I. Anwendungsbereich von § 24 Nr 1 EStG
Rz. 10
Stand: EL 133 – ET: 03/2023
Für eine Tarifermäßigung nach § 34 Abs 1 EStG kommen Entschädigungen iSv § 24 Nr 1 EStG in Betracht (vgl § 34 Abs 2 Nr 2 EStG). Die in § 24 Nr 2 EStG genannten Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit iSv § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 EStG oder aus einem früheren Rechtsverhältnis iSd § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 5 bis 7 EStG sind hingegen nicht tarifbegünstigt (> Rz 28). Das gilt allerdings nur dann, wenn solche > Einkünfte nicht zugleich die Voraussetzungen von § 24 Nr 1 EStG erfüllen.
§ 24 Nr 1 EStG enthält drei unterschiedliche Tatbestände:
• |
Buchstabe a: Entschädigungen als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen (> Rz 15 ff), |
• |
Buchstabe b: Entschädigungen für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit, für die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung oder einer Anwartschaft auf eine solche (> Rz 75 ff), |
• |
Buchstabe c: Entschädigungen in Form von Ausgleichszahlungen an > Handelsvertreter nach § 89b HGB (hier nicht erläutert). |
Rz. 11
Stand: EL 133 – ET: 03/2023
Zur Bedeutung von § 24 Nr 1 EStG: Die insoweit deklaratorische Vorschrift stellt zunächst klar, dass auch die als Ersatz für entgangene oder entgehende > Einnahmen (§ 24 Nr 1 Buchst a EStG) oder für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit (§ 24 Nr 1 Buchst b EStG) gewährten Entschädigungen grundsätzlich zu den der Besteuerung unterliegenden Einkünften zählen (zu Ausnahmen > Rz 122). Die genannten Einnahmen werden der Einkunftsart zugeordnet, zu der die ursprünglichen Einnahmen, wären sie erzielt worden, gehört haben würden (BFH 125, 271 = BStBl 1979 II, 9; BFH 135, 488 = BStBl 1982 II, 552). Eine Entschädigung, die keiner bestimmten Einkunftsart zugeordnet werden kann, zB weil sich bei einem umfassenden > Wettbewerbsverbot nicht feststellen lässt, ob der Stpfl auf die Ausübung einer nichtselbständigen Arbeit oder einer gewerblichen Tätigkeit verzichtet hat, ist ggf über § 24 Nr 1 Buchst b iVm § 22 Nr 3 EStG tarifbegünstigt (BFH 180, 433 = BStBl 1996 II, 516; > Rz 81). Ist aber nicht auszuschließen, dass entgangene nicht besteuerbare Einnahmen (> Rz 122) ersetzt werden, kann § 24 Nr 1 EStG nicht angewendet werden (BFH 145, 320 = BStBl 1986 II, 252). Diesem Prinzip folgt auch § 49 Abs 1 Nr 4 Buchst d EStG (> Inländische Einkünfte Rz 8) idF des StÄndG 2003, der solche Entschädigungen für beschränkt Stpfl zu den inländischen Einkünften (nur) insoweit zählt, als die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte der inländischen Besteuerung unterlegen haben; für beschränkt Stpfl gibt es ebenfalls die Tarifermäßigung (> Rz 2).
Die eigentliche Bedeutung des § 24 Nr 1 EStG liegt somit darin, dass diese Entschädigungen nach § 34 Abs 1 iVm Abs 2 Nr 2 EStG tarifbegünstigt sind, sofern es sich um eine Zusammenballung von Einnahmen (> Rz 95 ff) handelt, die sich bei normalem Ablauf auf mehrere Jahre verteilt haben würden.
Rz. 12
Stand: EL 133 – ET: 03/2023
Im Übrigen unterscheiden sich die Voraussetzungen des § 24 Nr 1 Buchst a EStG von denen des § 24 Nr 1 Buchst b EStG (BFH 147, 370 = BStBl 1987 II, 106; BFH 149, 182 = BStBl 1987 II, 386) wie folgt:
• |
Buchstabe a betrifft Leistungen zum Ersatz entgangener oder noch entgehender Einnahmen (zu Einzelheiten > Rz 15 ff); |
• |
Buchstabe b dient dagegen nicht der Abgeltung und Abwicklung von Interessen aus dem bisherigen Rechtsverhältnis, sondern erfasst jegliche Gegenleistung "für" die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit (BFH 180, 433 = BStBl 1996 II, 516; zu Einzelheiten > Rz 75 ff). |
Rz. 13, 14
Stand: EL 133 – ET: 03/2023
Randziffern einstweilen frei.
II. Entschädigungen als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen (§ 24 Nr 1 Buchst a EStG)
Rz. 15
Stand: EL 133 – ET: 03/2023
§ 24 Nr 1 EStG setzt gleichermaßen für alle Fallgruppen (> Rz 10) eine "Entschädigung" voraus. Darum handelt es sich, wenn die zu besteuernde Einnahme unmittelbar dazu bestimmt ist, einen finanziellen Nachteil – der Begriff "Schaden" kann uE irreführend sein, soweit der > Schadensersatz unbesteuert bleibt (> Rz 122) – auszugleichen, den der Stpfl infolge einer Beeinträchtigung der durch Rechtsvorschriften geschützten Güter erlitten hat. Das zur Entschädigung führende Ereignis muss nicht unbedingt ohne oder gegen den Willen des Stpfl eingetreten sein (BFH 125, 271 = BStBl 1979 II, 9). § 24 Nr 1 Buchst a EStG ist vielmehr auch anwendbar, wenn der Stpfl bei dem zum Einnahmeausfall führenden Ereignis selbst mitgewirkt hat. Dann muss der Stpfl aber bei Aufgabe seiner Rechte unter erheblichem wirtschaftlichem, rechtlichem oder tatsächlichem Druck, also aus einer Zwangslage heraus, gehandelt haben. Einer Zwangslage steht nicht entgegen, dass der ArbN im Konflikt mit dem ArbG einer gütlichen Einigung zustimmt (BFH 237, 56 = BStBl 2012 II, 569). Keinesfalls aber darf der Stpfl das zum "Schaden" führende Ereignis aus eigenem Antrieb herbeigeführt haben, weil dann schon begrifflich nicht davon gesprochen werden kann, Einnahmen würden ihm "entgehen" (BFH 168, 338 = BStBl 1993 II, 27 mwN). An einer Zwangslage fehlt es auch dann, wenn der Stpfl freiwillig eine Ursachenkette in Gang setzt, die ihm später keinen ...