Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit von Hinzuschätzungen zum Umsatz und Gewinn aufgrund einer Betriebsprüfung (Bp) bei einer Eisdiele
Leitsatz (redaktionell)
1) Zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kassenbuchführung
2) Die Finanzbehörden sind gemäß § 162 AO dem Grunde nach berechtigt, Umsätze und Gewinne zu schätzen, wenn die Mängel in den Kassenaufzeichnungen die Verwerfung der gesamten Buchführung rechtfertigen.
3) Die Schätzungsmethode des inneren Betriebsvergleichs ist der Schätzung nach Richtsätzen grundsätzlich vorzuziehen; etwas anderes gilt allerdings, wenn der Prüfer bei der Berechnung eines Rohgewinnaufschlagsatzes für ein ganzes Jahr oder den gesamten Prüfungszeitraum den durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz einer Woche zugrunde legt, von der - z.B. wegen saisonaler Veränderungen im Sortiment - nicht angenommen werden kann, dass der so berechnete Rohgewinnaufschlagsatz für das ganze Jahr oder den gesamten Prüfungszeitraum repräsentativ ist.
4) Verhindert ein Steuerpflichtiger durch eine fehlerhafte Kassenführung die richtige Erfassung seiner Umsätze und Gewinne, ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn sich die Finanzbehörden und -gerichte im Falle einer Schätzung nach Richtsätzen (äußerer Betriebsvergleich) am oberen Rahmen des Schätzungsermessens orientieren.
Normenkette
AO 1977 §§ 158, 162; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1, § 96 Abs. 1 S. 1; HGB §§ 238 ff.; AO 1977 §§ 145 ff.
Tatbestand
Im noch nicht abgeschlossenen Einspruchsverfahren betreffend die Veranlagungszeiträume 1997 bis 1999 ist streitig, ob Zuschätzungen zum Umsatz und Gewinn aufgrund einer Betriebsprüfung (BP) zurecht erfolgt sind und dementsprechend erstmals Gewerbesteuermessbeträge für die Jahre 1997 bis 1999 festgesetzt worden sind.
Die Antragstellerin (Astin.) betrieb in den Streitjahren eine Eisdiele und erzielte hieraus Gewinn aus Gewerbebetrieb. Für die Streitjahre erfolgte bei der Einkommensteuer zunächst eine erklärungsgemäße Veranlagung. Einheitliche Gewerbesteuermessbeträge setzte das Finanzamt (FA) nicht fest, da die Freibeträge nicht überschritten waren.
Bei einer in 2002 für die Streitjahre 1997 bis 1999 durchgeführten BP stellte das Finanzamt u. a. folgendes fest (BP-Bericht vom 5.07.2002):
„Die Steuerpflichtige hat im Prüfungszeitraum eine „offene Ladenkasse” geführt. Nach den Feststellungen der BP wird die Kasse nur buchmäßig geführt. Darauf weisen das einheitliche Schriftbild und die ausgewiesenen auffällig hohen Kassenbestände hin. Die vorgelegten täglichen Kassenberichte sind nicht logisch aufgebaut, d. h. sie beginnen nicht mit dem ausgezählten Kassenbestand bei Geschäftsschluss. Ausgangsgröße ist der Kassenbestand zum Geschäftsschluss des Vortages. Unter Hinzurechnung der Betriebseinahmen und Abzug der Betriebsausgaben wird der aktuelle Kassenbestand rechnerisch ermittelt. Im Einzelfall wurden Betriebseinnahmen zur Vermeidung eines Kassenfehlbetrages korrigiert. Die Tageseinnahmen belaufen sich häufiger auf glatte 5,00 oder 10,00 DM-Beträge. Die für die Kassenberichte verwendeten Vordrucke sind nicht im Original von der Steuerpflichtigen, sondern vielmehr von dem bisherigen Geschäftsinhaber in Ablichtung unterschrieben worden.
Zur Überprüfung der formellen und materiellen Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung wurde für die Kalenderjahre 1997 und 1999 ferner der Chi-Quadrat-Test eingesetzt. Dieser Test zeigt Auffälligkeiten sowohl im Bereich der ersten Ziffer als auch im Bereich der zweiten Ziffer vor dem Komma. Beide Chi-Quadrat-Werte liegen deutlich über dem Wert von 30 Punkten. Somit ist mit einer nahezu hundertprozentigen Wahrscheinlichkeit von einer systematischen Abweichung bei der Aufzeichnung der Einnahmen auszugehen. Auffällig erscheint zudem, dass während des gesamten Kalenderjahres 1997 der Anteil der „außer Haus”-Verkäufe (USt. 7 %) an der Tageseinnahme ca. 70 % beträgt.
Die Mängel in der Kassenführung berechtigen das FA die Umsätze zu schätzen (§ 158, 162 AO).”
Daraufhin kalkulierte der Prüfer die Umsätze für das Steuerjahr 1997 nach der Methode des Zeitreihenvergleichs. Er führte dazu in Tz. 12 des BP-Berichts u. a. folgendes aus:
„Das Kalenderjahr 1997 wurde nach der Methode des Zeitreihenvergleichs kalkuliert. Hierzu erfolgte eine Aufnahme des gesamten Wareneinkaufs 1997 nach Lieferanten mit Lieferdatum und Nettoeinkaufspreis und der täglichen Tageseinnahmen laut Buchführung mit Hilfe der EDV. Der erfasste Wareneingang wurde daraufhin nach Lieferdatum von Einkauf zu Einkauf verteilt und den Tageseinnahmen gegenübergestellt. Hieraus ergeben sich für das kalkulierte Jahr wöchentliche Rohgewinnaufschläge, welche im Rahmen der Auswertung in Zeitreihen von zehn zusammenhängenden Wochen gruppiert worden sind (vgl. Anlage 6). Ein sich hierbei ergebender durchschnittlicher Aufschlagsatz i. H. v. 342 % (netto) wird als der für den gesamten Prüfungszeitraum erzielbare Aufschlagsatz angenommen (vgl. Anlage 7).”
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des BP-Berichtes und dessen Anlagen Be...