Entscheidungsstichwort (Thema)
Regelsteuersatz für die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten an Prostituierte zur Ausübung der Prostitution
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes kommt bei der kurzfristigen Überlassung von Räumen zur Ausübung der Prostitution nicht in Frage, weil es an dem nach § 4 Nr. 12 S. 2 UStG und § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG in der ab 2010 anzuwendenden Fassung gleichermaßen erforderlichen Tatbestandsmerkmal der Vermietung von zur kurzfristigen Beherbergung bereitgehaltenen Wohn- und Schlafräumen fehlt.
2. Die Unterbringung der Prostituierten in Räumen ist für diese allenfalls eine Nebenleistung der Ermöglichung der Ausübung der Prostitution. Charakterbestimmend für die Leistungen des Unternehmer, der die Räume zur Verfügung stellt, ist nicht die Beherbergung der Prostituierten, sondern die gewerbliche Nutzung der Räume für die Prostitution.
3. Bei der Überlassung von Räumen zur Ausübung der Prostitution liegt dann eine einheitliche steuerpflichtige Leistung vor, wenn nicht die Grundstücksnutzung, sondern die Möglichkeit, eine bestimmte Betätigung auszuüben, aus Sicht des Leistungsempfängers im Vordergrund steht.
4. Das von § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG und § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG wortlautidentisch verwendete Tatbestandsmerkmal der „Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält”, ist einheitlich auszulegen.
Normenkette
UStG 2010 § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 1, § 4 Nr. 12 Sätze 1-2; RL 2006/112/EG Art. 98 Abs. 2
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die von der Klägerin erzielten Umsätze aus der Überlassung von Zimmern an Prostituierte dem ermäßigten Umsatzsteuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes in der in dem Streitjahr geltenden Fassung (UStG) unterfallen.
Die Klägerin erzielte im Besteuerungsverfahren Einnahmen aus der Vermietung von Wohnungen in der A-straße 1 und 2 in B. Die Räume in den beiden Gebäuden wurden gegen Entgelt Prostituierten zur Ausübung der gewerblichen Prostitution zur Verfügung gestellt.
In ihren Umsatzsteuervoranmeldungen von Januar bis April 2010 unterwarf die Klägerin die Einnahmen aus der Vermietung der Wohnungen zunächst dem ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent. In berichtigten Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Januar bis April 2010 und in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Mai bis Dezember 2010 unterwarf die Klägerin die vorgenannten Leistungen dem Regelsteuersatz von 19 Prozent, obwohl in den so bezeichneten Mietverträgen mit den einzelnen Prostituierten die Umsatzsteuer nur zum ermäßigten Steuersatz ausgewiesen wurde. In ihrer Umsatzsteuererklärung für 2010 vom 5. Januar 2012 (Frühleerung) erklärte die Klägerin Umsätze zu 7 Prozent in Höhe von EUR und errechnete eine negative Umsatzsteuer in Höhe EUR. In einer Erläuterung zu dieser Steuererklärung führte die Klägerin aus, dass sie lediglich die Überlassung der Räume an die Insassen erbringe. Nach der Gesetzesänderung des § 12 Abs. 2 UStG durch die Einfügung einer neuen Nr. 11 zum 1. Januar 2010 handele es sich um eine den Beherbergungsleistungen im Hotelgewerbe vergleichbare Einrichtung, die Umsätze aus der Zimmervermietung würden deshalb nur dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.
Der Beklagte (das Finanzamt; im Folgenden: FA) stimmte dieser Steuererklärung nicht zu und unterwarf die Umsätze der Klägerin vollumfänglich dem Regelsteuersatz von 19 Prozent. Mit Bescheid vom 13. Februar 2012 setzte das FA die Umsatzsteuer für 2010 auf EUR fest.
Dagegen war der Einspruch vom 5. März 2012 gerichtet.
Mit Einspruchsentscheidung vom 1. Juni 2012 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.
Dagegen ist die Klage vom 26. Juni 2012 gerichtet.
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass ihre Leistung ausschließlich in der Beherbergung der Frauen in Wohnungen in den Häusern A-Straße 1 und 2 in B bestehe, die Frauen würden in den vermieteten Räumen wohnen, schlafen und arbeiten. In jedem der mehrstöckigen Häuser befänden sich vollständig möblierte und abgeschlossene Wohnungen mit Küche, Schlafraum und Bad, das Schlafzimmer sei zugleich der Arbeitsraum der Frauen. Die Wohnungen seien mit Telefon, Fernsehgerät und Stromanschluss versehen und die Klägerin würde Bettwäsche und Handtücher überlassen sowie die Reinigung durch von ihr beauftragte Personen übernehmen; dies sei Hotelstandard. Da auch nur kurzfristige Vermietungen erfolgen würden, sei hier der ermäßigte Steuersatz zu gewähren.
Zu dem weiteren Vorbringen der Klägerin wird auf ihre Schriftsätze vom 22. Juni 2012 und vom 3. Januar 2014 nebst Anlagen verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer für 2010 auf den negativen Betrag von EUR festzusetzen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt...