Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Geschäftsführers einer GmbH
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Mitverschulden zählt nicht zu den Tatbestandsmerkmalen des § 69 AO; deswegen kann auch kein Mitverschulden des FA hinsichtlich des Entstehens der gegen die GmbH festgesetzten Umsatzsteuer sowie der getätigten Auszahlungen unter anderem an den früheren Steuerberater der Firma geltend gemacht werden. Vielmehr räumen die Steuergesetze den Finanzbehörden lediglich Befugnisse, nicht aber Pflichten ein (BFH v. 13.6.1997, VII R 96/96, BFH/NV 1998, 4).
2. Zahlungsschwierigkeiten oder Zahlungsunfähigkeit der GmbH ändern weder etwas an den steuerlichen Pflichten des GmbH-Geschäftsführers, noch schließen sie sein Verschulden bei Nichterfüllung dieser Pflichten aus. Vielmehr ergibt sich die Haftung schon aus der nominellen Bestellung zum Geschäftsführer und ohne Rücksicht darauf, ob die Geschäftsführung auch tatsächlich ausgeübt werden kann und ob sie ausgeübt werden soll.
3. Der GmbH-Geschäftsführer kann sich auch nicht damit entschuldigen, dass er von der ordnungsgemäßen Führung der Geschäfte ferngehalten wird und die Geschäfte tatsächlich von einem anderen geführt worden sind. Ist der Geschäftsführer nicht in der Lage, sich innerhalb der Gesellschaft durchzusetzen und seiner Rechtsstellung gemäß zu handeln, so muss er als Geschäftsführer zurücktreten und darf nicht im Rechtsverkehr den Eindruck erwecken, als sorge er für die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte
Normenkette
AO §§ 69, 34
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Kläger zu Recht für Abgabenschulden der Firma XYZ Software Vertrieb GmbH (GmbH) in Haftung genommen worden ist.
Gegenstand des Unternehmens war die Erstellung von Programmen für Computer der mittleren Datentechnik und sonstigen EDV-Anlagen, Import und Marketing von Computern sowie Computersystemen, ferner Unternehmensberatung, Betreuung und Automation auf dem Gebiet der EDV-Technik sowie die Abwicklung artverwandter Geschäfte.
Der Kläger war Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH, die bis zum Jahr 2005 unter SAM Systems Automation Marketing GmbH firmiert hatte. Das Stammkapital der Gesellschaft betrug 300.000 DM, der Kläger hielt davon einen Anteil von 276.000 DM. Am 7. Februar 2005 übertrug er einen Anteil von 36.000 DM an seinen Sohn V, am 25. November 2005 veräußerte er seinen verbliebenen Anteil an die neu gegründete op Systems Automation Marketing GmbH zu einem symbolischen Kaufpreis von 1 EUR. Bereits mit Wirkung zum 19. Juli 2004 hatte der Kläger seinem Sohn auch die Geschäftsführung an der GmbH übertragen. Ab 4. Juli 2006 befand sich die GmbH in Liquidation und wurde am 7. November 2007 im Handelsregister gelöscht (vgl. Dauerunterlagen FA).
Im Jahr 2002 erzielte die GmbH einen Jahresüberschuss von 385.505 EUR, der Umsatz betrug 1.017.371 EUR (vgl. Heftung 2002 Bilanzakte FA). In der Bilanz zum 31. Dezember 2002 waren unter den Aktiva auf dem Verrechnungskonto des Klägers 809.373,10 EUR, auf dem Verrechnungskonto IS Moden 25.260,09 EUR aufgeführt. Ab 2003 reichte die GmbH weder Bilanzen noch Steuererklärungen ein, die Besteuerungsgrundlagen wurden vom Finanzamt (FA) daraufhin geschätzt.
Anlässlich einer Betriebsprüfung stellte das damals zuständige Finanzamt fest, dass die GmbH am 30. Januar 1998 (Unterschrift des Klägers) bzw. 2. Februar 1998 (Unterschrift eines Vertreters der EF AG) einen Vergleich mit der EF AG über „DM 2.750.000,– … zuzüglich etwaig anfallender Mehrwertsteuer” geschlossen hatte (Bl. 134 ff Haftungsakte FA). Am 3. März 1998 stellte die GmbH der EF AG einen Betrag von 3.162.500,00 DM wegen „Schadensersatzansprüche aus Urheberverletzung” in Rechnung (vgl. Bl. 127 Haftungsakte FA). Die Zahlung wurde von der GmbH als nicht umsatzsteuerbare Schadensersatzleistung behandelt.
Davon abweichend beurteilte das FA die Zahlung jedoch als Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustausches und setzte die Umsatzsteuer 1998 mit Änderungsbescheid vom 28. März 2003 auf 220.099,91 EUR (Fälligkeit 30. April 2003) fest (Bl. 17 f Rechtsbehelfsakte FA) und gewährte der GmbH am 11. Juni 2003 eine Aussetzung der Vollziehung des Bescheids, die bis zum 29. November 2006 aufrechterhalten wurde. Die gegen die Umsatzsteuerfestsetzung 1998 gerichtete Klage wurde mit Urteil des Finanzgerichts München vom 4. Oktober 2006 abgewiesen.
Nachdem die Beitreibung der Umsatzsteuerrückstände bei der GmbH ohne Erfolg blieb, nahm das nunmehr zuständige Finanzamt (FA) den Kläger nach vorheriger Anhörung und Ankündigung mit Bescheid vom 25. September 2007 für rückständige Umsatzsteuer 1998, Zinsen sowie Säumniszuschläge in Gesamthöhe von 316.253,91 EUR in Haftung (Bl. 34 f Rechtsbehelfsakte FA). Als Begründung für die Inanspruchnahme führte das FA an, dass der Kläger als Geschäftsführer dafür Sorge tragen hätte müssen, dass die GmbH im Falle eines Unterliegens vor dem Finanzgericht die Umsatzsteuer 1998 zahlen und insoweit auch die gegen ihn gericht...