Entscheidungsstichwort (Thema)
Mittelpunkt der Lebensinteressen, Wohnung am Beschäftigungsort
Leitsatz (redaktionell)
1) Bei Eheleuten, die außerhalb des Beschäftigungsortes eine Wohnung unterhalten und während der Woche am Beschäftigungsort in einer weiteren Wohnung zusammenleben, ist der Mittelpunkt der Lebensinteressen anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen.
2) Der Mittelpunkt der Lebensinteressen eines Arbeitnehmers verlagert sich in der Regel an den Beschäftigungsort, wenn er dort mit seinem Ehegatten in eine familiengerechte Wohnung einzieht. Dies gilt auch, wenn die frühere Wohnung beibehalten und zeitweise noch genutzt wird.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung sowie über den Abzug diverser weiterer Werbungskosten.
Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2009 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war als Zeitsoldat bei der Bundeswehr tätig und der X-Kaserne in O zugeordnet. Dort war er zunächst auch untergebracht. Seine Dienstzeit wurde im Januar 2009 zunächst bis Januar 2013 und zu einem späteren Zeitpunkt bis 2017 verlängert, wobei der Kläger nur bis Ende 2013 in der Kaserne in O tätig war und seitdem in C für eine Bundeseinrichtung arbeitet.
Die Klägerin war seit 2008 arbeitslos, nachdem ihr Arbeitsverhältnis in J vom Arbeitgeber gekündigt worden war. Zum 1.3.2009 nahm sie eine bis zum 30.11.2009 befristete Beschäftigung als Finanzbuchhalterin in K auf. Ab dem 1.12.2009 war sie zunächst wieder arbeitslos und trat im Februar 2010 eine weitere für ein Jahr befristete Stelle in H an, die sie bis zum Eintritt in den Mutterschutz im Dezember 2010 ausübte.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 20.3.2009 erwarben die Kläger eine 3-Zimmer-Eigentumswohnung (81,79 m², Baujahr 1995) in P (A-Str. 2a) für 76.500,– EUR. Die Schlüsselübergabe fand am Tag des Vertragsschlusses statt. Die Hauskosten trugen die Kläger ab dem 1.4.2009. In der Folgezeit führten die Kläger Renovierungsmaßnahmen durch (Entfernung einer halben Wand im Wohnzimmer, Erneuerung der Fußbodenbeläge, Streichen etc.), nutzten die Wohnung aber auch während dieser Zeit bereits zu Wohnzwecken. Ca. Mitte 2013 veräußerten die Kläger die Eigentumswohnung wieder.
Seit 2005 bewohnten die Kläger das Dachgeschoss des den Eltern der Klägerin gehörenden Hauses in T (Baujahr 2001). Die übrigen Etagen (Erdgeschoss: 81,5 m² und Obergeschoss: 99,19 m²) wurden von den Eltern selbst und den beiden Brüdern der Klägerin (Jahrgang 1986) zu Wohnzwecken genutzt. Im Dachgeschoss sollte sich nach der ursprünglichen Planung lediglich ein einziger Raum (27,7 m²) befinden, jedoch wurde es tatsächlich zu einer vollständigen Wohnung (etwa 55 – 60 m², 3 Zimmer, Küche, Bad) ausgebaut, die die Kläger seit 2005 nutzten. Ein Umbau (Vergrößerung der Wohnfläche durch Einbau von Dachgauben) war seit 2007 geplant. Auf die entsprechende Bauzeichnung (Bl. 61 der Einkommensteuerakte) und auf die von den Klägern eingereichte Bestätigung des Planungs- und Ingenieurbüros M vom 22.5.2014 (Bl. 105 der Gerichtsakte) wird insoweit Bezug genommen. Mit diesem Umbau wurde nach Angaben der Kläger aber erst im Jahr 2010 begonnen. Die Kläger zahlten für die Nutzung des Dachgeschosses keine Miete, überwiesen an die Eltern der Klägerin aber in unregelmäßigen Abständen höhere Beträge. Für das Streitjahr 2009 liegen Nachweise über insgesamt 3.300 EUR vor.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 2009 machten die Kläger Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit in folgendem Umfang geltend:
Kläger |
Klägerin |
Fahrten Wohnung-ArbSt. |
2.019,00 € |
Fahrten Wohnung-ArbSt. |
2.882,70 € |
Arbeitsmittel pauschal |
110,00 € |
Arbeitsmittel pauschal |
110,00 € |
Berufsverband |
52,00 € |
Kontoführung |
16,00 € |
Kontoführung |
16,00 € |
Computer AfA 50% beruflich |
245,00 € |
Reinigung Berufskleidung |
344,00 € |
Laptop AfA 50% beruflich |
284,00 € |
Laptop AfA 40% beruflich |
140,00 € |
Navi und Zubehör |
123,95 € |
Unterkunftspauschale |
252,00 € |
Bewerbungsfotos |
24,00 € |
Festplatte |
79,00 € |
Versandtaschen |
3,00 € |
Schlüsseldienst |
6,90 € |
Briefmarken |
29,00 € |
Gürtel |
11,58 € |
Aldi SD-Card |
9,99 € |
Socken |
5,98 € |
Parkgebühr Arbeitsamt |
0,20 € |
Bürste |
5,39 € |
Telefon Arbeitsagentur |
4,00 € |
Rasierer, Schaum, Klingen |
181,34 € |
Fahrten Arbeitsagentur |
18,00 € |
Dienstreisen |
2.997,88 € |
Doppelte Haushaltsführung |
6.727,00 € |
Doppelte Haushaltsführung |
6.728,00 € |
|
|
Summe |
12.949,07 € |
Summe |
10.476,84 € |
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Steuererklärung und die Anlagen hierzu Bezug genommen.
Nachdem der Beklagte am 17.12.2010 eine Ortsbesichtigung im Einfamilienhaus in T durchgeführt hatte – auf das Protokoll (Bl. 59 und 60 der Einkommensteuerakte) wird Bezug genommen – erkannte er im Einkommensteuerbescheid unter anderem die Kosten für die doppelte Haushaltsführung nicht an, da das Haus der Eltern der Klägerin nicht als Lebensmittelpunkt ...