rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Offenbare Unrichtigkeit bei fehlerhaften Eintragungen im Eingabewertbogen für die EDV und dadurch verursachter Gewährung einer zu hohen Steuerermäßigung für die landwirtschaftlichen Einkünfte. Einkommensteuer 1990
Leitsatz (amtlich)
Wurde bei einer landwirtschaftlichen Mitunternehmerschaft infolge fehlerhafter Eintragungen im Eingabewertbogen die Steuerermäßigung nach § 34e EStG zu Unrecht doppelt gewährt und ist es sowohl möglich, dass die noch unerfahrene Sachbearbeiterin des FA irrtümlich die falsche Kennziffern für die Eingaben erwischt hat, als auch, dass sie rechtsirrtümlich jedem der betroffenen Mitunternehmer die volle Steuerermäßigung zuerkennen wollte, so kann der bestndskräftig gewordenen Bescheid später nicht nach § 129 AO berichtigt werden.
Normenkette
AO 1977 § 129 S. 1; EStG 1990 § 34e Abs. 1 S. 2
Tenor
1. Der geänderte Einkommensteuerbescheid 1990 vom 3. Juni 1993 und die Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 1994 werden aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Finanzamt auferlegt.
3. Die Beiziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Kläger (Kl) betrieben im Streitjahr 1990 und in den Vorjahren einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in … (B.). Sie leben in Gütergemeinschaft.
Die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft ermittelten die Kl gem. § 4 Abs. l des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Gewinn des Wirtschaftsjahres (Wj) 1989/1990 betrug 36.792 DM und der Gewinn des Wj 1990/1991 18.706 DM. Da der Gewinn des im Veranlagungszeitraum beginnenden Wj den Betrag von 50.000 DM nicht überstiegen hat, war die Ermäßigung der Einkommensteuer (ESt) gem. § 34 e EStG i.H.v. 2.000 DM bei jedem der Kl je zur Hälfte zu gewähren. In den Vorjahren seit 1983 hatten die jeweils zuständigen Bearbeiter für jeden Ehegatten die Gewinnanteile bei den Kennziffern 38 und 39 sowie bei den Kennziffern 40 und 41 jeweils den Höchstbetrag von je 1.000 DM eingetragen. Der Freibetrag gem. § 34 e EStG wurde jeweils in zutreffender Höhe abgezogen, wenn er sich überhaupt auswirkte (s. ESt-Bescheide 1985, 1988 und 1989, in denen ein Abzug nach § 34 e EStG erfolgte; Bl. 10 ESt-Akte 1985, Bl. 9 ESt-Akte 1988, Bl. 17 ESt-Akte 1989).
Beim Ausfüllen der Anlage L für die Streitjahre unterliefen der Bearbeiterin, einer noch unerfahrenen StIin z.A. (s. 5. der Sitzungsniederschrift), jedoch mehrere Fehler. Sie trug bei den Kz. 20.34 und 20.35 der Anlage L jeweils den Gewinn des Wj 1990/1991 von 18.706 DM ein (s. Bl. 9 FG-Akte). Diese Kz. sind dann zutreffend, wenn jeder der Ehegatten Inhaber oder Mitinhaber von mehr als einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb ist (s. Auszug aus dem Bericht des Bayerischen Obersten Rechnungshofes -BRH – vom November 1993 S. 13, Bl. 25 FG-Akte). Außerdem erfolgten Eintragungen der auf die Eheleute entfallenden Gewinnanteile für die Wj 1989/1990 und 1990/1991 bei den Kz. 10/11, 12/13 und nicht, wie in der AL Fest (Bl. 26 FG-Akte) angeordnet, bei Kz. 38/39 und Kz. 40/41. Die Falscheintragungen hatten zur Folge, daß die Ermäßigung der ESt gem. § 34 e EStG i.H.v. 3.680 DM gewährt wurde.
Mit Bescheid vom 16. April 1992 setzte das FA die Steuer auf 3.122 DM fest.
Während einer Prüfung beim FA stellte der BRH fest, daß die Steuerermäßigung des § 34 e EStG in mehreren Fällen in unzutreffender Höhe gewährt worden war. Im Bericht vom November 1993 bemerkte er u.a. (S. 13, Bl. 25 FG-Akte): „Die Veranlagungsbearbeiter hatten nicht beachtet, daß die Steuerermäßigung an den Betrieb, und nicht an die Anzahl der daran Beteiligten anknüpft.” Er empfahl die Ausgabe eines Prüfungshinweises (a.a.O.).
Die einschlägige Unrichtigkeit im Bescheid vom 16. April 1992 wurde aufgrund einer von der Oberfinanzdirektion erstellten Liste bemerkt.
Mit Bescheid vom 3. Juni 1993 führte das FA eine Berichtigungsveranlagung gem. § 129 der Abgabenordnung (AO) durch. Dazu gab es die Eingabewerte für die EDV erneut und diesmal zutreffend ein (mit je 1.000 DM bei den Kz. 40 und 4l: Bl. 14 ESt-Akte 1990), so daß die Ermäßigung gem. § 34 e EStG richtig mit 2.000 DM gewährt wurde. Die ESt erhöhte sich dadurch auf 4.802 DM. Der berichtigte Bescheid wurde am 3. Juni 1993 zur Post gegeben.
Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung – EE – vom 24. Februar 1994).
Mit ihrer Klage tragen die Kl im wesentlichen vor: Im Streitfall sei ein Fehler bei der Rechtsanwendung nicht auszuschließen. Die Anwendung des § 34 e EStG sei sehr kompliziert. Der Höchstbetrag für die Steuerermäßigung sei sowohl personen – als auch betriebsbezogen. Bei Einführung des § 34 e EStG sei in der Literatur heftig umstritten gewesen, ob bei Mitunternehmerschaft an eine...