Entscheidungsstichwort (Thema)
Reihengeschäft. die Beförderung oder Versendung des Gegenstands ist nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Voraussetzungen für die Steuerfreiheit
Leitsatz (redaktionell)
Schließen bei einem sog. Reihengeschäft mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte ab und gelangt der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer, ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands gemäß § 3 Abs. 6 S. 5 UStG nur einer der Lieferungen zuzuordnen (BFH v. 11.08.2011, V R 3/10, DB 2011, 2354).
Normenkette
UStG § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a
Tenor
1. Der Umsatzsteueränderungsbescheid vom 14. November 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 23. September 2010 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung eines Fahrzeugs durch den Kläger.
Der Kläger betrieb im Streitjahr einen Handel mit Fahrrädern. Mit Bescheid vom 11. Mai 2004 setzte das Finanzamt (FA) die Umsatzsteuer für 2003 entsprechend der am 16. April 2004 abgegebenen Erklärung auf einen Negativbetrag von 4.507,23 EUR fest.
Im Zusammenhang mit einer im Jahr 2008 durchgeführten Prüfung, die anlässlich von Ermittlungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union Deutschland, Belgien, Spanien und Frankreich gegen spanische Abnehmer veranlasst worden war, stellten die Finanzbehörden dieser Länder fest, dass belgische und deutsche Unternehmen der Regelbesteuerung unterliegende Gebrauchtwagen an spanische Unternehmen, unter anderem die Firma P lieferten. Die spanischen Unternehmer fakturierten die innergemeinschaftlich steuerfrei erworbenen Fahrzeuge systemwidrig unter Anwendung der Differenzbesteuerung an französische Abnehmer weiter und erklärten in Spanien nur die Umsatzsteuer auf den Rohgewinn (vgl. Schreiben des Bayerischen Landesamts für Steuern vom 26. August 2008 S 7420.2.2.1-112/9 St35).
Anhand des vorgelegten Kontrollmaterials traf das FA folgende Feststellungen:
Dem Kläger, der sein Firmenfahrzeug verkaufen wollte, war die Firma P von einem Bekannten, einem Mitarbeiter in einem Autohaus, als Kaufinteressent benannt worden. Dieser hatte auch Ratschläge in Bezug auf die Abwicklung des Umsatzes gegeben und erforderliche Vertragspapiere zur Verfügung gestellt.
Nach Empfang einer Bestellung vom 24. Oktober 2003 hat der Kläger der Firma P mit „Kaufvertrag und Rechnung” vom 27. Oktober 2003 ein gebrauchtes Fahrzeug der Marke Daimler-Chrysler E 270 CDI T-Modell zu einem Preis von 39.957 EUR verkauft und diesen Vorgang als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelt. In einer Verbleibenserklärung ebenfalls vom 27. Oktober 2003 wurde dem Kläger, der am selben Tag auch ein Bestätigungsverfahren beim Bundesamt für Finanzen durchgeführt hatte, von der Firma P schriftlich versichert, dass das Fahrzeug „übernommen wurde” und ordnungsgemäß aus Deutschland ausgeführt werde.
In den Unterlagen des Klägers befanden sich zwei Rechnungen vom 27. Oktober 2003. Auf einer der beiden Rechnungen war nur der Firmenstempel der P mit unleserlicher Unterschrift angebracht, nicht jedoch die Unterschrift des Klägers, auf der anderen Rechnung war sowohl die Unterschrift des Klägers als unter der für die Firma P vorgesehenen Unterschriftszeile ebenfalls eine unleserliche Unterschrift vorhanden. Die beiden unleserlichen Unterschriften der Firma P sind auf beiden Rechnungen nicht identisch.
Nachdem die Firma P den Kaufpreis mit Banküberweisung vom 29. Oktober 2003 bezahlt hatte, meldete der Kläger das Fahrzeug am 4. November 2003 ab. Am 12. November 2003 wurde der Mercedes von der französischen Firma F beim Kläger abgeholt. Dabei quittierte der Fahrer der Firma F auf dem Rechnungs- und Vertragsduplikat ebenfalls am 12. November 2003 den Empfang des Fahrzeugs nebst zwei Schlüsseln und des Fahrzeugbriefs. Am 18. November 2003 bestätigte die Firma P auf dem an den Kläger zurück gesendeten Exemplar des Frachtbriefs den Erhalt des Pkw.
Aufgrund der Prüfungserkenntnisse vertrat das FA die Auffassung, dass das Fahrzeug nicht nach Spanien, sondern zu einem französischen Abnehmer verbracht worden sei, an den es die Firma P weiterveräußert habe. Somit handle es sich um ein Reihengeschäft, bei dem die Lieferung des Klägers an die Firma P die ruhende Lieferung darstelle. Der Ort der vom Kläger erbrachten Leistung liege daher im Inland, eine Berufung auf die Steuerfreiheit komme nicht in Betracht. Mit Änderungsbescheid vom 14. November 2008 setzte das FA die Umsatzsteuer 2003 auf 1.004,13 EUR fest.
Der dagegen eingelegte Einspruch des Klägers wurde mit Einspruchsentscheidung vom 23. September 2010 abgelehnt. Das FA führte dabei im Wesentlichen aus, da...