Entscheidungsstichwort (Thema)
Volle Berücksichtigung von Veräußerungsverlusten einer in der Schweiz gelegenen Arztpraxis im Rahmen des Progressionsvorbehalts
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Fünftelregelung gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG findet auf negative außerordentliche ausländische Einkünfte keine Anwendung.
2) Der Verlust aus der Veräußerung einer in der Schweiz gelegenen Arztpraxis wirkt sich daher im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts in vollem Umfang steuersatzmindernd aus.
Normenkette
EStG § 32b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1; DBA Schweiz Art. 14, 13 Abs. 2, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c; EStG § 18
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob sich der Verlust aus der Veräußerung einer in der Schweiz belegenen Arztpraxis nach § 32b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) nur zu einem Fünftel oder in vollem Umfang steuersatzmindernd auswirkt.
Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr 2006 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Bis zum 31.03.2006 betrieben sie in O-Stadt eine ärztliche Gemeinschaftspraxis. Diese Praxis veräußerten die Kläger mit Wirkung zum 01.04.2006. Der Veräußerungsgewinn betrug EUR xxxxxx.
Am 01.02.2006 eröffneten die Kläger eine ärztliche Gemeinschaftspraxis in L-Stadt in der Schweiz. Bereits zum 30.09.2006 gaben sie diese Praxis wieder auf und nahmen wiederum in O-Stadt ihre ärztliche Tätigkeit auf. Der Verlust aus der Veräußerung der schweizerischen Praxis betrug CHF 210.321 (= EUR 131.320). Der Verlust ist dem Grunde und der Höhe nach unstreitig.
Der Beklagte berücksichtigte den Verlust aus der Veräußerung der Praxis im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts zunächst in vollem Umfang. Eine bei den Klägern durchgeführte Betriebsprüfung vertrat dagegen die Ansicht, dass der Verlust gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG nicht in vollem Umfang, sondern nur in Höhe eines Fünftels bei der Ermittlung des Steuersatzes in Abzug gebracht werden könne. Wegen der Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 16.12.2008 Bezug genommen.
Der Beklagte folgte der Auffassung der Betriebsprüfung und änderte die Einkommensteuerfestsetzung für 2006 entsprechend in dem vorliegend angefochtenen Bescheid vom 26.03.2009. Unter Einbeziehung negativer außerordentlicher ausländischer Einkünfte in Höhe von EUR 26.264 (1/5 von EUR 131.320) ermittelte der Beklagte einen Steuersatz von xy v.H., den er auf das der Höhe nach unstreitige zu versteuernde Einkommen von EUR yyyyyy anwandte.
Der Einspruch, mit dem die Kläger eine volle Verlustberücksichtigung nach § 32b EStG begehrten, blieb erfolglos. In der Einspruchsentscheidung vom 26.08.2009 führte der Beklagte aus, die Fünftel-Regelung in § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG gelte nicht nur für positive ausländische außerordentliche Einkünfte, sondern auch für negative. Der in der Vorschrift verwandte Begriff der Einkünfte entspreche der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 EStG und umfasse somit auch Verluste (Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 15.05.2002 I B 73/01, BFH/NV 2002, 1295).
Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Zur Begründung führen sie im Wesentlichen an, die Vorschrift des § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG erfasse nur positive ausländische außerordentliche Einkünfte. Der Sinn der Regelung liege darin, ausländische außerordentliche Einkünfte in einer den inländischen außerordentlichen Einkünften vergleichbaren Weise zu besteuern, welche nur mit einem Fünftel ihres Betrages eine Progressionssteigerung hervorriefen. Die Vorschrift des § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG beziehe sich auf § 34 EStG, wonach nur positive Einkünfte erfasst würden. Inländische negative außerordentliche Einkünfte fielen hingegen nicht unter § 34 EStG. Die Fünftel-Regelung könne daher auch nicht für entsprechende ausländische Einkünfte gelten.
Die Kläger beantragen (sinngemäß),
den Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 26.03.2009 und die hierauf ergangene Einspruchsentscheidung vom 26.08.2009 dahin abzuändern, dass der Verlust aus der Veräußerung der in der Schweiz belegenen Arztpraxis in voller Höhe (EUR 131.320) bei der Ermittlung des Steuersatzes in Abzug gebracht wird.
Ferner beantragen die Kläger,
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner bisherigen Auffassung fest.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst beigefügten Unterlagen, die Einspruchsentscheidung vom 26.08.2009 sowie die vorgelegten Verwaltungsvorgänge.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –), ist begründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2006 vom 26.03.200...