a) Anwendungsbereich des § 9 Abs 6 EStG
Rz. 12
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
§ 9 Abs 6 EStG engt die Voraussetzungen für den WK-Abzug weiter ein: Aufwendungen für eine Berufsausbildung oder ein Studium sind als WK nur abziehbar, wenn der Stpfl zuvor bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung > Rz 13 ff oder Studium > Rz 15 ff) abgeschlossen hat. Entsprechendes gilt für > Betriebsausgaben (vgl § 4 Abs 9 EStG). Eine Auslegung des Regelungsgehalts ergibt uE im Einzelnen Folgendes:
- Zunächst enthält § 9 Abs 6 EStG ein Abzugsverbot: Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung (> Rz 13 ff) oder für ein Erststudium (> Rz 15 ff) sind grundsätzlich vom Abzug als WK ausgeschlossen. Insoweit kommt der SA-Abzug nach § 10 Abs 1 Nr 7 EStG in Betracht (> Rz 43 ff).
- Aufwendungen, die im Rahmen eines Dienstverhältnisses einschließlich eines berufsintegrierten Erststudiums (> Rz 19) entstehen, sind vom Abzugsverbot ausgenommen (vgl § 9 Abs 6 Satz 1 EStG).
- Hat der Stpfl eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium – gleichviel, ob im Dienstverhältnis oder nicht – abgeschlossen, eröffnet § 9 Abs 6 EStG den WK-Abzug für die Aufwendungen solcher Stpfl, die im Anschluss daran erneut für einen Beruf ausgebildet werden oder ein Studium aufnehmen.
Zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung > Rz 7/1 ff, mit kritischer Stellungnahme unter > Rz 7/3.
b) Erstmalige Berufsausbildung
Rz. 13
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Der Begriff der Berufsausbildung als Erstausbildung ist seit dem VZ 2015 in § 9 Abs 6 Satz 2 bis 5 EStG gesetzlich definiert.
Damit ist die frühere Rechtsprechung (BFH 240, 352 = BStBl 2015 II, 180) überholt, nach der weder das Berufsausbildungsgesetz maßgebend noch eine bestimmte Ausbildungsdauer oder eine formale Abschlussprüfung erforderlich sein sollte.
Rz. 13/1
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Berufsausbildung als ‚Erstausbildung’ ist die Ausbildung für einen Beruf, die dem Stpfl die notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt, die ihn zur Aufnahme des erlernten oder eines anderen Berufs befähigen. Es muss sich um eine geordnete Ausbildung handeln, die bei Vollzeit mindestens 12 Monate andauert und mit einer Prüfung abgeschlossen wird (§ 9 Abs 6 Satz 2 EStG). Eine geordnete Ausbildung beruht auf der Grundlage von Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder internen Vorschriften eines Bildungsträgers (§ 9 Abs 6 Satz 3 EStG). Im Rahmen der Ausbildung sind die zur Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. Grundlage der Ausbildung sind definierte Ausbildungsziele, feststehende Lehrpläne sowie ein festgelegter Beginn und Abschluss der Ausbildung. Neben staatlich anerkannten oder staatlich geregelten Ausbildungen sind dies auch solche Ausbildungen, die nach Richtlinien von Berufs- oder Wirtschaftsverbänden oder internen Vorschriften der Bildungsträger geordnet sind (vgl BT-Drs 18/3017 S 43).
Rz. 13/2
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Die Ausbildungsdauer hat nach § 9 Abs 6 Satz 2 EStG einen Zeitraum von 12 Monaten zu umfassen. Folglich sind berufsvorbereitende Maßnahmen und Ausbildungen, die die Mindestdauer von 12 Monaten unterschreiten, keine Erstausbildung (dann Abzug der WK); hierzu zählen etwa Kurse zur Erlangung der Fahrerlaubnis für Nutzfahrzeuge, Betriebspraktika, Maßnahmen zur Erlangung einfachster Berufstätigkeiten (Anlerntätigkeiten, kurzfristige Einweisungen) oder die Grundausbildung bei der > Bundeswehr. Das Gleiche gilt auch bei Abschluss mehrerer aufeinander aufbauender Kurse. Weiterhin ist die Ausbildung in Vollzeit, das heißt durchschnittlich mit mindestens 20 Wochenstunden durchzuführen.
Rz. 14
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Die Berufsausbildung beginnt idR erst nach der allgemeinbildenden Schule. Die Unterrichtung durch eine allgemeinbildende Schule (Grundschule, Haupt-, Real- oder Gesamtschule, Gymnasium) gehört noch nicht zur Berufsausbildung iSv § 9 Abs 6 EStG (> Rz 5); ebenso bei einer Fachschule (vgl BMF vom 22.09.2010, Rz 18, BStBl 2010 I, 721; > Rz 9) oder einer Fachoberschule (EFG 2009, 20); hier fehlt es ohnehin an einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit künftigen besteuerbaren > Einnahmen (BFH 214, 250 = BStBl 2006 II, 717 mwN). Entsprechendes gilt uE für eine andere Schule, die zu einem allgemeinbildenden Abschluss führt (dazu > Schulgeld Rz 13 ff). Zum Erwerb der Allgemeinbildung und nicht zur Berufsausbildung gehört es uE auch, wenn zB das Abitur nach Abschluss der Berufsausbildung nachgeholt wird. Ebenso kann ein ausgelernter und in diesem Beruf tätiger Elektroniker Aufwendungen für den "nachgeholten" Besuch einer allgemeinbildenden Fachoberschule, mit der er die allgemeine Hochschulreife für ein Elektronik-Erststudium erlangen will, nicht abziehen (BFH 214, 250 aaO).
Rz. 14/1
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Die Berufsausbildung endet mit dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung, typischerweise mit einer Abschlussprüfung. Ist eine solche nach dem Ausbildungsplan nicht vorgesehen, wird die Berufsausbildung mit der tatsächlichen planmäßigen Beendigung...