Rz. 80
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Die > Europäische Union hat mit der Richtlinie (EU) 2017/1852 des Rates vom 10.10.2017 über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der EU (Streitbeilegungs-RL) zusätzliche Verfahren geschaffen, um DBA-Streitigkeiten in der EU effektiv zu schlichten. Die Streitbeilegungs-RL wurde in Deutschland durch das EU-Doppelbesteuerungsabkommen-Streitbeilegungsgesetz – EU-DBA-SBG – vom 10.12.2019 (BGBl 2019 I, 2103) in das nationale Recht übernommen.
Rz. 81
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Das EU-DBA-SBG eröffnet dem Stpfl bei DBA zwischen Mitgliedstaaten der EU ein weiteres Verfahren zur Beseitigung von Doppelbesteuerungen, will jedoch dadurch die Verfahren vereinfachen, effektiver gestalten und nicht erschweren. Deshalb muss der Stpfl sich für ein Verfahren entscheiden, wobei dem Verfahren nach dem EU-DBA-SBG der Vorrang eingeräumt wird. Sobald ein Antrag auf ein Verfahren nach dem EU-DBA-SBG gestellt wird, sind vorher begonnene Verfahren nach dem DBA zu beenden und später oder gleichzeitig eingehende Anträge abzulehnen (vgl § 4 Abs 4 EU-DBA-SBG). Das Gesetz ist grundsätzlich nur auf Streitfragen für VZ ab dem 01.01.2018 anzuwenden. Die zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten können jedoch vereinbaren, das Verfahren nach dem EU-DBA-SBG auch auf Steuerjahre anzuwenden, die vor diesem Zeitpunkt beginnen.
Rz. 82
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Das Verfahren nach dem EU-DBA-SBG ähnelt mehr einem Rechtsbehelfsverfahren und ist wesentlich strukturierter und mit Fristen versehen als die Verständigungsverfahren nach den DBA. Gemeinsam ist den Verfahren, dass zunächst geprüft wird, ob unilateral Abhilfe geschaffen werden kann. Ist dies nicht der Fall, schließen sich ein Verständigungsverfahren und ggf ein Streitbeilegungsverfahren an.
Rz. 83
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Ausgelöst wird das Verfahren durch eine sog Streitbeilegungsbeschwerde des Stpfl, die grundsätzlich in beiden Vertragsstaaten einzulegen ist. Für natürliche Personen sowie kleinere Unternehmen ist es jedoch ausreichend, die Beschwerde in dem Mitgliedstaat der Ansässigkeit einzureichen (vgl § 28 Abs 1 EU-DBA-SGB). Dies muss in Deutschland in deutscher Sprache geschehen (§ 3 EU-DBA-SGB). Die Frist zur Einreichung der Beschwerde beträgt 3 Jahre und beginnt mit der Maßnahme, die zu der Streitfrage geführt hat (§ 4 Abs 3 EU-DBA-SGB). Das EU-DBA-SGB enthält in § 5 eine Auflistung der Angaben und Unterlagen, die eine Streitbeilegungsbeschwerde enthalten muss.
Rz. 84
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Nach Eingang einer Streitbeilegungsbeschwerde bei der zuständigen Behörde, dh dem > Bundeszentralamt für Steuern (BZSt; > Rz 95 f), ist innerhalb einer Frist von zwei Monaten der Eingang zu bestätigen und die zuständige Behörde des anderen Vertragsstaates zu unterrichten. Sind für die Prüfung der Streitbeilegungsbeschwerde weitere Informationen erforderlich, sind diese innerhalb von 3 Monaten nach Eingang der Beschwerde anzufordern und der Stpfl hat wiederum 3 Monate Zeit, diese Informationen zu übermitteln.
Rz. 85
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Eine Entscheidung über die Zulassung oder Zurückweisung der Streitbeilegungsbeschwerde ist innerhalb von 6 Monaten zu treffen. Diese Frist beginnt grundsätzlich mit dem Eingang der Beschwerde, falls jedoch weitere Informationen erforderlich sind, erst mit dem Eingang dieser Informationen und im Falle eines in gleicher Sache anhängigen Rechtsbehelfsverfahrens in einem der betroffenen Mitgliedstaaten, mit Abschluss dieses Verfahrens. Dadurch soll verhindert werden, dass das Streitbeilegungsverfahren und Verfahren im nationalen Rechtsweg parallel geführt werden.
Rz. 86
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Eine Streitbeilegungsbeschwerde kann nur zurückgewiesen werden, wenn sie
- nicht fristgerecht eingelegt wurde,
- nicht von der Person eingelegt wurde, die von der Streitfrage betroffen ist,
- nicht die erforderlichen Angaben und Unterlagen enthält oder
- angeforderte Unterlagen nicht fristgemäß eingereicht wurden.
Wird über die Zulässigkeit nicht innerhalb der 6-Monatsfrist (> Rz 85) entschieden, gilt die Streitbeilegungsbeschwerde als zulässig.
Rz. 87
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Die Zurückweisung einer Streitbeilegungsbeschwerde ist ein > Verwaltungsakt, der durch > Rechtsbehelfe angefochten werden kann. Nach § 9 Abs 1 EU-DBA-SBG ist > Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn die Streitbeilegungsbeschwerde in dem anderen Mitgliedstaat erst nach Ablauf der Einspruchsfrist in Deutschland zurückgewiesen wird. Im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung ist davon auszugehen, dass die Einspruchsfrist unverschuldet versäumt wurde.
Rz. 88
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Wurde die Streitbeilegungsbeschwerde in einem Mitgliedstaat zugelassen, in dem anderen jedoch zurückgewiesen, kann der Stpfl einen Antrag auf Einsetzung eines Beratenden Ausschusses stellen, der über die Zulassung der Streitbeilegungsbeschwerde entscheidet. Ein solcher Antrag ist jedoch nur zulässig, wenn nicht im Rahmen möglic...