Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinterziehungszinsen zur Umsatzsteuer 1981 und 1983–1986
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Beschluß
Der Streitwert wird auf 247.811 DM festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist, ob eine von einem Dritten in mittelbarer Täterschaft begangene Steuerhinterziehung zugunsten des Steuerschuldners vorliegt und ob (daraus eine Zinspflicht des letzteren nach § 235 Abgabenordnung (AO) resultiert.
Die Klägerin (Klin), die ein Handelsgeschäft mit Einrichtungsgegenständen und Antiquitäten betreibt, ließ sich in den Jahren 1981 bis 1986 von einem in Belgien wohnhaften Herrn … (S.) über dessen vorgeschobenen Strohmann … (R.) in angebliche Reihen- oder Streckengeschäfte mit Endabnehmern im Ausland einschalten. S. hatte sich Rechnungsvordrucke verschiedener inländischer Firmen beschafft und fertigte daraus Rechnungen mit offenem Steuerausweis über fingierte Warenlieferungen an die Klin, welche die Rechnungen nach Eingang des von ihr den Endabnehmern berechneten Betrages bezahlte durch Überweisungen auf Konten des S. bzw. R. in Luxemburg. Der Profit der Klin, welche die Eingangsrechnungen zum Vorsteuerabzug bei ihrem Finanzamt (FA) verwendete, sollte darin bestehen, daß sie ihrerseits den von S. bzw. R. vorgegebenen belgischen Endabnehmern einen um 5 % höheren Warenwert als den laut Eingangsrechnung berechnete, und zwar ohne Steuerausweis, da letztlich steuerfreie Ausfuhrlieferungen deklariert wurden. Obwohl es sich in Wahrheit um Luftgeschäfte bzw. um von S. besorgte Leerfrachten nach Belgien handelte, bereitete dem S. die Beschaffung echter zollamtlich bestätigter Ausfuhrerklärungen keine Schwierigkeiten infolge erleichteter Zollabfertigungen im EG-Bereich. Da aber die Rechnungsadressaten der Klin in Wahrheit nicht existierten bzw. niemals mit der Klin in tatsächliche Geschäftsverbindung traten, nahm S. selbst die Rechnungsbegleichung gegenüber der Klin mittels Abhebungen von besagten Luxemburger Konten vor. Als „Gewinn” verblieb dem S. die Spanne zwischen dem der Klin vergüteten Aufschlag von 5 % und dem zuvor der Klin berechneten Umsatzsteuer (USt)-Ausweis von 14 % auf den angeblichen Warenwert.
Die der Klin von S. erteilten Rechnungen über fingierte Wareneinkäufe haben in den Streitjahren zu einem unberechtigten Vorsteuerabzug der Klin in Höhe von rund 5,5 Millionen DM geführt. Die strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Geschäftsführer, den Verkaufsleiter und einen ehemaligen Prokuristen der Klin wegen USt-Hinterziehung haben zur Verfahrenseinstellung geführt mangels ausreichenden Nachweises, daß diese Personen vom Vorliegen bloßer Scheingeschäfte wußten. Gegen den in Untersuchungshaft befindlichen S. aber waren wegen des deutsch-belgischen Auslieferungs- und Rechtshilfeabkommens steuerstrafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen bisher nicht möglich. Der Ermittlungsbericht vom 26.03.1991 des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Münster erachtet S. als den Hauptbeschuldigten und empfiehlt, die Strafverfolgung aufzunehmen, sobald die Voraussetzungen dafür nach dem Auslieferungsabkommen erfüllt sind.
Nachdem der Beklagte (Bekl) im Anschluß an die Ermittlungen des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung den Vorsteuerabzug der Klin aus den fingierten Wareneinkaufsrechnungen rückgängig gemacht hatte, setzte er mit Bescheid vom 09.04.1992 gegen die Klin Hinterziehungszinsen zur USt 1981 und 1983 bis 1986 in Höhe von insgesamt 247.811 DM fest.
Dagegen richtet sich nach Erfolglosigkeit des Einspruchs die Klage. Die Klin verneint das Vorliegen einer sie begünstigenden Steuerhinterziehung. Den für die Klin handelnden Personen habe es mangels Kenntnis der Machenschaften des S. am Vorsatz gefehlt. Eine mittelbare Täterschaft des S. scheitere am Fehlen von dessen Tatherrschaft hinsichtlich des Vorsteuerabzugs der Klin. Selbst wenn man eine Steuerhinterziehung annehme, fehle es aber an einer für § 235 AO zu fordernden Zurechnungsverantwortung der Klin, da S. weder als Erfüllungsgehilfe noch sonstwie in steuerlichen Obliegenheiten der Klin eingesetzt worden sei. Schließlich habe der Klin der unrechtmäßige Vorsteuerabzug auch nicht zum Vorteil im Sinne von § 235 Abs. 1 S. 1 AO gereicht, da sie ihrerseits in derselben Höhe den in den Eingangsrechnungen ausgewiesenen Steuerbetrag an S. bezahlt habe, so daß die Vorsteuer für sie letztlich – entsprechend der Systematik des Umsatzsteuergesetzes (UStG) – einen durchlaufenden Posten dargestellt habe.
Die Klin beantragt,
den Zinsbescheid vom 09.04.1992 ersatzlos aufzuheben.
Der Bekl beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält es für erwiesen, daß S. eine Steuerhinterziehung zum Vorteil der Klin begangen habe. Da S. durch seinen Strohmann R. das Vorgehen der Klin in allen wesentlichen Einzelheiten mit dieser abgestimmt habe, habe er das Geschehen wie ein mittelbarer Täter beherrscht. Anders als ein Aussteller unrichtiger Spendenb...