Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung prozessualer Willenserklärungen. Empfängerhorizont. Einkommensteuer 1997, 1998 und 1999 (früheres Az.: 5 K 933/02)
Leitsatz (redaktionell)
1. Maßgeblich für die Auslegung prozessualer Willenserklärungen ist allein der Empfängerhorizont, also die Frage, wie ein objektiver, sachkundiger Empfänger die Erklärung zu verstehen hat.
2. Erklärt der kundige Prozessbevollmächtigte ausdrücklich die Klagerücknahme, so kann diese Erklärung selbst dann nicht in die Rücknahme eines bereits abschlägig beschiedenen Antrags auf Aussetzung der Vollziehung umgedeutet werden, wenn im Betreff des Schreibens versehentlich das Aktenzeichen des Aussetzungsverfahrens angeführt worden ist.
Normenkette
BGB § 133; FGO §§ 40, 72
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen, da die Klage wirksam zurückgenommen wurde.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist die steuerliche Beurteilung von Einnahmen und Aufwendungen des Klägers aus seiner Tätigkeit als Krankengymnast sowie die Frage, ob die Klage zurückgenommen wurde.
I.
Der Kläger wird beim Finanzamt zur Einkommensteuer veranlagt. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1997, 1998 und 1999 war streitig, ob er selbständige oder nichtselbständige Einkünfte erzielte und in welcher Höhe die Einkünfte anzusetzen waren. Die gegen die jeweiligen Einkommensteuerbescheide erhobenen Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidung vom 25.01.2002 zurückgewiesen.
Mit seiner ursprünglich unter dem Az. 5 K 933/02 registrierten Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Der gleichzeitig erhobene Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (Az. 5 V 1632/02) wurde mit Beschluss vom 04.06.2002 abgelehnt. Der Senat führte aus, dass zwar einiges für die Einordnung der Einkünfte des Klägers als selbständige Einkünfte spreche, aber die im Vergleich zum Werbungskostenabzug im Rahmen der nichtselbständigen Tätigkeit vom Finanzamt angesetzten Aufwendungen bei summarischer Prüfung nicht als betrieblich veranlasste Aufwendungen einzuordnen seien. Genannt wurden insbesondere Mietkosten, Reisekosten, Werbeaufwendungen sowie eine im Jahr 1998 gebildete umfangreiche Ansparabschreibung. Ungeklärt sei auch, inwieweit diese Kosten auf die Auftraggeberin des Klägers überwälzt worden seien. Der Beschluss wurde rechtskräftig. Daraufhin forderte der Berichterstatter den Kläger mit Schreiben vom 09.01.2003 auf, zu prüfen, ob die Klage im Hinblick auf die AdV-Ablehnung aufrechterhalten oder zurückgenommen werde. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers antwortete daraufhin mit Schreiben vom 04.03.2003 unter dem Aktenzeichen des AdV-Beschlusses: „Sehr geehrte Damen und Herren,
gemäß Ihrer Empfehlung vom 09.01.2003 nehme ich hiermit meine Klage zu dem o.g. Aktenzeichen zurück. Da laut Beschluss vom 04.06.2002 die Aussetzung der Vollziehung nicht gewährt worden ist, bestehen somit keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des von mir angefochtenen Bescheids. …”
Daraufhin stellte der Berichterstatter das vorliegende Klageverfahren mit Beschluss vom 01.04.2003 ein. Mit Schreiben vom 14.01.2004 teilte die Klägervertreterin mit, sie habe festgestellt, dass das vorliegende Klageverfahren eingestellt worden sei, sie habe mit ihrem Schreiben vom 04.03.2003 aber „das Klageverfahren gegen das Aktenzeichen 5 V 1632/02 zurückgenommen, nicht das Klageverfahren gegen das Aktenzeichen 5 K 933/02”. Deshalb werde die Fortführung des Verfahrens beantragt.
Der Kläger beantragt,
das Verfahren fortzuführen, den Einkommensteuerbescheid 1997 vom 13.09.1999, den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 13.09.1999 sowie den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 05.01.2001 und die Einspruchsentscheidung vom 25.01.2002 aufzuheben und nach den eingereichten Einkommensteuererklärungen zu veranlagen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Im Übrigen wird auf die Steuerakten, die Verfahrensakte des AdV-Verfahrens 5 V 1632/02, die Akten des Klageverfahrens 5 K 933/02 sowie den Beschluss vom 07.04.2004 verwiesen, mit dem der Senat die Entscheidung dem Einzelrichter übertragen hat.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist unzulässig. Aufgrund der wirksamen Klagerücknahme fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis.
Der Kläger hat die Klage mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 04.03.2003 zurückgenommen. Dies ergibt die Auslegung des o.a. Schreibens als prozessuale Willenserklärung nach den allgemeinen Auslegungsregeln für Willenserklärungen nach § 133 BGB. Für diese Auslegung ist es ohne Bedeutung, was sich der Kläger oder seine Prozessbevollmächtigte unter der gewählten Parteibezeichnung vorgestellt haben. Vielmehr kommt es darauf an, welcher Sinn dieser prozessualen Erklärung aus objektiver Sicht beizulegen ist (Bundesgerichtshof –BGH– Urteil vom 12.05.1977 VII ZR 167/76, NJW 1977, 1686). Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass der Inhalt einer empfangsbedürftigen Willenserklärung von der...