Entscheidungsstichwort (Thema)
Ergänzung von Ermessenserwägungen i.S.d. § 102 FGO
Leitsatz (redaktionell)
Eine Ergänzung der Ermessenserwägungen i.S.d. § 102 FGO umfasst weder eine Nachholung von Ermessenserwägungen überhaupt noch eine Auswechselung der die Entscheidung tragenden Gründe.
Normenkette
FGO § 102
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Forderungspfändung.
Der Kläger (Kl.) ist Steuerberater. Wegen steuerlicher Rückstände in Höhe von 17.500 DM hatte der Beklagte (Bekl.) bereits 1999 verschiedene Forderungen des Kl. aus seiner Steuerberatertätigkeit gepfändet; die Pfändungen blieben jedoch im Wesentlichen ohne Erfolg.
Anfang 2001 beantragte der Kl. beim Bekl. den Erlass seiner Steuerschulden; im August 2001 beantragte er zudem „Vollstreckungsaufschub und die Beachtung der Schuldnerschutzvorschriften” im Hinblick auf die ausgebrachten Pfändungen der Honorarforderungen. Der Bekl. erklärte daraufhin gegenüber den Drittschuldnern am 22.10.2001, dass der Vollstreckungsschuldner unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs bis auf weiteres das Einziehungsrecht ausüben dürfe. Dem Kl. teilte der Bekl. am 08.11.2001 mit, dass seinem Antrag auf Vollstreckungsaufschub hinsichtlich der Pfändungen der Mandantenforderungen durch Aussetzung der Pfändungsmaßnahmen entsprochen worden sei. Gleichzeitig wurde der Erlassantrag abgelehnt.
Am 25.09.2001 erließ der Bekl. Pfändungs- und Einziehungsverfügungen für Forderungen des Kl. gegenüber der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und der Landesversicherungsanstalt Westfalen (LVA). Während die LVA dem Bekl. mitteilte, dass Forderungen des Kl. nicht bestünden, erkannte die BfA die Pfändung an und ermittelte unter Berücksichtigung einer Unterhaltsverpflichtung für eine weitere Person (Ehefrau) einen nach § 850 c Zivilprozessordnung (ZPO) pfändbaren Betrag in Höhe von 361,50 DM.
Mit Verfügung vom 15.11.2001 ordnete der Bekl. dann gemäß § 850 c Abs. 4 ZPO an, dass die Ehefrau nur zum Teil als unterhaltsberechtigte Person zu berücksichtigen sei. Dazu hatte das Finanzamt die monatliche Nettorente der Ehefrau des Kl. ermittelt und auf Grund einer Verhältnisrechnung den abzuführenden Betrag mit 760,98 DM berechnet.
Die BfA ermittelte daraufhin für Dezember 2001 einen zusätzlichen pfändbaren Betrag von 204,25 Euro und für die Zeit ab 01.01.2002 (neue Pfändungsfreigrenzen) einen insgesamt pfändbaren Betrag in Höhe von 171,73 Euro. Mit Berücksichtigung der Ehefrau als unterhaltsberechtigter Person würde sich dagegen nach Auskunft der BfA kein pfändbarer Betrag mehr ergeben.
Am 08.02.2002 legte der Kl. Einspruch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 25.09.2001 und „andere im Zusammenhang stehende Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bei der BfA” ein. Den Einspruch begründete er damit, dass die Pfändungen betreffend die Honorarforderungen im Oktober 2001 aufgehoben worden seien.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung (EE) vom 11.03.2002 führte der Bekl. im Wesentlichen aus, dass die angefochtene Pfändungsmaßnahme unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften ergangen sei. Sie sei weder ermessensfehlerhaft noch verstoße sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Wegen des in § 85 Abgabenordnung (AO) verankerten Grundsatzes der gleichmäßigen Steuerfestsetzung und -erhebung seien alle vom Gesetz zur Verfügung gestellten Zwangsmittel anzuwenden, wobei in erster Linie die Maßnahmen zu ergreifen seien, die unter Berücksichtigung der Belange des Vollstreckungsschuldners am schnellsten und sichersten einen Erfolg erwarten ließen. Die Einziehung der Honorarforderungen sei wegen Erfolglosigkeit eingeschränkt worden, nachdem sich bei der BfA pfändbare Forderungen ergeben hätten. Es seien somit nur frühere, erfolglose Pfändungsmaßnahmen durch neue, erfolgversprechendere ersetzt worden. Durch die Aufhebung einer erfolglosen Vollstreckungsmaßnahme werde das Ausbringen einer erneuten, erfolgversprechenden Maßnahme nicht gehindert.
Ab 20.03.2002 hat der Kl. Klage erhoben.
Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren. Zusätzlich trägt er vor, dass die Entscheidung des Bekl. auf die nur teilweise Anerkennung des Freibetrages nach § 850 c Abs. 4 ZPO einem Ermessensfehler unterliege, da keine tragfähige Begründung gegeben worden sei. Außerdem sei die Berechnung des pfändbaren Betrages durch den Bekl. falsch.
Der Kl. beantragt,
- • die ausgebrachten Pfändungs- und Einziehungsverfügungen einschließlich Drittschuldner-Erklärungen aufzuheben,
- • die rechtswidrig erlangten Beträge wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückzuzahlen,
- • im Falle der Aufrechterhaltung der Pfändung bei der BfA meiner Frau den vollen Freibetrag nach § 850 c ZPO zu gewähren,
- hilfsweise, Pfändungsschutz gem. § 850 f ZPO zu gewähren.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach seiner Ansicht sind die Vollstreckungsmaßnahmen vom 25.09.2001 und 15.11.2001 rechtmäßig. Aus dem Umstand, dass früher ausgebrachte Pfändungen aufgehoben worden seien, ...