Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls - kein Ausschluss der Gefährdung von Mandanteninteressen mangels positiver Zukunftsprognose
Leitsatz (redaktionell)
1) Das Gericht ist nicht gehalten, die mündliche Verhandlung in einem Verfahren wegen des Widerrufs der Bestellung als Steuerberater zu vertagen, weil bei einem Aufschub der Entscheidung die Aussicht auf Konsolidierung der wirtschaftlichen Situation des Klägers besteht.
2) Die Gefährdung von Auftraggeberinteressen ist nur dann mit der Folge ausgeschlossen, dass der vermutete oder tatsächliche Vermögensverfall des Steuerberaters nicht zum Widerruf seiner Bestellung führt, wenn aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls festgestellt werden kann, dass der Steuerberater voraussichtlich trotz Vermögensverfalls die Interessen seiner Mandanten in jeder Hinsicht sorgfältig und zuverlässig wahrnehmen wird. Dabei kommt insbesondere dem Umstand Bedeutung zu, ob der Steuerberater die desolate Vermögenslage beherrscht.
3) Die für den Ausschluss des Gefährdungstatbestands in § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG erforderliche positive Prognose für die Zukunft ist regelmäßig nur dann möglich, wenn der Druck der Gläubiger durch Stillhalteabkommen oder realistische Tilgungsabreden usw. soweit gemildert ist, dass mit der Einhaltung des Versprechens, nur in eingeschränktem Umfang die gesetzlich erlaubten Tätigkeiten auszuüben, gerechnet werden kann.
Normenkette
StBerG § 40 Abs. 2 Sätze 2, 2 Nr. 1, § 46 Abs. 2, 2 Nrn. 1, 4, § 48 Abs. 1, 1 Nr. 3, § 57 Abs. 1, 4, 4 Nr. 1, § 157 Abs. 6; ZPO §§ 915, 915a; StPO § 153a Abs. 1; StBerG § 40 Abs. 2
Nachgehend
Gründe
Streitig ist, ob der Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls deshalb rechtswidrig ist, weil keine Gefährdung von Mandanteninteressen besteht.
Der 1954 geborene Kläger (Kl.) wurde durch die Oberfinanzdirektion (OFD) am 22.09.1981 zum Steuerbevollmächtigten und am 11.11.1987 vom Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (Ministerium) zum Steuerberater bestellt.
Auf Grund fehlgeschlagener Immobiliengeschäfte geriet der Kl. in wirtschaftliche Schwierigkeiten, die dazu führten, dass am 02.02.1999 (zwei) und am 09.02.1999 (drei) Haftanordnungen ergingen, die in das beim Amtsgericht H. als Vollstreckungsgericht zu führende Schuldnerverzeichnis eingetragen sind. Außerdem hat der Kl. am 03.03.1999 die eidesstattliche Versicherung abgegeben, die ebenfalls beim Amtsgericht H. in das Schuldnerverzeichnis, das dort gemäß § 915 Zivilprozessordnung (ZPO) geführt wird, eingetragen wurde. Die Eintragungen bestehen fort.
Der Kl. ist Eigentümer von umfangreichem Grundbesitz, verteilt über das Bundesgebiet. Es handelt sich dabei nach dem Stand vom 31.12.1998 um ursprünglich 70 Objekte. Davon sind nach dem Vortrag des Kl. bisher etwa 50 verwertet worden, wobei rund 70 % der Verkehrswerte erzielt wurden. Nach Angaben des Kl. entsprachen die Verkehrswerte in etwa den Belastungen (Wert 12.243.571 DM), Belastungen 12.319.418 DM (Differenz 75.847 DM). Diese Grundstücke werden steuerlich im Umlaufvermögen eines gewerblichen Grundstückshandels des Kl. gehalten.
Mit Vertrag vom 09.06.1998 gründete der Kl. zusammen mit dem Steuerberater T. R. die am 18.08.1998 in das Handelsregister (HR) eingetragene D. W. Steuerberatungsgesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Als Gesellschafter sind der Kl. mit 75 v.H. und Herr T. R. mit 25 v.H. an dem 50.000 DM betragenden Stammkapital der Gesellschaft beteiligt. Alleiniger Geschäftsführer ist der Steuerberater R., der daneben noch eine Einzelpraxis als Steuerberater betreibt. Dem Kl. ist ausweislich des HR Einzelprokura erteilt. Als Gegenstand des Unternehmens ist im HR u.a. eingetragen: „… insbesondere die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen, die betriebswirtschaftliche Beratung und die gutachterliche und treuhänderische Tätigkeit”. Wegen der Einzelheiten wird auf den HR-Auszug (Bl 42 FG-Akte) Bezug genommen, hinsichtlich der Geschäftsführungs- und Vertretungsverhältnisse auf die notariell beurkundete Niederschrift über die in der Gesellschafterversammlung am 20.07.1998 beschlossenen Änderungen des Gesellschaftsvertrages (Bl 102 ff FG-Akte).
Laut schriftlicher Erklärung des Steuerberaters R. vom 05.07.2000 führte die GmbH keinerlei Treuhandkonten. Mit Ausnahme von drei Mandanten, die ihre Zahlungen selbst veranlassen, haben sämtliche Mandanten mit den Behörden Lastschriftverfahren vereinbart.
Das Gehalt, das der Kl. von der GmbH bezieht, beträgt brutto 1.500 DM zuzüglich Versicherungsbeiträge, die die GmbH für den Kl. trägt. Netto verbleiben dem Kl. 483 DM. Die Gehaltsansprüche sind vielfach gepfändet. Hierzu wird auf die Aufstellung der GmbH vom 10.01.2002 Bezug genommen (Bl 114 FG-Akte). Die Geschäftsanteile des Kl. an der GmbH einschließlich der Gewinnansprüche sind als Sicherheit für in der Zeit von 1992 bis 1995 gewährte Darlehen in Höhe von insgesamt 1,5 Mio. DM an ...