Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Vorsteuerabzug einer juristischen Person des öffentlichen Rechts - hier einer Gemeinde - Zuordnungsentscheidung
Leitsatz (amtlich)
Juristische Personen des öffentlichen Rechts können im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art unternehmerisch tätig werden. Auch die juristische Person des öffentlichen Rechts muss bei gemischter Nutzung des Gegenstandes rechtzeitig eine Zuordnungsentscheidung zum Unternehmen treffen und diese zeitnah, d.h. spätestens bis zum 31. Mai des Folgejahres, nach außen dokumentieren. Andernfalls ist der Vorsteuerabzug zu versagen.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 1, 3, §§ 14, 15 Abs. 1 Nr. 1; KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4
Nachgehend
Tatbestand
Klägerin ist die Stadtgemeinde …, die u.a. einen Kurbetrieb unterhält.
Die Klägerin errichtete ab dem Jahr 2009 in der Stadtmitte auf dem Gelände eines ehemaligen Supermarktes einen als Marktplatz bezeichneten Platz, der mit einer Bühnenanlage mit Zuschauertribüne, Ruhebänken sowie einem Geräte- und Abstellraum ausgestattet wurde. Darüber hinaus wurden zur weiteren Gestaltung des Platzes Basaltsäulen und Hinweistafeln errichtet, die auf die Bedeutung des Badeortes in Bezug auf die Lehren, Therapien und über das Leben von Sebastian Kneipp Informationen geben. Des Weiteren wurde ein Wasserlauf mit zwei Brunnen erstellt, der Platz entsprechend befestigt, gärtnerisch gestaltet und teilweise umzäunt. Im Zuge dieser Umbaumaßnahmen wurde außerdem auf dem an den Marktplatz angrenzenden Kurpark eine öffentliche Toilettenanlage errichtet.
Die Baumaßnahmen wurden im Frühjahr 2010 abgeschlossen und der Marktplatz im Rahmen eines Bürgerfestes eingeweiht.
Mit ihrer am 9. September 2011 abgegebenen Umsatzsteuererklärung 2009 beantragte die Klägerin den Abzug von Vorsteuern in Höhe von insgesamt 154.309,94 €, wobei ein Betrag von 120.541,65 € auf die Baukosten für den Marktplatz entfielen.
Für das Jahr 2010 wurden aus den Kosten für den Marktplatz ebenfalls Vorsteuern in Höhe von insgesamt 10.462,34 € geltend gemacht (vgl. Bericht vom 5. November 2012, USt-Akte 2010, Bl. 52 ff, 55). Die Umsatzsteuererklärung 2010 wurde am 27. Juli 2012 beim Finanzamt eingereicht.
Im Dezember 2011 fand für den Besteuerungszeitraum 2009 und für das Jahr 2010 im Oktober 2010 eine Umsatzsteuer Sonderprüfung statt. Nach den Feststellungen des Prüfers wurde der Platz in den Sommermonaten 2010 für die Ausrichtung eines Weinfestes, eines sog. "Public Viewing" zur Fußballweltmeisterschaft 2010 sowie verschiedene Open-Air Konzerte mit freiem Eintritt genutzt. Der jeweils dienstags stattfindende Wochenmarkt werde nicht auf dem Marktplatz durchgeführt, sondern in der verkehrsberuhigten Zone der Bismarckstraße der Gemeinde (Bericht vom 19. Dezember 2011, unter Ziffer II, USt-Sonderprüfungsakte, Bl. 4 ff, 6; Bericht vom 5. November 2012, USt-Akte 2010, Bl. 52 ff).
Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, dass der Marktplatz nicht für eine steuerpflichtige, wirtschaftliche Tätigkeit, die der Erzielung von Einnahmen diene, genutzt werde und der Vorsteuerabzug deshalb zu versagen sei. Ein eindeutiger wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Betrieb gewerblicher Art (BgA) "Kurverwaltung" liege nicht vor.
Das Finanzamt schloss sich der Auffassung des Prüfers an und ließ in den Bescheiden vom 3. Januar 2012 (2009) und 26. November 2012 (2010) die Vorsteuern betreffend die Kosten für den Marktplatz nicht zum Abzug zu (USt-Akte, 2009, Bl 41).
Gegen beide Bescheide erhob die Klägerin Einspruch mit der Begründung, der errichtete Platz sei kein eigentlicher Marktplatz als öffentliche Verkehrsfläche. Bei der Bezeichnung Marktplatz handele es sich vielmehr lediglich um den Namen für diesen Platz. Der Platz werde für kulturelle Veranstaltungen im Rahmen des Kurbetriebes genutzt. Außerdem habe dort der Weihnachtsmarkt stattgefunden und es sei beabsichtigt, dort auch regelmäßig den Wochenmarkt zu organisieren. Die Zeiten ohne gesonderte Veranstaltungen (sog. "Leerstand") könnten nicht dem hoheitlichen Bereich der Stadt zugeordnet werden, da es sich nicht um eine öffentliche Verkehrsfläche handele und der Platz während dieser Zeiten ebenfalls kurörtlich genutzt werden könne.
Da die neu geschaffene Einrichtung ausschließlich unternehmerischen Zwecken der Kurverwaltung diene, komme auch ein teilweiser Ausschluss vom Vorsteuerabzug im Sinne von § 15 Abs. 2 UStG nicht in Betracht.
Mit getrennten Entscheidungen, jeweils vom 5. Juni 2013, wies das beklagte Finanzamt (FA) die Einsprüche als im Wesentlichen unbegründet zurück. Lediglich für das Jahr 2009 wurden weitere Vorsteuern in Höhe von 1.870,45 € zum Abzug zugelassen. Hierbei handele es sich um Vorsteuern für die Anschaffung und Anbringung von Wirtschaftsgütern die dem Betrieb gewerblicher Art (BgA) "Kurverwaltung" dienen würden bzw. bei denen ein objektiver wirtschaftlicher Zusammenhang zum Kurbetrieb bestehe (Basaltsäulen Kneippsymbole, Infotafel, Signo-Colortafel). Hinsichtlich der weiteren Aufwendungen sei...