Entscheidungsstichwort (Thema)
Nicht abziehbare Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG
Leitsatz (redaktionell)
Über- und Unterentnahmen aus Wirtschaftsjahren vor dem 31. 12. 1998 sind bei der Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG in den Veranlagungszeiträumen 1999 und 2000 zu berücksichtigen.
Schuldzinsen, die auf die Finanzierung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens entfallen, sind nach § 4 Abs. 4a Satz 6 EStG als Betriebsausgaben abziehbar und nicht in die Höchstbetragsberechnung nach § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG einzubeziehen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, 4a; GewStG § 8 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Abziehbarkeit von Schuldzinsen als Betriebsausgaben.
Der Kläger betreibt seit 01.03.1996 eine Apotheke. Den Gewinn ermittelt er durch Betriebsvermögensvergleich bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr vom 01. März bis zum 28. Februar des Folgejahres.
Er eröffnete am 24.06.1998 ein Girokonto bei der Bank 1 (Kontonummer 57150) und zahlte in der Folgezeit einen Großteil seiner Betriebseinnahmen darauf ein. Von diesem Konto, das immer mit einem Guthabensaldo geführt wurde, entnahm er schrittweise insgesamt 1.044.800 DM bis zur Kontoauflösung am 21.12.1998, um die Herstellungskosten für ein neues, eigengenutztes Einfamilienhaus zu bezahlen. Den Schuldsaldo auf seinem bisherigen und weitergeführten betrieblichen Girokonto mit der Nummer 54542, der durch die Begleichung der laufenden Betriebsausgaben entstand, minderte er durch Aufnahme von drei Darlehen über je 249.750 DM (Nr. 20054542, Nr. 12054542 und Nr. 22054542). Am 21.12.1998 bezahlte er vom Girokonto 54542 den Kaufpreis von 34.990,01 DM für einen Pkw, den er als Betriebsvermögen bilanzierte. Mit Wertstellung zum 21.12.1998 wurde ein Darlehen (Nr. 32054542) mit dem Verwendungszweck "Kfz-Finanzierung" in Höhe von 27.000 DM auf das Girokonto 54542 ausbezahlt. Dieses valutierte am 28.02.1999 noch mit 26.052,94 DM und am 29.02.2000 mit 19.880,46 DM. Beim Erwerb der Apotheke 1996 hatte er ein Darlehen über 150.000 DM bei der Bank 2 aufgenommen, das er in Höhe von 130.000 DM zur Finanzierung des Firmenwertes und von Anlagevermögen verwendete. Da dieses Darlehen am Ende der Laufzeit mit einer Lebensversicherungsauszahlung getilgt werden soll, war es in der Bilanz zum 28.02.1999 noch mit 150.000 DM ausgewiesen.
In den Vorjahren betrug der Saldo aus Gewinn zuzüglich Einlagen abzüglich Entnahmen -6.580 DM (Wirtschaftsjahr1996/1997) und -27.233 DM (Wirtschaftsjahr 1997/1998). In den ersten drei Monaten der Wirtschaftsjahre 1998/1999 und 1999/2000 wurden keine Einlagen oder Entnahmen der letzten drei Monate der vorhergehenden Wirtschaftsjahre rückgängig gemacht.
In den Einnahme-Überschussrechnungen für die Streitjahre wies der Kläger folgende Schuldzinsen gewinnmindernd aus:
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WJ 1998/1999 |
WJ 1999/2000 |
Zinsen für kurzfristige Verbindlichkeiten |
4.492,48 DM |
1.487,69 DM |
Zinsaufwendungen für langfristige Verbindlichkeiten |
29.522,97 DM |
53.158,48 DM |
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34.015,45 DM |
54.646,17 DM |
Das Finanzamt wich von den eingereichten Erklärungen 1999 und 2000 ab und rechnete dem Gewerbeertrag außerbilanziell Schuldzinsen gemäß § 4 Abs. 4 a EStG wie folgt zu:
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WJ 1998/1999 |
WJ 1999/2000 |
Entnahmen |
933.494 DM |
259.618 DM |
./. Gewinn |
190.845 DM |
238.778 DM |
Überentnahme |
742.649 DM |
20.840 DM |
Überentnahme Vorjahr |
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742.649 DM |
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763.489 DM |
x 6 % |
44.558 DM |
45.809 DM |
erklärte Schuldzinsen |
34.015 DM |
54.646 DM |
abziehbar bleiben |
4.000 DM |
4.000 DM |
Zurechnung Gewinn |
30.015 DM |
45.809 DM |
Die Entgelte für Dauerschulden nach § 8 Nr. 1 GewStG minderte es 1999 von 29.522 DM auf 0 DM und 2000 von 53.158 DM auf 7.349 DM. Die Einspruchsverfahren blieben ohne Erfolg.
Der Kläger hat Klage erhoben und vorgetragen, dass er den Bau seines Einfamilienhauses mit einer rechtlich zulässigen "Mehrkonten-Finanzierung" durchgeführt habe und die entsprechenden Schuldzinsen als Betriebsausgaben abziehbar seien. Die mangelnde Berücksichtigung von Über- und Unterentnahmen aus den Vorjahren ("Startkapital" 0 DM) stelle einen Verstoß gegen Art. 3 GG dar. Ein Steuerpflichtiger, der kein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr gewählt habe, könne Über-/Unterentnahmen steuerunschädlich bis 31.12.1998 tätigen. Das abweichende Wirtschaftsjahr des Klägers führe jedoch dazu, dass bereits ab März 1998 Überentnahmen zu berücksichtigen seien. § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2001 -StÄndG 2001- könne eine verfassungsrechtlich unzulässige "rückwirkende Regelung" darstellen.
Die Regelung des § 4 Abs. 4 a EStG sei willkürlich und somit unzulässig, da zwar Darlehenszinsen für die Anschaffung bzw. Herstellung von Anlagevermögen von der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 4 a EStG ausgenommen seien, nicht jedoch Darlehenszinsen für die Finanzierung von Umlaufvermögen. Zinsen für Betriebsmittelkredite könnten daher nicht bzw. nur eingeschrä...