Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Rückgängigmachung einer Anteilsübertragung
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ist mindestens einer der für die Verwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG maßgebenden Erwerbsvorgänge vollständig rückgängig zu machen, so dass die 95 v.H.-Schwelle beim Anteilsübergang nicht überschritten wird; die teilweise Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs ist nicht ausreichend.
Normenkette
GrEStG § 16 Abs. 2, § 1 Abs. 2a
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob eine die Grunderwerbsteuer auslösende Anteilsübertragung ordnungsgemäß i.S.d. § 16 Abs. 5 GrEStG angezeigt wurde, sowie ob für die Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG eine teilweise Rückgängigmachung der die Grunderwerbsteuer auslösenden Anteilsübertragung ausreicht.
I.
Die Klägerin ist eine Personengesellschaft. Zu Beginn des Jahres 2004 firmierte die Gesellschaft unter dem Namen „A KG“. Als persönlich haftender Gesellschafter war der Holztechniker A1 im Handelsregister eingetragen, als Kommanditistinnen die Gesellschafterinnen A2 und A3 mit einer Einlage von jeweils 24.500 DM.
1. Der Gesellschafter A1 bzw. dessen Sohn A4 einerseits und die Kommanditistinnen A2 und A3 andererseits standen Ende des Jahres 2008 bereits seit längerem in Verhandlungen mit dem Ziel eines Verkaufs der Kommanditanteile an A1 bzw. A4. Die Gesellschaft war zu diesem Zeitpunkt vom Komplementär A1 mit Schreiben vom 29.03.2008 an die Kommanditistinnen gekündigt worden. Die Beteiligten schlossen am 22.12.2008 einen privatschriftlichen Geschäftsanteilsübertragungsvertrag wie folgt:
- A2 und A3 verkauften ihre Kommanditanteile in Höhe von jeweils 12.526,65 € an A4 und traten diese unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung an den Erwerber ab. Der Kaufpreis war am 31.03.2009 zur Zahlung fällig.
- In die Klägerin trat mit Wirkung ab 22.12.2008 als weitere persönlich haftende Gesellschafterin die A2 & A3 Verwaltungs GmbH ein. An der GmbH waren A2 und A3 jeweils mit einem Geschäftsanteil vom 12.500 € beteiligt. Gemäß der Vereinbarung sollte die A2 & A3 Verwaltungs GmbH mit Wirksamwerden der Abtretung der Kommanditanteile – also nach vollständiger Kaufpreiszahlung – entschädigungslos aus der Gesellschaft ausscheiden. A2 und A3 verpflichteten sich, A4 ein verbindliches Angebot zur Übernahme der ihnen an der A2 & A3 Verwaltungs GmbH zustehenden Geschäftsanteile zu unterbreiten.
2. Mit notarieller Abtretungsurkunde vom 29.12.2008 erwarb A4 zwei Geschäftsanteile zu jeweils 250 € an der A2 & A3 Verwaltungs GmbH im Rahmen deren Umfirmierung in die A Verwaltungs GmbH.
3. Am 19.03.2009 schlossen die Beteiligten eine notarielle Vereinbarung über „Geschäftsanteilsabtretung und andere Vereinbarungen“ (URNr. …/2009, Notar, A-Stadt). Danach traten die Gesellschafterinnen der A Verwaltungs GmbH ihren Geschäftsanteil von jeweils 12.250 € an A4 ab. Die A Verwaltungs GmbH schied nicht mit Wirksamwerden der Abtretung der Kommanditanteile aus der Klägerin aus, sondern verblieb als persönlich haftende Gesellschafterin in der Klägerin. Im Wege des Gesellschaftsvertrages vereinbarten die Gesellschafter im notariellen Vertrag vom 19.03.2009, dass die A Verwaltungs GmbH nicht am Vermögen der Klägerin beteiligt ist.
4. Mit Datum 07.04.2009 erfolgte der Eintrag in das Handelsregister, dass A1 als Komplementär aus der Klägerin ausgeschieden und als Kommanditist mit einer Einlage von 26.075,88 € in die Klägerin eingetreten ist. Zu diesem Zeitpunkt waren damit die nicht am Vermögen der Klägerin beteiligte A Verwaltungs GmbH als Komplementärin und die beiden Kommanditisten A1 und A4 mit einer Einlage von 26.075,88 € bzw. 25.053,30 € beteiligt.
5. Mit notariellem Vertrag vom 15.05.2009 (URNr. .../2009, Notar, A-Stadt) übertrug der Kommanditist A1 seine gesamte Gesellschafterstellung als Kommanditist im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen Versorgungsleistung auf den Erwerber A4 und schied aus der Klägerin aus. Die Kommanditeinlage des nunmehr allein beteiligten A4 am Festkapital der Klägerin erhöhte sich auf 51.129,18 €. Die Eintragung dieses Kommanditistenwechsels in das Handelsregister erfolgte am 28.05.2009.
Das Notariat übersandte diese Urkunde dem Finanzamt C. – Grunderwerbsteuerstelle – mit Kurzbrief vom 26.05.2009, eingegangen dort am 27.05.2009.
II.
Das Finanzamt wertete die Übertragungsvorgänge als Änderung des Gesellschafterbestandes innerhalb von fünf Jahren dergestalt, dass mindestens 95 v.H. der Anteile am Gesellschaftsvermögen der Klägerin auf neue Gesellschafter übergehen und damit als grunderwerbsteuerpflichtig i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG. Mit Schreiben vom 28.05.2009 gewährte es der Klägerin diesbezüglich rechtliches Gehör und forderte sie zur Abgabe einer Aufstellung des am 15.05.2009 sich in ihrem Eigentum befindlichen Grundbesitzes auf. Mit Schreiben vom 27.07.2009 ließ die Klägerin erklären, dass A1 beabsichtige, sich aus der vorweggenommenen Erbfolge an seinen Sohn A4 einen 6%igen Ges...