Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer des Jahres nach der Insolvenzeröffnung als Masseverbindlichkeit bei Fortführung einer gewerblichen Tätigkeit des Insolvenzschuldners. Eingang aller Betriebseinnahmen auf einem Anderkonto des Insolvenzverwalters und Auskehrung des pfändungsfreien Anteils an den Insolvenzschuldner
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine im Kalenderjahr nach dem Jahr der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Einkommensteuerforderung des FA kann entweder als Masseverbindlichkeit zu qualifizieren sein, die nach § 53 InsO vorweg aus der Insolvenzmasse zu berichtigen und mittels Einkommensteuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen ist, oder sich gegen das insolvenzfreie Vermögen des Insolvenzschuldners richten; in diesem Fall ist sie gegenüber dem Insolvenzschuldner festzusetzen.
2. Die durch eine nach der Insolvenzeröffnung fortgeführte selbstständige (gewerbliche) Tätigkeit des Insolvenzschuldners begründete Einkommensteuer ist als eine „in anderer Weise durch die Verwaltung der Insolvenzmasse” begründete Masseverbindlichkeit zu beurteilen, wenn der Insolvenzverwalter bezüglich der gewerblichen Einkünfte des Insolvenzschuldners von der Freigabemöglichkeit keinen Gebrauch gemacht, die Fortführung des Unternehmens des Schuldners zumindest geduldet und den pfändbaren Betrag in der Weise zur Insolvenzmasse gezogen hat, dass alle Einnahmen der gewerblichen Tätigkeit auf dem Anderkonto des Insolvenzverwalters eingegangen sind und der pfändungsfreie Anteil dieser Einnahmen anschließend entsprechend einem Beschluss des Insolvenzgerichts an den Insolvenzschuldner ausgekehrt worden ist.
Normenkette
InsO § 32 Abs. 3, § 35 Abs. 1-2, § 55 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbs.
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 92 v.H. und der Beklagte zu 8 v.H.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Es ist streitig, ob und, wenn ja, in welchem Umfang eine in dem Streitjahr 2004 – dem Jahr nach der Insolvenzeröffnung – begründete Einkommensteuerschuld als Masseverbindlichkeit zu beurteilen ist.
I.
Mit Beschluss vom … 2002 wurde der Kläger im Insolvenzantragsverfahren über das Vermögen des X zum vorläufigen – sog. schwachen – Insolvenzverwalter bestellt. Hierfür setzte das Insolvenzgericht mit Beschluss vom … 2003 eine Vergütung in Höhe von (i.H.v.) … EUR zugunsten des Klägers fest. Mit Beschluss vom … 2003 wurde über das Vermögen des X (nachfolgend Schuldner) das Insolvenzverfahren eröffnet; der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Schuldner war während des Insolvenzverfahrens weiterhin im Bereich der … gewerblich tätig. Die aus dieser gewerblichen Tätigkeit erzielten Einnahmen des Schuldners wurden auf einem vom Kläger für das Insolvenzverfahren geführten Anderkonto vereinnahmt; sie beliefen sich für das Jahr 2004 auf … EUR. Der Kläger kehrte von diesen im Jahr 2004 Beträge i.H.v. … EUR an den Schuldner aus, so dass der sich hieraus ergebende Differenzbetrag als Massezufluss verblieb. Mit Beschluss vom … 2008 hob das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren auf, ordnete aber die Nachtragsverteilung an, wenn zurückbehaltene Massebeträge für eine weitere Verteilung frei werden; wegen der streitigen Einkommensteuer 2004 wurden entsprechende Beträge zurückbehalten.
Der Beklagte (Finanzamt – FA –) führte für den Besteuerungszeitraum 2004 eine Einkommensteuerveranlagung durch. In dem gegenüber dem Kläger gemäß § 162 Abgabenordnung (AO) ergangenen Schätzungsbescheid vom 25.10.2006 berücksichtigte das FA gewerbliche Einkünfte i.H.v. … EUR, abziehbare Sonderausgaben i.H.v. … EUR und setzte bei einem zu versteuernden Einkommen (zvE) von … EUR die Einkommensteuer (ESt) auf … EUR fest. Dabei ging das FA davon aus, dass die ESt in vollem Umfang eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) darstelle. Der hiergegen eingelegte Einspruch war teilweise erfolgreich. Das FA ging im Rahmen der Einspruchsentscheidung (EE) vom 18.07.2007 – neben unter dem Sparerfreibetrag liegenden Einkünften aus Kapitalvermögen – nur noch von gewerblichen Einkünften i.H.v. … EUR aus, berücksichtigte abziehbare Sonderausgaben i.H.v. … EUR und setzte bei einem zvE von … EUR die ESt auf … EUR herab; es beurteilte die ESt aber nach wie vor insgesamt als eine Masseverbindlichkeit.
Die hiergegen erhobene Klage wird im Wesentlichen wie folgt begründet: Da sich das FA zwischenzeitlich bereit erklärt habe, von den gesamten Steuerberatungskosten (… EUR) weitere i.H.v. … EUR als Betriebsausgaben und weitere i.H.v. … EUR als Sonderausgaben zu berücksichtigen, sei im Rahmen der Ermittlung des zvE nur noch strittig, in welcher Höhe die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalter...