Entscheidungsstichwort (Thema)
Kreditinstitut als Leistungsempfänger einer Steuererstattung
Leitsatz (redaktionell)
Durch die Überweisung einer Steuererstattung wird das kontoführende Kreditinstitut auch dann nicht Leistungsempfänger i.S.v. § 37 Abs. 2 AO, wenn es die Erstattung mit einem Teil des ihm gegenüber bestehenden Schuldsaldos des Bankkunden (Steuerpflichtigen) verrechnet. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem Girokonto um ein gekündigtes, aber noch nicht abgerechnetes Konto handelt.
Normenkette
AO § 37 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob die Klägerin (Klin.) zu Recht als Leistungsempfängerin durch Rückforderungsbescheid in Anspruch genommen wurde, weil sie eine Steuererstattung an einen ihrer früheren Bankkunden mit einem Teil des ihr gegenüber bestehenden Schuldsaldos dieses Bankkunden verrechnet hat.
Herr T. M. hatte mit der Klin., einer Bank, Geschäftsverbindungen. U.a. war für ihn ein Girokonto eingerichtet, das als Geschäftskonto seiner Einzelfirma fungierte. Es bestand ein Girovertrag (§ 676 f. BGB) mit der Befugnis, das Girokonto in einem bestimmten Rahmen zu nutzen. Darüber hinaus waren Herrn M. zwei weitere Kredite gewährt worden. Die Klin. hatte mit Schreiben vom 15.05.2009 den Girovertrag und die Geschäftsverbindung mit Herrn M. mit Wirkung zum 09.07.2009 bzw. zum 15.08.2009 ordentlich gekündigt. Zu diesen Zeitpunkten bestanden – ausweislich eines später, am 14.07.2010 ergangenen Urteils des Landgerichts Q. (Az. … O …./09) – fällige Verbindlichkeiten des Herrn M. gegenüber der Klin. in einer Größenordnung von insgesamt etwa xxx.xxx,xx EUR. Auf zwei Kontokorrentkredite entfallen dabei Teilbeträge von etwa xxx.xxx,xx EUR und xx.xxx,xx EUR.
Herr T. M. hatte das Kontokorrentkonto, auf dem ein Schuldsaldo bis zum eben genannten Termin von etwa xxx.xxx,xx EUR angesammelt war, zunächst auch als seine Kontoverbindung gegenüber dem Beklagten (Bekl.) angegeben.
Aus einer Steueranmeldung stand Herrn M. im September 2009 ein Steuererstattungsanspruch i. H. v. 3.848,26 EUR zu.
Am 24.09.2009 teilte Herr M. dem Bekl. eine neue Kontoverbindung bei einer anderen Bank mit. Dorthin solle das Geld überwiesen werden.
Der Bekl. übersah jedoch den Hinweis des Herrn M. auf die geänderte Kontenverbindung. Er überwies am 29.09.2009 daher den Steuererstattungsbetrag von 3.848,26 EUR auf das frühere Girokonto des Herrn M. bei der Klin.. Die Klin. verrechnete nunmehr die Gutschrift von 3.848,26 EUR zum 01.10.2009 mit einem Teil des zu diesem Zeitpunkt bestehenden Schuldsaldos. Die Verbindlichkeiten des Herrn M. aus dieser früheren Girokontenverbindung verminderten sich dadurch zu diesem Zeitpunkt von bisher xxx.xxx,xx EUR auf nunmehr xxx.xxx,xx EUR.
Nachdem der Bekl. die fehlerhafte Überweisung bemerkt hatte, erließ er gegen die Klin. am 08.10.2009 einen Rückforderungsbescheid über 3.848,26 EUR. Der hiergegen gerichtete Einspruch, mit dem die Klin. geltend machte, sie sei lediglich Zahlstelle und nicht Leistungsempfängerin der Erstattung, hatte keinen Erfolg. Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 02.06.2010 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die Klin. sei durch die Fehlüberweisung rechtsgrundlos bereichert. Sie habe aus eigenem Entschluss und gegen den Willen des Überweisungsempfängers, Herrn M., eine Verrechnung mit eigenen Forderungen vorgenommen. Durch diese eigene Zweckbestimmung habe sie nicht mehr als „durchreichende Zahlstelle” gehandelt, sondern sei selbst zur Leistungsempfängerin i. S. d. § 37 Abs. 2 AO geworden.
Mit der daraufhin erhobenen Klage verfolgt die Klin. ihr Begehren weiter, den Rückforderungsbescheid ersatzlos aufzuheben und als weitere Folge den von ihr unter Vorbehalt zurückgezahlten Betrag wieder vom Bekl. zurück zu erhalten. Sie meint im Wesentlichen, dass auch ein rechtlich erloschener Girovertrag Nachwirkungen habe. Diese lägen u.a. darin, dass sie berechtigt sei, Zahlungen entgegenzunehmen, die unter Angabe der bisherigen Kontonummer eingegangen seien. Auch dürfe intern auf das entsprechende Konto verbucht werden. Diese Ansicht entspreche höchstrichterlicher Rechtsprechung und zwar sowohl der zivilrechtlichen Rechtsprechung als auch der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH). Im Streitfall habe sie nichts anderes getan, als die entsprechende Gutschrift auf dem gekündigten Girokonto entsprechend der Regelung des § 676 f Satz 1 BGB zu verbuchen und dadurch auch eine Verrechnung mit einem Teil des bisherigen Schuldsaldos vorzunehmen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 02.07.2010 und 06.09.2010 verwiesen.
Die Klin. beantragt,
den Rückforderungsbescheid vom 08.10.2009 und die EE vom 02.06.2010
aufzuheben,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Er hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest und meint, dass sich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des BFH kein Recht der Bank ergebe, nach Auflösung einer Geschäfts...