Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung einer etwaigen Doppelbesteuerung einer Leibrente
Leitsatz (redaktionell)
1) Eine unzulässige Doppelbesteuerung ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Vorsorgeaufwendungen.
2) Die Vergleichs- und Prognoserechnung erfolgt auf der Grundlage des Nominalwertprinzips.
3) Die Summe der Rentenbezüge ist dergestalt zu berechnen, dass der nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a) Satz 4 EStG ermittelte steuerfreie Teil der Rente mit der durchschnittlichen statistischen Lebenserwartung nach der im Zeitpunkt des Renteneintritt letztverfügbaren Sterbetafel multipliziert wird. Künftige Rentenanpassungen bleiben unberücksichtigt.
4) Für die Ermittlung der in den VZ bis 2004 aus versteuertem Einkommen geleisteten Teile der Altersvorsorgeaufwendungen sind wertende Zuordnungsentscheidungen erforderlich; für die VZ ab 2005 sind die den Höchstbetrag nach § 10 Abs. 3 EStG übersteigenden Altersvorsorgeaufwendungen zu berücksichtigen.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; EStG § 10 Abs. 3, § 22 Nr. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten hinsichtlich der Einkommensteuer 2019 und 2020 (Streitjahre) über das Vorliegen einer Doppelbesteuerung von Leibrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Hinblick auf die vom Bundesfinanzhof (BFH) entwickelte Berechnungsmethode.
Die verheirateten Kläger (gemeinsam die Kläger) wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der am xx.xx.1944 geborene Kläger erzielte während seiner gesamten Erwerbstätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit; währenddessen wandte der Kläger nach seiner eigenen Ermittlung Altersvorsorgebeiträge i.H.v. 195.536€ auf. Der Kläger bezog seit dem 01.12.2007 eine Leibrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Zu Rentenbeginn betrugen die jährliche Rente 19.397€ und die Lebenserwartung des Klägers 17,97 Jahre ausweislich der am 19.10.2006 veröffentlichten Sterbetafel 2003/2005 des Statistischen Bundesamtes.
Am 08.11.2021 erließ der Beklagte die Einkommensteuerbescheide 2019 und 2020; die Steuerfestsetzung erfolgte gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Abgabenordnung (AO) vorläufig im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit und verfassungskonforme Auslegung der Norm der Besteuerung von Leibrenten und anderen Leistungen aus der Basisversorgung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a) Doppelbuchstabe aa) Einkommensteuergesetz (EStG). Dabei legte der Beklagte hinsichtlich der Leibrente folgende Beträge erklärungsgemäß zugrunde:
|
2019 |
2020 |
Jahresbetrag der Rente |
23.894€ |
24.687€ |
Darin enthaltender Anpassungsbetrag |
4.497€ |
5.290€ |
Steuerfreier Teil der Rente |
- 8.923€ |
- 8.923€ |
Steuerpflichtiger Teil der Rente |
21.640€ |
22.358€. |
Hiergegen legten die Kläger am 07.12.2021 Einspruch ein. Für die Begründung wird auf den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 30.12.2021 Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 11.01.2022 beantragten die Kläger hinsichtlich des Einspruches gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 das Ruhen des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2020.
Mit Einspruchsentscheidung vom 10.02.2022 wies der Beklagte den Einspruch insgesamt als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, eine Doppelbesteuerung der Rente sei nicht gegeben. Eine doppelte Besteuerung liege vor, wenn die dem Kläger voraussichtlich steuerunbelastet zufließenden Rententeilbeträge geringer seien als die von ihm aus versteuertem Einkommen bezahlten Altersvorsorgeaufwendungen (BFH, Urteil vom 21.06.2016 X R 44/14, juris). Bereits nach seiner eigenen Berechnung komme der Kläger zu dem Ergebnis, dass nach den vom BFH aufgestellten Grundsätzen keine Doppelbesteuerung vorliege. Die Berechnung des Klägers sei zu korrigieren. Die Beiträge zur Rentenversicherung seien grundsätzlich auf der Grundlage des Bruttoarbeitslohnes zu berechnen, höchstens jedoch in Höhe der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze. Bei der Berechnung stünden dem steuerfreien Rentenanteil von 160.614€ Rentenversicherungsbeiträge i.H.v. 77.021€ gegenüber. Hierbei sei der mögliche steuerfreie Teil einer Hinterbliebenenrente ebenso wenig berücksichtigt wie die weitere steuerliche Entlastung während der Erwerbsphase durch den Sonderausgabenabzug. Die von dem Kläger konstruierte Berechnungsmethode zur Feststellung einer Doppelbesteuerung sei nicht nachvollziehbar.
Gegen die Einspruchsentscheidung haben die Kläger am 01.03.2022 Klage erhoben.
Die Kläger sind im Wesentlichen der Auffassung, die Einkünfte des Klägers aus der Leibrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung seien nicht der Besteuerung zu unterwerfen. Die Berechnung der sonstigen Einkünfte nach der Vorschrift des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a) Doppelbuchstabe aa) EStG führe zu einer Doppelbesteuerung. Mangels anderweitiger Rechtsnorm dürfte die Rente überhaupt nicht besteuert werden.
Dabei richte sich die Klage nicht gegen die ...