Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Unfähigkeit zum Selbstunterhalt bei möglicher Erwerbstätigkeit eines Kindes
Leitsatz (redaktionell)
Ein über 27 Jahre altes studierendes Kind ist wegen seelischer Behinderung nicht außer Stande, sich selbst zu unterhalten, wenn ein Gutachten eine mindestens 15 stündige Beschäftigung für möglich hält.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3, § 63 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der volljährige Sohn des Klägers wegen seelischer Behinderung außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten und diese Behinderung vor dem 27. Lebensjahr eingetreten ist.
Der Kläger bezog für seinen Sohn A (geb. 26.05.1978), der im Juli 2000 das Abitur machte, im Wintersemester 2000/2001 sowie im Sommersemester 2001 an der Technischen Universität X in der Fachrichtung Maschinenwesen, ab dem Wintersemester 2001/2002 an der Universität Y bis zum Wintersemester 2004/2005 die Fachrichtung Volkswirtschaftslehre und ab dem Wintersemester 2004/2005 an der Universität Y die Fachrichtung Allgemeine Pädagogik/Soziologie/Politikwissenschaft studierte, laufend Kindergeld.
Mit Schreiben vom 31 .01 .2005 beantragte der Kläger, Kindergeld für A über das 27. Lebensjahr hinaus weiter zu bewilligen, da A wegen seiner Behinderung außer Stande sei, sich selbst zu unterhalten. A leide seit Jahren unter Ängsten und Depressionen, die das Beenden einer Ausbildung bisher unmöglich gemacht hätten. Aufgrund der psychischen Erkrankung sei er nach wie vor unfähig, sich selbst zu unterhalten. Von der Vorlage eines amtlichen Nachweises für die Behinderung möge abgesehen werden, da sich das Verfahren zur Erlangung dieses Nachweises nachteilig auf die weitere Behandlung und den Gesundheitszustand von A auswirken würde.
Dem Schreiben waren verschiedene ärztliche Bescheinigungen beigefügt. Danach sei aufgrund der psychischen Erkrankung, aus der die Unfähigkeit resultiere, für den Lebensunterhalt selbständig zu sorgen, der Kindergeldanspruch über das 27. Lebensjahr hinaus indiziert.
Mit Schreiben vom 04.04.2005 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass die Festsetzung von Kindergeld für A mit Ablauf des Monats Mai 2005 aufgehoben werde.
In der Erklärung zu den Einkünften und Bezügen eines über 18 Jahre alten Kindes teilte der Kläger mit, A befinde sich in Hochschulausbildung und könne sich wegen seelischer Behinderung nicht selbst unterhalten. Beigefügt war eine Immatrikulationsbescheinigung für A, gültig bis 30.09.2005, aus der sich ergab, dass A im Studienfach Allgemeine Pädagogik/Soziologie/Politikwissenschaft im zweiten Fachsemester immatrikuliert war.
Mit Bescheid vom 26.07.2005 wurde der Antrag auf Weiterbewilligung von Kindergeld für A über das 27. Lebensjahr hinaus, d.h. ab Juni 2005, abgelehnt. Zur Begründung war ausgeführt, von einer Behinderung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG könne bei A nicht ausgegangen werden, da er sein Studium zum Wintersemester 2004/2005 wieder aufgenommen habe und damit davon auszugehen sei, dass A genesen sei.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit seiner Klage beantragt der Kläger, den Ablehnungsbescheid vom 26.07.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 26.06.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Kindergeld für A über das 27. Lebensjahr hinaus, d.h. ab Juni 2005, weiter zu bewilligen.
Zur Begründung wiederholt er sein bisheriges Vorbringen, A sei behinderungsbedingt nicht in der Lage, sich selbst zu unterhalten. Ein Studienabschluss sei krankheitsbedingt nicht möglich. Ein Kind, das sich noch in Ausbildung befinde, sei in jedem Fall unfähig, sich selbst zu unterhalten.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, ausweislich der Stellungnahme der Reha-SB-Stelle vom 02.10.2006 sei A in der Lage, eine arbeitslosenversicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes auszuüben. Damit sei nachgewiesen, dass A nicht außer Stande sei, sich selbst zu unterhalten.
Darüber hinaus sei nachgewiesen, dass bei A, selbst wenn bei diesem schon vor Vollendung des 27. Lebensjahres eine Behinderung vorgelegen hätte, diese nicht die Unmöglichkeit verursacht habe, den Lebensunterhalt selbst zu bestreiten.
Zwar sei ein über 27 Jahre altes Kind, das in Schul- oder Berufsausbildung stehe, dann als unfähig zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit anzusehen, wenn es wegen seiner Behinderung noch in Schul- oder Berufsausbildung stehe. Dies sei bei A jedoch nicht der Fall. A habe sein Studium wiederholt abgebrochen. A stehe nicht wegen einer Behinderung noch in Berufsausbildung, sondern weil er mehrfach sein Studienfach gewechselt und dadurch insgesamt vier Jahre bzw. acht Semester verloren habe. Die wiederholte Neuaufnahme eines Studienganges spreche gegen eine dauerhafte Behinderung von A i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ...