Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkünfteerzielungsabsicht bei schriftstellerischer Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Positive Einkünfte aus einer schriftstellerischen Tätigkeit lassen sich vielfach erst nach einer längeren Anlaufzeit erzielen, so dass sich allein aus der Tatsache einer über mehrere Jahre anhaltenden Verlusterzielung nicht der Schluss auf das Fehlen einer Einkünfteerzielungsabsicht ziehen lässt.
2. Verluste während der Anlaufzeit sind jedoch dann steuerlich unberücksichtigt zu lassen, wenn die schriftstellerische Tätigkeit von vornherein nicht um des Erwerbes willen betrieben wird, weil es dem Verfasser allein darauf ankommt, Erkenntnisse, Ideen oder Auffassungen möglichst weitreichend zu übermitteln.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
Der Kläger, der mit seiner nicht am Verfahren beteiligten Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wird, begehrt die Berücksichtigung von in den Streitjahren (2011 bis 2016) für Recherchen über seinen Vater entstandene Aufwendungen als negative Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
Der Vater des Klägers war E. K., der unter dem Künstlernamen E. M. vor und nach dem zweiten Weltkrieg als Schauspieler und Filmeditor an mehreren Filmen mitwirkte und auch als Zauberer tätig war. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Aufstellung des Klägers "künstlerische Tätigkeit und Filmografie von E. K.".
Mit Datum vom 27. Dezember 2010 zeigte der Kläger dem Beklagten an, dass er ab dem 1. Januar 2011 eine Autorentätigkeit ausüben wolle. Ausweislich des Aktenvermerks des Beklagten (Blatt 1 der Einkommensteuerakte VZ 2011) wolle der Kläger - evtl. in Zusammenarbeit mit dem Schauspieler Walter Giller - ein Buch über seinen Vater, der ebenfalls Schauspieler gewesen sei, schreiben.
In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre gaben der Kläger und seine Ehefrau folgende negative Einkünfte aus selbständiger Arbeit an:
2011 |
5.819 € |
2012 |
9.048 € |
2013 |
3.395 € |
2015 |
2.151 € |
2016 |
144 € |
Die Einkommensteuererklärung für 2014 enthielt keine Anlage S, jedoch gaben der Kläger und seine Ehefrau an, dass von den nicht ausgeglichenen negativen Einkünften 2014 ein Gesamtbetrag von 3.664 € nach 2013 zurückgetragen werden solle.
In seinem Ermittlungsvermerk vom 24. Januar 2014 (Blatt 33 ff. der Einkommensteuerakte VZ 2011) führte der Ermittlungsbeamte des Beklagten u.a. aus, der Kläger sei von der Idee besessen, ein Buch zu schreiben, und zwar über seinen Vater, E. K., der den Künstlernamen E. M. gehabt habe. Dieser sei Schnittmeister, Schauspieler und Regisseur in den Jahren vor und nach dem zweiten Weltkrieg gewesen. M. habe mit Marlene Dietrich und Ingrid Bergmann gedreht. Es gebe umfangreiches Bildmaterial und der Kläger sei von der Idee besessen, dies alles in einem Buch zu verewigen. Mittelpunkt des Buches sei aber, was sich jedoch erst zum Ende des Gesprächs herausgestellt habe, nicht der Vater, sondern die Recherche des Klägers über das Leben des Vaters.
Der Kläger sei teilweise auch in Begleitung seines Sohnes mehrmals zur Recherche nach Berlin und nach Hamburg gereist. Die Kosten der Reisen seien ohne nähere Angaben zusammengeheftet. Ein schlüssiges Konzept oder betriebswirtschaftliche Untersuchungen zur Renditeberechnung seien ebenso wenig erfolgt wie Überlegungen zu eventuell zu erzielenden Honoraren. Gleichwohl sei der Kläger von dem Erfolg seines Ansinnens überzeugt. Er habe bereits umfangreiche Kontakte zu ehemaligen Weggefährten seines Vaters geknüpft und sehe sich vom staatlich geförderten Museum für Film und Fernsehen in Berlin unterstützt. Der Kläger wolle aber keine Nachweise über die Ergebnisse seiner Recherche erbringen und beantrage die Anerkennung der geltend gemachten Kosten, zumindest unter Vorbehalt. Vorher werde er aber noch die Belege sortieren und nach den einzelnen Reisezielen geordnet mit nachvollziehbarer Begründung einreichen.
Was am meisten irritiere - so der Ermittlungsbeamte weiter - sei die Aussage des Klägers, er schreibe ja nicht über seinen Vater, sondern über seine Recherche über seinen Vater, daher auch die Einbeziehung des Sohnes, weil der ja auch in dem Buch vorkomme. Ein Buch über den Vater und in diesem Zusammenhang über Ingrid Bergmann, Marlene Dietrich sowie den "Ghetto Swinger" und Jazz-Gitarristen Coco Schumann hätte wohl mehr Erfolg versprochen.
Mit Bescheid vom 7. April 2016 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für das Streitjahr 2014 fest, wobei er keine Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit in Ansatz brachte und ausführte, der Bescheid sei nach § 165 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) teilweise vorläufig. In den Erläuterungen zu dem Bescheid wurde die Festsetzung der Einkommensteuer ausschließlich hinsichtlich zwischen den Beteiligten nicht in Streit stehender Gesichtspunkte für vorläufig erklärt. Mit Einspruchsentscheidung vom 24. August 2016 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers und seiner Ehefrau gegen den Einkommensteuerbescheid für 2014 als unbegründet zurück. Eine Klage wurde hie...