Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für die Unterbringung in einem Alten(wohn)heim als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (redaktionell)
1. Kosten für die Unterbringung in einem Altenheim können als außergewöhnliche Belastung i. S. von § 33 EStG anzuerkennen sein, wenn durch ein zum Zeitpunkt des Umzugs in das Altersheim oder zeitnah dazu erstelltes ärztliches Attest nachgewiesen wird, dass der dortige Aufenthalt ausschließlich durch eine Krankheit veranlasst ist.
2. Umstritten ist, ob der Ansatz von Kosten für den Umzug in ein Altersheim als außergewöhnliche Belastung sich auf den krankheitsbedingten Umzug beschränkt.
3. Möglicherweise ist § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG wegen eines zu hohen Höchstbetrags von 1.800 DM als verfassungswidrig einzustufen und nicht § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG wegen eines zu geringen Höchstbetrags von nur 1.200 DM in den Streitjahren 2000 und 2001.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1-2, § 33a Abs. 3 S. 2 Nrn. 1-2
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist der Ansatz von Kosten für die Heimunterbringung als außergewöhnliche Belastung i. S. von §§ 33 und 33 a Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
I.
In den Streitjahren 2000 und 2001 bezog die am 00.00.1919 geborene Klägerin (Klin.) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Form steuerbegünstigter Versorgungsbezüge sowie aus Kapitalvermögen. Der Grad der Behinderung (GdB) der Klin. in diesem Zeitraum betrug 100% (s. Bescheid vom 2. Juni 1998 mit den Merkzeichen B, G und RF, der am 28. April 2003 ohne Änderung verlängert wurde).
Im Juni 1999 war sie bei einem Spaziergang in Z auf der Straße gestürzt. Im Krankenhaus stellte man „bei Bulbusruptur mit expulsiver Blutung rechts” einen „Verlust der IOL sowie von Aderhaut- und Netzhautgewebe” fest; „die insgesamt schlechte Prognose für das rechte Auge wurde mit der Patientin ausführlich besprochen” (s. Entlassungsbrief der Universität R vom 11. Juni 1999, auf den gemäß § 105 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung – FGO – hingewiesen wird).
Am 7. August 1999 schloss sie eigenständig einen Heimvertrag (§ 105 Abs. 3 FGO) mit dem Träger des Y-Heims in Z. Der Umzug dorthin erfolgte am 16. August 1999 bei gleichzeitiger Aufgabe ihres Alleinhaushalts in Z. Ab dem Zeitpunkt stellte das Y-Heim der Klin. ein Zimmer/Appartement unter Gewährung voller Versorgung einschließlich der allgemeinen Betreuung und Erbringung von Angeboten zur Freizeitgestaltung zur Verfügung (s. § 1 des Vertrags). Mit dem kalendertäglichen Pflegesatz von 80, 80 DM wurden die Unterkunft, Heizung, Strom Kalt- und Warmwasser, die Versorgung, d. h. die Verpflegung durch Normalkost oder durch Schonkost/Diät nach schriftlicher ärztlicher Verordnung, die regelmäßige Reinigung des Zimmers/Appartements, der jährliche Großputz, die allgemeine Betreuung und Pflege bei vorübergehender leichter Erkrankung sowie die Angebote zur Freizeitgestaltung abgegolten (s. § 2 des Vertrags). Leistungen zur Betreuung bei Pflegebedürftigkeit (s. § 3 des Vertrags) wurden zunächst nur vorgehalten (s. § 1 Nr. 1 Satz 2 des Vertrags), da die Voraussetzungen für die Einstufung in Pflegestufe I erst ab Februar 2003 vorlagen.
Am 20. September 1999 beantragte sie Blindengeld sowie den Eintrag des Merkzeichens BL im Schwerbehindertenausweis. Die Anträge wurden mit Bescheiden des AVF-L vom 10. April 2000 und 18. Mai 2000 abgelehnt, da laut den drei medizinischen Stellungnahmen (s. ärztliches Gutachten vom 24. März 2000, ärztliche Stellungnahme vom 8. Mai 2000 und Kontrollblatt vom 16. Mai 2000, § 105 Abs. 3 FGO) hierfür die Sehschwäche des linken Auges nicht ausreichte.
Für die von ihr in den Streitjahren 2000 und 2001 (s. Bestätigungen des Y-Heims vom 10. Mai 2001 und vom 8. März 2006) in Höhe von insgesamt 29.298, 08 DM und 29.482 DM bezahlten Heimkosten beantragte sie ergänzend zur Einkommensteuererklärung für das Jahr 2000 vom 6. März 2001, worin sie Heimunterbringung „ohne Pflegebedürftigkeit” angekreuzt hatte, mit beim Beklagten (dem Finanzamt – FA –) FA am 19. März 2001 eingegangenem Schreiben die Berücksichtigung der Heimkosten abzüglich etwaiger Kürzungen als außergewöhnliche Belastung sowie nachträglich („ferner”) die Berücksichtigung für 1999 in Höhe von 11.150,40 DM. Als Begründung führte sie an, dass sie altersbedingt und aufgrund ihrer 100%igen Schwerbehinderung nicht mehr in der Lage gewesen sei, einen Haushalt zu führen. Ein Umzug in das Y-Heim sei ihr daher von ihrem Hausarzt, Herrn Dr. S, dringend angeraten worden.
Mit Einkommensteuerbescheid 2000 vom 27. Juni 2001 berücksichtigte das FA als außergewöhnliche Belastung – neben dem Behindertenpauschbetrag gemäß § 33 b Abs. 3 EStG in Höhe von 2.760 DM – die Kosten der Heimunterbringung allein durch Ansatz von 1.800 DM unter Hinweis auf § 33 a Abs. 3 EStG. Weitere Kosten könnten nicht anerkannt werden, da dies nur bei ...