Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldberechtigung eines im zivilen Gefolge der US-Streitkräfte nach dem NATO-Truppenstatut im Inland beschäftigten Ausländers

 

Leitsatz (amtlich)

Ein ausländischer Staatsangehöriger, der im zivilen Gefolge der US-Streitkräfte nach dem NATO-Truppenstatut im Inland beschäftigt ist, ist nicht zum Aufenthalt i.S.d. § 62 Abs. 2 EStG berechtigt. Eine analoge Anwendung der Vorschrift nach Ableben des deutschen Ehegatten schied mangels Eingliederung des Ausländers in das inländische Sozial- und Steuersystem (Art. X Abs. 1 NATOTrStat) im konkreten Einzelfall aus.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 2; NATOTrStat Art. X Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Kindergeldberechtigung eines im zivilen Gefolge der US-Streitkräfte nach dem NATO-Truppenstatut im Inland beschäftigten amerikanischen Staatsangehörigen nach dem Ableben seines deutschen Ehegatten.

Der Kläger ist amerikanischer Staatsangehöriger und hält sich seit 1995 im zivilen Gefolge der US-Streitkräfte nach dem NATO-Truppenstatut im Inland auf. Er war in B und ab Mai 2021 in C eingesetzt. In der Zeit von XX.07.1996 bis XX.10.2020 war er mit der deutschen Staatsangehörigen D verheiratet. Aus der Ehe ging der gemeinsame Sohn E hervor; dieser besitzt sowohl die deutsche als auch die amerikanische Staatsangehörigkeit. Der Sohn nahm nach Ablegung des Abiturs zum Sommersemester 2019 ein Studium an der Universität auf, welches er voraussichtlich Ende 2023 beenden wird.

Der Kläger und seine verstorbene Ehegattin sind Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks in F. Im Kalenderjahr 2020 belief sich dort der Verbrauch an Erdgas auf 983,70 €, an Wasser und Abwasser auf 707,52 €, an Strom auf 1.356,25 € und an Abfallentsorgungsgebühren auf 132 €. Für das Kalenderjahr 2021 waren für den Verbrauch an Wasser und Abwasser 279,55 €, an Strom 290,90 € und an Abfallentsorgungsgebühren 144 € zu entrichten. Für den Kläger ist im Melderegister ein Wegzug zum 01.01.2018 erfasst. Eine Freundin der verstorbenen Ehefrau, G, bestätigte schriftlich, dass der Kläger den Familienwohnsitz in F ohne Unterbrechung bewohne und den Wohnsitz tatsächlich nicht zum Zeitpunkt der Abmeldung am 01.01.2018 verlassen habe.

Bis zu ihrem Tod im Oktober 2020 bezog die Mutter des Kindes, D, das Kindergeld für E. Der Kläger erhielt aus seiner Tätigkeit im zivilen Gefolge der US-Streitkräfte nach dem NATO-Truppenstatut keine dem Kindergeld vergleichbare Leistung.

Die beklagte Familienkasse lehnte den Antrag des Klägers auf Kindergeld vom 28.03.2021 (Eingang 07.04.2021) mit Bescheid über Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) vom 13.04.2021 für die Monate ab November 2020 ab. Das dagegen geführte Einspruchsverfahren verlief erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 13.07.2021).

Der Kläger verfolgt sein Begehren auf Kindergeld für seinen Sohn E im Klageverfahren weiter und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor:

Er habe gemäß § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG Anspruch auf Zahlung von Kindergeld. Er habe seinen Wohnsitz rechtmäßig in Deutschland. Die Abmeldung zum 01.01.2018 laut vorgelegten Meldedaten habe seine verstorbene Ehefrau D ausschließlich aus formalen Gründen - wegen seines Führerscheins - veranlasst. Er sei seit langem fest entschlossen, auch nach Beendigung seines Dienstes wie bisher in Deutschland, nämlich im Eigenheim in F, zu leben. Er habe seit 1995 seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland. Sein einziger Sohn E habe ebenfalls seit Geburt seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland. Dies werde auch von den vorgelegten Meldedaten bestätigt.

Er beziehe ausschließlich Einnahmen aus seiner Beschäftigung im zivilen Gefolge der US-Streitkräfte nach dem NATO-Truppenstatut. Weitere inländische Einkünfte beziehe er nicht.

Er sei nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 08.08.2013 III R 22/12, BStBl. II 2014, 838) aufgrund analoger Anwendung von § 62 Abs. 2 EStG kindergeldberechtigt. Sein Aufenthaltsstatus richte sich nach dem NATO-Truppenstatut. Darüber hinaus sei er aufgrund seiner Heirat mit einer deutschen Staatsangehörigen gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG aufenthaltsberechtigt.

Der Kläger beantragt,

  • den Ablehnungsbescheid vom 13.04.2021 sowie die Einspruchsentscheidung vom 13.07.2021 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Kindergeld ab 01.11.2020 zu gewähren.

Die Familienkasse beantragt,

  • die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie unter Verweis auf die Einspruchsentscheidung im Wesentlichen vor:

Dem Kläger könne unabhängig davon, ob er einen Wohnsitz in Deutschland habe oder nicht, kein Kindergeld gewährt werden.

Denn er sei nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels im Sinne des § 62 Absatz 2 EStG. Er sei auch nicht aufgrund einer analogen Anwendung des § 62 Absatz 2 EStG kindergeldberechtigt. Soweit er auf das Urteil des BFH vom 08.08.2013 III R 22/12 (BStBl. II 2014, 838) verweise, unterscheide sich der dort zugrunde gelegte Sachverhalt dadurch, dass der dortige Kläger nicht selbst Mitglied der NATO-Truppe oder des zivilen Gefolges, sondern mit einer Angehörigen de...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Hartz, ABC-Führer Lohnsteuer (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?