Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnung in der Insolvenz
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Steuererstattungsanspruch wird nicht von der Abtretung iSd. § 287 Abs. 2 InsO erfasst
2. Die Aufrechnung ist keine Maßnahme iSd. § 294 InsO
Normenkette
BGB § 387; InsO §§ 94, 287 Abs. 2, § 294; AO 1977 § 218
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Aufrechnung eines Steuererstattungsanspruchs der Klägerin mit rückständigen Umsatzsteuerschulden aus ihrer vormaligen unternehmerischen Tätigkeit während der sog. Wohlverhaltensperiode.
Die Klägerin ist verheiratet und wird zusammen mit ihrem Ehemann zur Einkommensteuer veranlagt. Über ihr Vermögen wurde am 25. November 2002 beim AG C. (… IN …/02) das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom 28. November 2003 wurde der Klägerin die Restschuldbefreiung angekündigt (§ 291 InsO) und Rechtsanwalt L. zum Treuhänder bestellt (§ 291 Abs. 2, § 292 InsO). Nach Vollzug der Schlussverteilung (§ 200 InsO) wurde das Insolvenzverfahren am 13. Februar 2004 aufgehoben.
Ausweislich des Einkommensteuerbescheides bzw. der Steuerberechnung 2002 vom 17. November 2003 ergab sich zugunsten der Klägerin und ihres Ehemannes ein zuviel gezahlter Betrag in Höhe von insgesamt … Euro. Die vom Bruttolohn der Klägerin einbehaltene Lohnsteuer der Monate September bis Dezember 2002 belief sich auf … Euro, der Solidaritätszuschlag auf … Euro, die Kirchensteuer auf … Euro; die vom Bruttolohn des Ehemannes einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer betrug … Euro, die Kirchensteuer … Euro. In dem Einkommensteuerbescheid bzw. der Steuerberechnung 2002 heißt es: „Über eine etwaige Verrechnung des Restguthabens mit Gegenansprüchen erhalten Sie eine besondere Mitteilung.”
Nachdem die Klägerin und deren Ehemann mit Schreiben vom 27. November 2003 die Aufteilung der Steuerschulden für die Einkommensteuer 2002 begehrt hatten, teilte der Beklagte das Guthaben auf. Aus dem Gesamtguthaben von … Euro ermittelte der Beklagte einen an den Ehemann der Klägerin zu erstattenden Betrag in Höhe von … Euro (…Euro Lohnsteuer Ehemann ./. … Euro Gesamtlohnsteuer × … Euro Erstattung). Während er diesen Betrag an den Ehemann der Klägerin auszahlte, kehrte er das anteilige Guthaben der Klägerin in Höhe von … Euro wegen deren seit dem 19. August 2002 fälligen Umsatzsteuerschuld 2001 aus ihrer vormaligen unternehmerischen Tätigkeit nicht aus. Der Umsatzsteuerbescheid 2001 vom 12. August 2002 weist einen bis zum 19. August 2002 zu zahlenden Betrag von … Euro und einen bis zum 16. September 2002 zu zahlenden Betrag in Höhe von … Euro aus.
Mit Schreiben vom 22. Januar 2004 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass es nach Aufteilung des Guthabens bei der Erstattung des Betrages von … Euro an den Ehemann der Klägerin bleibe. Die Aufrechnung der auf die Klägerin entfallenden Einkommen- und Kirchensteuer sei zu Recht vorgenommen worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 22. Januar 2004 Bezug genommen.
Nachdem hinsichtlich der Erstattung des Teilbetrages in Höhe von … Euro keine Einigung erzielt werden konnte, erließ der Beklagte am 27. Februar 2004 den streitgegenständlichen Abrechnungsbescheid. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 2004).
Ihre Klage begründet die Klägerin im Wesentlichen damit, dass die Aufrechnung des Beklagten entweder anfechtbar oder als Sondervereinbarung im Sinne des § 294 InsO ausgeschlossen sei.
Die Klägerin beantragt,
den Abrechnungsbescheid vom 27. Februar 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dergestalt zu ändern, dass sich ein zu erstattendes Guthaben in Höhe von … Euro ergibt,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Er ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Aufrechnung (§ 226 AO iVm § 387 BGB) vorliegen. Die Beschränkungen der §§ 94 bis 96 InsO seien nicht anwendbar, da das Insolvenzverfahren abgeschlossen sei. Zwar sei es Insolvenzgläubigern insoweit untersagt, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen, die Aufrechnung sei jedoch keine solche Maßnahme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Steuerakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der streitige Abrechnungsbescheid verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, denn der geltend gemachte Erstattungsanspruch in Höhe von … Euro ist durch Aufrechnung erloschen.
Gemäß § 218 Abs. 2 AO entscheidet die Finanzbehörde über Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen, durch Verwaltungsakt (sog. Abrechnungsbescheid). Eine Streitigkeit in diesem Sinne liegt insbesondere dann vor, wenn – wie im Streitfall – über die Rechtmäßigkeit einer Aufrechnung gestritten wird (BFH-Urteil vom 04. Februar 1997 – VII R 50/96, BStBl II 1997, 479).
Für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuers...