Rz. 30
Stand: EL 111 – ET: 01/2017
Die Belastung muss für den Stpfl außergewöhnlich sein. Es müssen ihm größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Stpfl gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands entstehen (§ 33 Abs 1 EStG). Außergewöhnlich ist die Belastung nur, wenn sie ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegt. Damit werden die typischen Vorgänge einer ‚normalen’ Lebensführung aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen, die durch den Grundfreibetrag und den Familienleistungsausgleich (> Rz 3) in typisierender Weise abgedeckt werden.
Rz. 31
Stand: EL 111 – ET: 01/2017
Das Tatbestandsmerkmal "größere Aufwendungen" stellt nicht auf die Höhe der Aufwendungen ab. Das Merkmal ist im Zusammenhang damit zu verstehen, dass § 33 EStG das ‚normale’ Existenzminimum, das die üblichen Aufwendungen für die > Lebensführung (besonders für Ernährung, Kleidung und Wohnung) für alle Stpfl typisierend abgilt, in Höhe der AgB auf ein individuelles Existenzminimum anheben will (> Rz 3). Die "Außergewöhnlichkeit" bezieht sich deshalb sowohl auf das den betreffenden Aufwand auslösende Ereignis als auch auf die Aufwendungen selbst (> Rz 22/3). Die Aufwendungen müssen nicht nur ihrer Höhe, sondern vor allem auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen (BFH 161, 69 = BStBl 1990 II, 894; BFH 161, 73 = BStBl 1990 II, 895; BFH 168, 137 = BStBl 1992 II, 821). Ist das den Aufwand auslösende Ereignis außergewöhnlich, so spricht dies auch für die Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen (BFH 131, 378 = BStBl 1981 II, 25). Außergewöhnlich sind aber nur die durch das außergewöhnliche Ereignis zwangsläufig bedingten Mehraufwendungen.
Rz. 32
Stand: EL 111 – ET: 01/2017
Die Aufwendungen müssen also in ungewöhnlichen Verhältnissen des einzelnen Stpfl oder einer kleinen Minderheit von Stpfl begründet sein (BFH 94, 580 = BStBl 1969 II, 260; BFH 131, 378 = BStBl 1981 II, 25). Bei Schäden durch Krieg, Naturkatastrophen oder Epidemien (zB Aids), wird die Außergewöhnlichkeit aber nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine erhebliche Anzahl von Stpfl betroffen ist (BFH 56, 773 = BStBl 1952 III, 298). Andererseits sind aber Ereignisse oder Verhältnisse nicht ungewöhnlich, die zwar zu höherem Aufwand führen, die aber bei der überwiegenden Mehrzahl der in den gleichen Verhältnissen lebenden Stpfl eintreten, wie zB die Eheschließung und die damit ggf verbundene Anschaffung von Hausrat (BFH 168, 137 = BStBl 1992 II, 821), die Teilnahme an der Beisetzung der Eltern (BFH 174, 547 = BStBl 1994 II, 754) oder das altersbedingte Heimleben (BFH 158, 380 = BStBl 1990 II, 418; vgl H 33.1–33.4 EStH). Zu weiteren Einzelfällen > Rz 75.
Rz. 33
Stand: EL 111 – ET: 01/2017
Miteinander verglichen werden grundsätzlich die Verhältnisse der Belasteten und der Nichtbelasteten im Inland im jeweiligen VZ (BFH 140, 250 = BStBl 1984 II, 527). Zweck dieses Ansatzes ist es, Ausländern keine größeren Steuerermäßigungen zu gewähren als Inländern, sondern die Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu wahren. Zu den im Inland lebenden Stpfl gehören allerdings auch die in Deutschland lebenden, zahlenmäßig nicht nur geringfügigen und weiter wachsenden ethnischen Minderheiten. Deren religiöse und kulturelle Besonderheiten können wohl nicht vernachlässigt werden, will man nicht eine christlich-deutsche ‚Leitkultur’ gesetzlich vorgeben. Der dafür in Betracht kommende Anwendungsbereich der sittlichen Verpflichtung ist allerdings eng (> Rz 55 ff).
Rz. 34
Stand: EL 111 – ET: 01/2017
Mit der Einbeziehung von im Ausland ansässigen Personen, die ihre Einkünfte im Wesentlichen in Deutschland besteuern (> Rz 2), muss die auf das Inland beschränkte Betrachtung uE nicht auf die außerhalb Deutschlands gelegenen Wohnländer dieser Personen erweitert werden; auch für sie gelten inländische Maßstäbe. So führen zB auch Aufwendungen zur Behebung eines Wasserschadens an einem in Belgien gelegenen Wohnhaus eines in Deutschland als unbeschränkt steuerpflichtig behandelten Grenzpendlers zu AgB (> Rz 75 Wasserschaden).
Rz. 35
Stand: EL 111 – ET: 01/2017
§ 33 Abs 1 EStG verlangt nicht nur, dass dem Stpfl größere Aufwendungen als der Mehrheit anderer Stpfl entstehen (> Rz 32), sondern darüber hinaus, dass es sich um die "überwiegende Mehrzahl" der Stpfl gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands handelt. Damit dürfte § 33 EStG dem Gebot des Art 1 Abs 3 GG zur horizontalen Gleichheit bei der Besteuerung entsprechen (vgl BVerfG vom 10.11.1998 – 2 BvL 42/93, DB 1999, 186). Was für Stpfl in gehobenen Verhältnissen und ohne Kinder normaler Aufwand ist, kann bei Stpfl in einfachen Verhältnissen mit mehreren Kindern zu außergewöhnlichen Aufwendungen führen (vgl L/B/P/Nacke, § 33 EStG Rz 87, 88). Eine solche Unterscheidung erfordert an sich eine zusätzliche Abschichtung der Stpfl in Gruppen unterschiedlicher steuerlicher Leistungsfähigkeit. Diese könnte uE nur typisierend vorgenommen werden, solange verlässli...