Zusammenfassung
Auf einen Blick: Wer Arbeitnehmer ist, gehört neben >Arbeitgeber und > Arbeitslohn zu den Grundfragen des Lohnsteuerrechts. ‚Arbeitnehmer’ ist die Person, deren Einnahmen dem LSt-Abzug unterliegen (vgl §§ 38ff EStG), weil sie zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit iSv § 19 EStG führen. Vorrangig ist deshalb die Frage nach der Einkunftsart der Bezüge: Wer seine Einkünfte nicht aus einem ‚Dienstverhältnis’, also nicht als ArbN bezieht, wird insoweit nicht im Wege des LSt-Abzugs besteuert, sondern ist freiberuflich/gewerblich tätig. Welche Kriterien in Grenzfällen bestimmend sind, wird hier systematisch dargestellt. Für den eiligen Nutzer ist eine Sammlung von Einzelfällen in ABC-Form angehängt. |
A. Einführung zum Begriff des Arbeitnehmers
I. Gründe für einen besonderen steuerlichen Arbeitnehmerbegriff
Rz. 1
Stand: EL 113 – ET: 09/2017
Einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff für das Steuerrecht, das Arbeitsrecht und das Sozialrecht gibt es nicht. Er wäre zwar im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsordnung und der Rechtsanwendung an sich geboten und von der Praxis gefordert (vgl zuletzt Bonjean, DStR 24/2017 Editorial). Die Zielsetzungen dieser Rechtsgebiete sind aber zu unterschiedlich: Das Arbeitsrecht will die vom Unternehmer persönlich abhängige Person schützen. Auch das öffentliche Dienstrecht regelt Rechte und Pflichten von Beamten, Richtern und Soldaten. Das SV-Recht kennt den gegen Krankheit und Altersarmut zu versichernden ‚Beschäftigten’; seine Zielsetzung ist die Sicherung des Beitragsaufkommens während der Beschäftigungsphase. Ziel des Steuerrechts ist hingegen die Finanzierung staatlicher Aufgaben durch den sicheren Steuerabzug an der Quelle. ‚Arbeitnehmer’ ist hier nur die rechtstechnisch bedingte Verkürzung für den Bezieher von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit iSv § 19 EStG (> Rz 50ff).
Rz. 2
Stand: EL 113 – ET: 09/2017
Deshalb besteht keine rechtliche Bindung zwischen Arbeits- und SV-Recht einerseits und Steuerrecht andererseits (BFH 209, 162 = BStBl 2005 II, 730; BFH/NV 2012, 1968; EFG 2014, 538 mwN). Dem Arbeits-/Dienstrecht kommt vielmehr nur indizielle Bedeutung zu. Das Steuerrecht bedient sich des Begriffs ‚Arbeitnehmer’ aus anderen Rechtsgebieten, weil er für die Masse der Fälle geeignet ist (zu Abweichungen vgl auch die Einzelfälle bei > Rz 130); für die verbleibenden Fälle sind eigene steuerliche Merkmale bestimmend (> Rz 5–62). Zur Abgrenzung von einer selbständig ausgeübten freiberuflichen oder gewerblichen Tätigkeit > Rz 60ff. Der im SV-Recht benutzte Begriff der Scheinselbständigkeit ist mit dem steuerrechtlichen ArbN-Begriff nicht inhaltsgleich (EFG 2016, 448 unter Hinweis auf Tipke/Lang/Hey, Steuerrecht, G Rz 472); dazu ergänzend > Rz 66ff.
Rz. 3
Stand: EL 113 – ET: 09/2017
‚Arbeitnehmer’ ist ein offener Typusbegriff, den das EStG nur mittelbar bestimmt (vgl BFH 223, 425 = BStBl 2009 II, 374 mwN): Der bewusste Verzicht auf eine starre Begriffsbestimmung erleichtert in diesen Fällen eine Zuordnung, indem den Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse im Wege der Auslegung des Gesetzes sinnvoll Rechnung getragen werden kann. Dies erscheint umso notwendiger, als § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG seit dem EStG 1934 unverändert geblieben ist und ihm mithin eine herkömmliche Vorstellung vom Begriff des ArbN zugrunde liegt. Diese wurde zudem geprägt durch den ursprünglich zunächst bei Beamtenbezügen eingeführten LSt-Abzug; Bezeichnungen wie "Dienstverhältnis" (vgl § 1 Abs 2 LStDV) anstelle von "Arbeitsverhältnis" gehen darauf zurück. Rechtsprechung und Verwaltung verwenden diese Begriffe inzwischen gleichbedeutend (vgl BFH 105, 274 = BStBl 1972 II, 643). Erst mit dem ZKAnpG vom 22.12.2014 taucht – im Zusammenhang mit > Betriebsveranstaltungen -- erstmals der Begriff "Arbeitnehmer" in § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 1a EStG auf, mit dem der Steuergesetzgeber der Tendenz der Rechtsprechung entgegen wirkt, den Begriff von "Arbeitslohn" einzuengen (zuletzt BFH/NV 2017, 680 = DStR 2017, 711 zur ‚Vergütung für Zeitversäumnis’). Der Typus der abhängige Arbeit leistenden Personen hat sich aber in den zurückliegenden Jahrzehnten gewandelt und wird sich mit der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung weiter verändern.
Rz. 4
Stand: EL 113 – ET: 09/2017
Für bestimmte Bereiche mit anderer Zielsetzung (> Rz 1) gilt nicht der steuerrechtliche, sondern nur der arbeitsrechtliche ArbN-Begriff. Das betrifft etwa die > Geringfügige Beschäftigung (§ 40a Abs 2 EStG), die Beitragspflicht zur > Arbeitskammer sowie die > Vermögensbildung der Arbeitnehmer Rz 25ff nach dem VermBG. Im Rahmen von §§ 10a, 79ff EStG begünstigt die Förderung der > Private Altersvorsorge Rz 9ff vor allem im SV-Recht definierte Personen, nämlich die in der GRV Pflichtversicherten. Schließlich bedienen sich die Vertragsstaaten eines DBA für die Zuweisung des Besteuerungsrechts bei ArbN des Begriffs der Bezieher von Einkünften aus "unselbständiger" Arbeit (> Doppelbesteuerung Rz 20ff).
II. Rechtliche Grundlagen in § 19 EStG, § 1 LStDV
Rz. 5
Stand: EL 113 – ET: 09/2017
Das EStG enthält keine Bestimmung des ArbN-Begriffs; dieser wird nur im Auslegungswege bestimmt (> Rz 3). Grundlage ist § 19 Abs 1 E...