1. Anwendbarkeit des OECD-MA
a) Einführung
Rz. 110
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Das OECD-MA ist von der > OECD entwickelt worden, um die DBA der Mitgliedstaaten der OECD zu vereinheitlichen und dadurch deren Handhabung sowohl für die Stpfl als auch für die FinVerw zu vereinfachen. Das erste OECD-MA wurde im Jahr 1963 veröffentlicht. Bereits bei der Verabschiedung war vorgesehen, das MA laufend an die weitere Entwicklung der Steuersysteme sowie der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung anzupassen. Nachdem im Jahr 1977 eine Revision des OECD-MA verabschiedet wurde, ging man im Jahr 1992 dazu über, das MA als Projekt mit permanenten Änderungen zu verstehen und erforderliche oder sinnvolle Änderungen aufzunehmen, ohne jeweils eine Gesamtrevision des MA zu verabschieden. Eine Neufassung des OECD-MA wurde zuletzt im Jahr 2017 veröffentlicht.
Rz. 111
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Die Mitgliedstaaten der OECD haben sich bei Abschluss bilateraler Abkommen weitgehend an den Text des OECD-MA gehalten. In Deutschland wurde für die Verhandlungen mit anderen Staaten auf der Grundlage des OECD-MA ein sog Verhandlungsentwurf (DE-VE) bzw eine Verhandlungsgrundlage entworfen, der/die vom > Bundesministerium der Finanzen mit BMF-Schreiben vom 17.04.2013 (IStR 2013, Beihefter zu Heft 10, 46 ff, dort auch Anm Lüdicke dazu ab S 26ff) sowie später noch einmal mit Schreiben vom 22.08.2013 veröffentlicht worden ist. Das OECD-MA wurde aber auch häufig den Verhandlungen über DBA mit Nichtmitgliedern der OECD zugrunde gelegt und in weiten Teilen in das MA der > Vereinte Nationen für Abkommen zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern übernommen. Letztgenanntes trägt aber in einigen Punkten der besonderen wirtschaftlich ungleich verteilten Situation zwischen solchen Staaten Rechnung, ua durch eine stärkere Konzentration auf Quellenbesteuerung.
Rz. 112
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Zum OECD-MA wird von der OECD ein Musterkommentar geführt, der die konsolidierte Auffassung der FinVerw der beteiligten Staaten wiedergibt; bei abweichenden Ansichten zu Einzelpunkten können Länder im Musterkommentar Anmerkungen ("observation") oder Vorbehalte ("reservation") anbringen. Der Musterkommentar (OECD-MK) wird von der OECD in englischer und französischer Sprache veröffentlicht (vgl www.oecd.org); deutsche Übersetzungen finden sich bei Wassermeyer, Doppelbesteuerung (MA-Band) sowie bei Vogel/Lehner jeweils zu Beginn der Kommentierung der einzelnen DBA-Artikel. Die Ausführungen im OECD-MK dienen einerseits dazu, die Formulierungen im OECD-MA zu konkretisieren, sodass bei einem Vertragsabschluss auf Basis des OECD-MA für die Vertragsparteien eine größere Gewähr dafür besteht, dass der Abkommenstext einheitlich verstanden wird, er wird aber auch zunehmend zur Auslegung (> Rz 20 ff) eines DBA herangezogen, sofern es sich um DBA zwischen OECD-Mitgliedstaaten handelt.
Rz. 113
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Im Folgenden werden die Regelungen zur Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach dem OECD-MA, besonders jene bei Auslandstätigkeiten inländischer ArbN, erläutert. Werden im Ausland ansässige ArbN im > Inland tätig, gelten die Regelungen spiegelbildlich. Soweit sich in einzelnen Abkommen Abweichungen vom OECD-MA oder sonstige Besonderheiten ergeben, wird darauf vor allem bei den Länderstichworten hingewiesen. Zur Wahrnehmung des Besteuerungsrechts nach nationalem Recht bei Stpfl mit Lohneinkünften > Ausländische Arbeitnehmer im Inland, > Beschränkte Steuerpflicht Rz 21 ff. Zur ESt-Pflicht dieser ArbN > Beschränkte Steuerpflicht Rz 1 ff und > Veranlagung von Arbeitnehmern Rz 139 ff; außerdem > Entsendung von Arbeitnehmern.
Rz. 114
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Randziffer einstweilen frei.
b) Zur Bestimmung der Ansässigkeit
Rz. 115
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Das OECD-MA sieht vor, dass DBA für Personen gelten, die in einem oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind (Ansässigkeitsstaat). Der ArbN als natürliche Person iSd Art 3 Abs 1 Buchst a OECD-MA ist dann abkommensberechtigt (Art 1 OECD-MA). Die Staatsangehörigkeit, auf die ältere Abkommen noch abstellten, ist idR ohne Bedeutung; zu Ausnahmen > Rz 119, > Rz 196, > Rz 241. Ansässig ist, wer nach dem Recht des Vertragsstaates dort aufgrund eines Wohnsitzes oder des ständigen Aufenthalts steuerpflichtig ist (daher der Begriff "Wohnsitzstaat"). Zum Doppelwohnsitz > Rz 117. Die Ansässigkeit in einem Vertragsstaat schließt nicht aus, dass der Stpfl im anderen Vertragsstaat einen Wohnsitz hat und dort (auch) unbeschränkt stpfl ist (vgl BFH/NV 2019, 388 = HFR 2019, 352).
Ist der ArbN in keinem der beiden Vertragsstaaten ansässig, sondern in einem Drittstaat, ist das DBA mit dem Tätigkeitsstaat nicht anwendbar.