Rz. 70
Stand: EL 113 – ET: 09/2017
Der Entleiher wird nicht selten in solchen Fällen unerlaubter ArbN-Überlassung in Anspruch genommen werden, in denen der Verleiher für das FA nicht erreichbar ist und deshalb die zur Berechnung des Haftungsanspruchs im Einzelnen erforderlichen Unterlagen des Verleihers nicht zur Verfügung stehen, aus denen sich die Besteuerungsmerkmale wie Arbeitslohn einschließlich Nebenleistungen, Steuerklasse, sowie etwaige weitere Freibeträge des ArbN ergeben. Besonders in diesen Fällen wird die LSt "durch die Umstände der Arbeitnehmerüberlassung" schwer zu ermitteln sein; hier ist das FA berechtigt, die Haftungsschuld nach § 42d Abs 6 Satz 7 EStG zu schätzen. Der Hinweis auf die "Umstände der Arbeitnehmerüberlassung" stellt klar, dass die sich aus den steuerlichen Vorschriften selbst ergebenden rechtlichen und rechtstechnischen Schwierigkeiten allein nicht ausreichen, diese besondere Schätzungsregelung anzuwenden.
Rz. 71
Stand: EL 113 – ET: 09/2017
Die Lohnsteuer-Haftungsschuld des Entleihers ist in diesen Fällen mit 15 % des zwischen Verleiher und Entleiher vereinbarten Entgelts ohne USt anzunehmen, solange der Entleiher nicht glaubhaft macht, dass die LSt, für die er haftet, niedriger ist (§ 42d Abs 6 Satz 7 EStG). Dem Satz von 15 % des Entgelts liegt ein typischer Sachverhalt von ArbN-Überlassung im Baugewerbe zugrunde. Es wird davon ausgegangen, dass 75 % des Entgelts ohne USt auf den vom Verleiher an die ArbN gezahlten Arbeitslohn entfällt. Der "Aufschlag" des Verleihers auf seinen Lohnaufwand ist uE mit 33 1/3 % maßvoll angesetzt. Auf diese BMG wurde unter Berücksichtigung verschiedener Steuerklassen ein durchschnittlicher LSt-Satz von 20 % angewendet, der im Ergebnis zu dem gesetzlichen Schätzungsbetrag führt (vgl Gesetzesbegründung BT-Drs 10/4119; Reinhart, BB 1986, 500; vgl auch Franzheim, JR 1982, 89).
Rz. 72
Stand: EL 113 – ET: 09/2017
Die gesetzliche Schätzungsregelung enthält nur die LSt; für andere Abzugsteuern wie zB den > Solidaritätszuschlag und die nur bei im Inland ansässigen ArbN einzubehaltende > Kirchensteuer, auf die die Vorschriften über den LSt-Abzug entsprechend anwendbar sind, haftet der Entleiher zusätzlich.
Rz. 73
Stand: EL 113 – ET: 09/2017
Mit der besonderen Schätzungsregelung soll der Beweisnot des FA, soweit sie auf der Eigenart der bei unerlaubter ArbN-Überlassung anzutreffenden Sachverhalte beruht, durch eine verhältnismäßig einfach zu handhabende Regelung abgeholfen werden. Sie kann grundsätzlich zugunsten wie zuungunsten des Entleihers angewendet werden, selbst wenn dies im Einzelfall, besonders bei anderen Wirtschaftszweigen als dem Baugewerbe, ungenau im Sinne einer unzutreffenden Besteuerung ist (vgl Gesetzesbegründung, BT-Drs 10/4119). Der Entleiher kann jedoch zu seinen Gunsten glaubhaft machen, dass die LSt, für die er haftet, niedriger ist. Der Begriff "glaubhaft machen" (statt "nachweisen") macht deutlich, dass der Entleiher hier idR der gesetzlichen Schätzung eine anderweitige Schätzung entgegensetzt. Die Grundlagen für diese Schätzung wird der Entleiher im Einzelnen derart darzulegen haben, dass ein nicht nur geringes Maß an Wahrscheinlichkeit für ihre Richtigkeit spricht (> Glaubhaftmachung).
Rz. 74
Stand: EL 113 – ET: 09/2017
Die besondere Schätzungsregelung des § 42d Abs 6 Satz 7 EStG schließt eine Schätzung oder Teilschätzung des FA nach § 162 AO nicht aus, wenn zB geeignete Unterlagen greifbar sind, die zu einer höheren LSt führen, oder wenn bekannte Besonderheiten eines Wirtschaftszweigs dies rechtfertigen (so uE zutreffend Reinhart, BB 1986, 500). § 42d Abs 6 Satz 7 EStG ist uE aus seiner Zielsetzung heraus nur dann als lex specialis im Verhältnis zu § 162 AO iS eines mindestens anzusetzenden Betrags zu verstehen, wenn im Einzelfall Unterlagen für eine genauere Ermittlung nicht zur Verfügung stehen (Beweisnot des FA). Im Rahmen einer solchen Schätzung sind die vom Entleiher zu seinen Gunsten dargelegten Merkmale nach allgemeinen Grundsätzen zu berücksichtigen. Zu weiteren Hinweisen zum Verfahrensablauf > Rz 80 ff.