Rz. 65
Stand: EL 113 – ET: 09/2017
Grundsätzlich folgt das Steuerrecht einer von den Beteiligten gewählten vertraglichen Gestaltung ihrer Rechtsverhältnisse. Voraussetzung ist allerdings, dass das Vereinbarte konsequent durchgeführt wird.
Rz. 66
Stand: EL 113 – ET: 09/2017
Anders wird aber entschieden, wenn Missbrauch (§ 42 AO) anzunehmen ist, weil der wirtschaftliche Gehalt mit der gewählten Vertragsgestaltung nicht übereinstimmt und/oder die Beteiligten sich bei der Durchführung anders verhalten, als sie es nach Außen glauben machen wollen. Denn das Steuerrecht knüpft vorrangig an den rechtlichen und wirtschaftlichen Gehalt eines Sachverhalts an und folgt nicht unbedingt der äußeren Erscheinungsform (vgl BFH/GrS 132, 244 = BStBl 1981 II, 164 unter B c I 3; BFH 199, 322 = BStBl 2002 II, 829). Zur verschärften Fassung von § 42 AO und weiteren Einzelheiten > Steuerumgehung. Besonderheiten gelten insoweit auch für Verträge zwischen nahen Angehörigen (> Rz 80ff). Entsprechend wird bei Scheinselbständigkeit verfahren (§ 41 Abs 2 AO).
Rz. 66/1
Stand: EL 113 – ET: 09/2017
Deshalb wird steuerrechtlich einer Vereinbarung nicht gefolgt, durch die die Beteiligten ein Rechtsverhältnis, bei dem alle Indizien auf ein Dienstverhältnis hindeuten, zum selbständig ausgeübten Gewerbe umdeklarieren wollen, zB für die Tätigkeit eines Stromablesers (BFH 169, 154 = BStBl 1993 II, 155). Ebenso kann aber ein in der Form des Dienstvertrags begründetes Rechtsverhältnis eine Mitunternehmerschaft sein (BFH 132, 278 = BStBl 1981 II, 310; BFH 144, 432 = BStBl 1986 II, 10).
Rz. 66/2
Stand: EL 113 – ET: 09/2017
Das gilt erst recht für offenkundig missbräuchliche, weil sachfremde Gestaltungen wie zB der im Speditionsbetrieb selbständig tätige Lagerarbeiter, der verselbständigte Kraftfahrer ohne eigenes Fahrzeug (EFG 1984, 47; anders der Frachtführer > Rz 71/2), der verselbständigte Haarpfleger im Friseurgeschäft, der Kellner mit selbständig (gewerblich) betriebenen drei Tischen in einem Restaurant oder der Ladenverkäufer als "Handelsvertreter" (LArbG Nürnberg vom 17.06.2002, DB 2002, 1777). Gleiches gilt für eine Mitarbeiter-KG, deren ‚Gesellschafter’ in die betriebliche Organisation einer Beraterkanzlei eingebunden sind (EFG 2016, 448). Ergänzend > Fleischzerleger. Zur Umstellung von Dienstverhältnissen in "Freie-Mitarbeiter-Verträge" vgl Kunz/Kunz, DB 1993, 326.
Rz. 67
Stand: EL 113 – ET: 09/2017
Gelegentlich führt die Entwicklung der Verhältnisse scheinbar zu einer Änderung des Rechtsverhältnisses. Gleichwohl kann nur ausnahmsweise angenommen werden, dass sich ein bestehendes Arbeitsverhältnis zu einem Gesellschaftsverhältnis und damit zur Mitunternehmerschaft umgestaltet hat (BFH 148, 135 = BStBl 1987 II, 111).
Rz. 68
Stand: EL 113 – ET: 09/2017
Abgesehen von offensichtlichem Missbrauch (> Rz 66) sollte uE beachtet werden, dass die Rechtsprechung bei sich wandelnden wirtschaftlichen Strukturen (> Rz 3) die gelegentlich wirtschaftlich vernünftige Tendenz zur Verselbständigung (Outsourcing) bestimmter Tätigkeiten für das Steuerrecht nicht konterkariert: Bis zu den durch § 42 AO gesetzten Grenzen sollte das Steuerrecht flexibel dem von den Vertragsparteien Gewollten folgen.
Rz. 69
Stand: EL 113 – ET: 09/2017
Randziffer einstweilen frei.