Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwischenerwerber bei unmittelbar aufeinanderfolgenden Schenkungen (Kettenschenkung) grundsätzlich nicht bereichert
Leitsatz (redaktionell)
1. Schenkt der Empfänger einer Schenkung den Gegenstand der Schenkung sofort weiter, ist er schenkungsteuerrechtlich als „Zwischenerwerber” ungeachtet dessen grundsätzlich nicht bereichert, dass zivilrechtlich zwei Zuwendungen anzunehmen sind. Überträgt also z. B. der Sohn eine ihm von der Mutter geschenkte Wohnung sofort unentgeltlich auf seine Ehefrau weiter, liegt eine schenkungsteuerlich beachtliche Zuwendung der Mutter nicht an den Sohn als Zwischenerwerber, sondern an die Schwiegertochter vor.
2. Zwar knüpft das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht an die bürgerlich-rechtlichen Gestaltungen an und verwendet dem Zivilrecht entnommene Begriffe. Dies schließt jedoch nicht aus, dass zivilrechtliche Gestaltungen und Begriffe entsprechend den steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhängen selbständig interpretiert werden können und müssen.
Normenkette
ErbStG § 7 Abs. 1 Nrn. 1-2; BGB § 516
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit Urkundsnr. … des Notars … vom 10. November 2006 überließ T. W. (Mutter) an ihren Sohn F. W. (Sohn) Wohneigentum. Als Gegenleistung wurden vereinbart ein Wohnrecht und ein Leibgeding für die Mutter sowie die Verpflichtung, für ein standesgemäßes ortsübliches Begräbnis zu sorgen, ein Grabmal zu errichten und die Grabstätte würdig zu unterhalten. Der Sohn muss sich nach der Vereinbarung die Zuwendung auf seinen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch bzw. auf seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch anrechnen lassen. Eine Ausgleichung nach § 2050 des bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wurde ausgeschlossen. Ferner verzichtete die Mutter auf die Vereinbarung eines Rückforderungsanspruchs. Mutter und Sohn erklärten die Auflassung, deren Eintragung die Mutter bewilligte. Auf die Eintragung einer Auflassungsvormerkung wurde verzichtet. Hinsichtlich des weiteren Inhalts nimmt der Senat auf diese Urkunde Bezug.
Mit darauf folgender Urkundsnr. … des Notars … vom gleichen Tag übertrug der Sohn einen Miteigentumsanteil zu ½ an dem soeben übertragenen Wohneigentum unentgeltlich auf seine mit ihm in gesetzlichem Güterstand lebende Ehefrau, die Klägerin. Der Sohn und die Klägerin vereinbarten ein Rückübertragungsrecht für den Fall, dass die Ehe geschieden werden sollte, die Klägerin vor ihrem Ehemann versterben sollte, die Klägerin den Grundbesitz ohne Zustimmung des Sohns belasten oder ganz oder teilweise veräußern sollte, über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet oder mangels Masse abgelehnt werden sollte, die Klägerin eine eidesstattliche Offenbarungsversicherung leisten sollte, die Zwangsversteigerung unter Zwangsverwaltung des Grundbesitzes angeordnet werden sollte oder Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet und nicht innerhalb von 3 Monaten wieder aufgehoben werden. Sohn und Klägerin erklärten die Auflassung, deren Eintragung die Klägerin bewilligte. Die Eintragung des Miteigentums der Klägerin sollte im Wege der Kettenauflassung erfolgen; der Sohn verzichtete insoweit auf seine Zwischeneintragung als Alleineigentümer. Die Klägerin trat neben dem Sohn in alle sich aus dem Leibgeding für die Mutter ergebenden Verpflichtungen ein. Im Übrigen verweist der Senat auf diese Urkunde.
Die Mutter hatte in ihrer letztwilligen Verfügung vom 3. Februar 2004 den Sohn als Alleinerben eingesetzt.
In Ihrer Schenkungsteuererklärung vom 18. Januar 2007 gab die Klägerin als Schenker die Mutter an.
Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) beurteilte diese Vorgänge als Schenkung der Mutter an den Sohn und an die Klägerin als Miteigentümer je zur Hälfte. Dementsprechend setzte das FA mit Bescheid vom 2. März 2007 die Schenkungsteuer aus einem Erwerb der Klägerin von der Mutter auf 2.616 EUR fest.
Hiergegen legte die Klägerin am 12. März 2007 Einspruch ein, den das FA mit Einspruchsentscheidung vom 18. Februar 2008 als unbegründet zurückwies. Das FA begründete seine Entscheidung wie folgt: Wenn jemand eine Zuwendung als Durchgangsperson erhalte, die er – wie bei einer Schenkung unter Auflage (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG)) – entsprechend einer bestehenden Verpflichtung in vollem Umfang an einen Dritten weitergebe, liege schenkungsteuerrechtlich nur eine Zuwendung aus dem Vermögen des Zuwendenden an den Dritten vor. Wegen der Verpflichtung zur Weitergabe bestehe keine Bereicherung der Mittelsperson aus dem Vermögen des Zuwendenden, so dass eine Schenkung der Mittelsperson an den Dritten nicht in Betracht komme. Durch die Zwischenschaltung des Sohns sollten die Schenkungsteuerfreibeträge dahingehend ausgeschöpft werden, dass keine Schenkungsteuer anfalle. Dem gewählten Umweg über den Sohn komme keine wirtschaftliche Bedeutung zu, da der Sohn durch die sofortige Weitergabe keinen wirt...