Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung; Vermietungstätigkeit; Wohnraumüberlassung an Prostituierte zur Ausübung der Prostitution
Leitsatz (redaktionell)
Die Steuerbefreiung greift bei einer Vermietung an Prostituierte insbesondere dann nicht, wenn die Raumüberlassung durch Leistungselemente, die der Förderung der gewerblichen Tätigkeit der Prostituierten dienen, geprägt wird und damit nicht die Grundstücksnutzung, sondern die Möglichkeit, die Prostitution auszuüben, aus der Sicht des Leistungsempfängers im Vordergrund steht.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 12 Sätze 2, 1 Buchst. a
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Vermietung an Prostituierte umsatzsteuerfrei erfolgt.
Die Klägerin, eine Gesellschaft in Form einer UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG, vermietete im Streitjahr 2014 Räume eines ehemaligen Hotelgebäudes in der B. Straße in I. „Haus X.”) an Prostituierte. Sie hatte die Vermietung von der T. Ltd. u. Co. KG i.L., die unter gleicher Geschäftsführung tätig war, übernommen. Die ehemaligen Hotelzimmer à ca. 10 m² sind mit Bad und Dusche ausgestattet. Die Klägerin bzw. die Vorgängerfirma, vertreten durch den Geschäftsführer Herrn K. I., schloss jeweils schriftliche und unbefristete Mietverträge über das jeweils vermietete Apartment mit den Prostituierten ab. Ausweislich der vorgedruckten Mietverträge wurde regelmäßig jeweils eine Miete von 900 € vereinbart, womit auch sämtliche Nebenkosten inkl. Strom, Gas und Wasser, Versicherungen, Treppenhauspflege, Gartenpflege, Rundfunk- und TV-Gebühren, Möblierung, Fernsehgerät, Küchennutzung und Waschmaschinennutzung abgegolten sein sollten. Teilweise wurden die Apartments mit zwei getrennten Mietverträgen an zwei Damen vermietet, die sich den Mietaufwand dann teilten. Die Mieterinnen wurden in den Verträgen teils mit ihren als Prostituierte gewählten Namen „Künstlername”), teils mit ihren bürgerlichen Namen, und jeweils ohne Adresse genannt. Auf die dem Gericht überreichten Mietverträge wird Bezug genommen (Gerichtsakte Bl. 97-125).
Zusätzlich vermietete die Klägerin ab dem 15.10.2014 eine Wohnung in M., C. Straße an die Eltern des Geschäftsführers der Komplementärin der Klägerin.
Die Klägerin behandelte sämtliche Mietumsätze als umsatzsteuerfrei.
Bei der Klägerin wurde eine Umsatzsteuersonderprüfung für den Zeitraum Januar bis November 2014 durchgeführt. Hierbei stellte der Prüfer fest, dass nicht von einer nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a Umsatzsteuergesetz (UStG) steuerfreien Vermietung auszugehen sei. Die Vermietungsleistungen B. Straße. … würden durch eine Fülle weiterer Leistungen ergänzt, die auf das Ziel der Schaffung einer geeigneten Infrastruktur zur Förderung der Prostitution gerichtet seien. Bei den Verträgen handele es sich damit um Verträge besonderer Art, für die eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG nicht gewährt werden könne. Die Apartments in der B. Straße. … in I. würden ausschließlich an Prostituierte vermietet, wobei sich die Mietverträge deutlich von den sonst üblichen Einheitsmietverträgen unterscheiden würden. Die durchschnittliche Mietdauer habe häufig weniger als ein Jahr betragen. Den Mieterinnen werde die auch zu meist in Anspruch genommene Möglichkeit eingeräumt, die Mietverträge unter den „Künstlernamen” und ohne Adresse der Mieterinnen abzuschließen, was den Damen Anonymität sichere. Damit sei ein genauer Rückschluss auf die tatsächliche Identität der Mieterinnen nicht möglich. Die Mieten würden ausschließlich bar bezahlt, obwohl laut Mietvertrag auch eine Überweisung möglich sei. Insbesondere übernehme der Geschäftsführer der Klägerin die Anmeldungen im „Düsseldorfer Verfahren”, was dafür spreche, dass es sich um Verträge besonderer Art handele.
Im Rahmen einer Ortsbesichtigung durch den Umsatzsteuersonderprüfer stellte der Prüfer fest, dass von der Klägerin Beschränkungs- und Sicherheitsleistungen sowie weitere Dienstleistungen (Handtuchwechsel, Waschen der Bettwäsche, Werbung, Schaffung einer der prostitutionsförderlichen Infrastruktur) erbracht würden. Zwar würden sich vom Parkplatz aus betrachtet keine besonderen Hinweise und Werbung auf einen bordellartigen Betrieb erkennen lassen. Doch seien in einem kleinen Aushangkasten (ehemaliger Speisenkartenaushang) Fotos der leicht bekleideten Prostituierten ausgestellt, so dass der Zweck der Räume, wie auch des gesamten Gebäudes, deutlich werde. Der videoüberwachte Nebeneingang, an dem diverse Funkklingeln mit den „Künstlernamen” der Mieterinnen angebracht seien, führe über ein Treppenhaus direkt in den mit Code-Schloss gesicherten und videoüberwachten Zimmerflur im ersten Obergeschoss. Es habe nicht überprüft werden können, ob diese Kameras tatsächlich angeschlossen seien. Ein Monitor zur Überwachung des Eingangsbereichs sei vorhanden. Die Zimmer mit kleinen Dusch- und WC-Bereichen seien teilweise mit diversen Erotikutensilien ausgestattet. Für private Gegenstände und die Arbeitskleidung der Bewohnerinnen stehe jeweils...