Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründung einer doppelten Haushaltsführung
Leitsatz (redaktionell)
Eine doppelte Haushaltsführung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG wird auch dann begründet, wenn zwar die Zweitwohnung näher am Familienwohnsitz als an der Arbeitsstätte liegt, die Arbeitsstätte hingegen nicht vom Familienwohnsitz wohl aber von der Zweitwohnung in zumutbarer Weise erreicht werden kann.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung bei der Steuerfestsetzung der Veranlagungszeiträume 2010 und 2011 als Werbungskosten bei den Einkünften aus § 19 Einkommensteuergesetz (EStG) berücksichtigt werden können.
Die Kläger sind Eheleute und wurden für die Streitjahre 2010 und 2011 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Professor für … an der … in B. und bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG. Die Klägerin bezieht als angestellte Buchhändlerin im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses ebenfalls Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Beschäftigungsort der Klägerin und Familienwohnsitz der Kläger mit den beiden gemeinsamen Kindern ist H..
Bereits im Jahr 2007 wechselte der Kläger von P an die Universität nach B., als er dort die Möglichkeit erhielt, vertretungsweise einen Lehrstuhl zu übernehmen. Um sich mit den Gepflogenheiten in B. und der Universität vertraut machen zu können, nahm er eine Wohnung in der Nähe der Universität. Parallel zur Lehrstuhlvertretung durchlief der Kläger ein Berufungsverfahren für eine andere Professur an der Universität in B, die er dann im Herbst 2007 erhielt. Bereits im Spätsommer 2007 kündigte der Kläger seine Wohnung in B. und suchte nach einer für sich geeigneten Wohnung in E.. Er entschied sich für E. deshalb, weil dort die …bibliothek und auch die …bibliothek ansässig sind, die im Fachbereich des Klägers sehr gut ausgestattet sind. In seinem Fachgebiet „…” besteht die Arbeit des Klägers im Wesentlichen im Literaturstudium. Die Bibliotheken sucht er dabei im Schnitt drei bis fünf mal im Monat auf, wobei die Nutzung entsprechend seines Arbeitsfortschritts unterschiedlich intensiv ist. Maßgeblich ist aus Sicht des Klägers der schnell mögliche Zugriff.
Die Lehrverpflichtungen des Klägers belaufen sich im Schnitt auf fünf Veranstaltungen pro Woche. Außerdem ist er geschäftsführender Direktor eines Instituts und somit bestimmten Verwaltungsaufgaben und Verpflichtungen, z. B. an Fachbereichssitzungen teilzunehmen, betraut.
In den Einkommensteuererklärungen 2010 und 2011 machte der Kläger Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten geltend. Für 2010 beliefen sich die Aufwendungen auf insgesamt 9.164 Euro und für 2011 auf 8.078 Euro. Im Wesentlichen handelte es sich um die Kosten der Unterkunft des Klägers in E., diverse Einrichtungsgegenstände und die Aufwendungen für die Heimfahrten nach H. Die Aufwendungen für die in E. angemietete Garage betragen 480 Euro jährlich. Zu den Einzelheiten wird auf die Angaben in den Steuererklärungen 2010 und 2011 (Blatt 15/16 und Blatt 84/85 der Steuerakte) Bezug genommen.
Die Entfernung der vom Kläger bewohnten Wohnung in E. zum Familienwohnsitz nach H beträgt 47 km, die Entfernung zur Arbeitsstätte in B. 83 km.
Die Wohnung in E., A-Straße 44, ist in einer Entfernung von ca. 4 Kilometern zur …bibliothek belegen. Die Autobahn nach B. ist schnell zu erreichen.
Bei der Einkommensteuerfestsetzung für 2010 durch Bescheid vom 03.08.2011 und für 2011 durch Bescheid vom 29.06.2012 berücksichtigte der Beklagte die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen zur doppelten Haushaltsführung nicht als Werbungskosten, da der Wohnsitz in E. zu weit vom Arbeitsort entfernt liege und deshalb nicht als Wohnung am Beschäftigungsort des Klägers angesehen werden könne.
Die Einkommensteuerfestsetzung 2011 änderte der Beklagte aus hier nicht streitigen Gründen durch Einkommensteuerbescheid vom 05.07.2012.
Gegen die Einkommensteuerfestsetzungen erhoben die Kläger Einspruch am 31.08.2011 (2010) und am 30.07.2012 (2011). Sie verwiesen darauf, dass der Beschäftigungsort sich begrifflich nicht auf die politische Gemeinde beschränke, in der sich die Arbeitsstätte des Steuerpflichtigen befinde, sondern auch das Einzugsgebiet umfasse. Soweit sich die Zweitwohnung in der Nähe des Beschäftigungsortes befinden müsse, könne diese Nähe auch zeitlich begründet sein. Dies gelte im Fall des Klägers deshalb, weil er seine Arbeitsstätte von der besonders verkehrsgünstig gelegenen Wohnung in E. innerhalb von 50 Minuten erreichen könne. Diese Fahrtzeit werde ausweislich der Rechtsprechung für eine Strecke zwischen Wohnung und Beschäftigungsort für Pendler als zumutbar erachtet. Gegenüber einer Fahrt zum Arbeitsort von seinem Familienwohnsitz aus ergebe sich eine tägliche Fahrzeitersparnis von mind...