entwicklung und zum Vertrieb von elektronischen Komponenten und Software für die Industrieelektronik.
Seit 6. August 2003 ist die Klägerin Eigentümerin des Flugzeugs Socata TB 20 mit dem deutschen Zulassungszeichen D-EPZY (Lfz). Sie ist jedoch kein Luftfahrtunternehmen und verfügt nicht über eine luftverkehrsrechtliche Betriebsgenehmigung. Der Geschäftsführer und Gesellschafter der Klägerin, Herr Manfred Helmholz, nutzte das Lfz für Flüge zu anderen Firmen oder zu Messen. Außerdem nutzte er das Flugzeug auch privat. Lediglich einmal, am 27. Juni 2004, vercharterte die Klägerin das Flugzeug und stellte dafür eine Rechnung aus. Die Klägerin führte über die Nutzung des Lfz monatliche Aufzeichnungen, in denen das Datum, die Flugstrecke, die Flugdauer und der Zweck des Fluges angegeben waren.
Die Klägerin nutzte das Lfz im Jahr 2004 insgesamt 79 Stunden 15 Minuten. Davon entfielen 55 Stunden 14 Minuten auf Flugzeiten im Inland, wobei das Lfz davon wiederum 44 Stunden 29 Minuten für betriebliche Zwecke und 10 Stunden 45 Minuten zu rein privaten Zwecken genutzt wurde. Zu den betrieblichen Flügen rechnete die Klägerin auch Flüge zu Wartungszwecken bzw. in die Werkstatt und zurück von insgesamt 6 Stunden 11 Minuten und Schulungsflüge von insgesamt 6 Stunden 49 Minuten.
Im Jahr 2004 erwarb die Klägerin im Ausland 974 Liter und in Deutschland 2.911,97 Liter Flugbenzin (AVGAS 100 LL). Für betriebliche Flugzeiten im Inland verwandte die Klägerin 2.358,70 Liter. Für die Menge von 2.358 Litern Flugbenzin beantragte die Klägerin mit Antrag vom 16. Dezember 2005 die Vergütung von Mineralölsteuer i.H.v. 1.700,12 EUR für das Jahr 2004. Diesen Antrag lehnte das Hauptzollamt Nürnberg (HZA) mit Bescheid vom 9. Februar 2006 ab.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren (vgl. Einspruchsentscheidung vom 12. April 2006) erhob die Klägerin Klage, mit der sie im Wesentlichen vorbringt, dass sie die Menge Flugbenzin, für die die Vergütung beantragt wurde, ausschließlich für ihre betrieblichen Zwecke, und zwar für die gewerbliche Beförderung von Personen und Sachen, verwandt habe. Begünstigt sei jede Form von Luftfahrt, wenn sie zu kommerziellen Zwecken erfolge, wobei die Beförderungsleistung nicht der Hauptzweck sein müsse. Die Auslegung des EG-Rechts durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) sei auch für deutsche Gerichte bindend. Eine ...