Rz. 12
Stand: EL 132 – ET: 12/2022
Eine erste Tätigkeitsstätte liegt vor, wenn der ArbN durch den ArbG einer Tätigkeitsstätte dauerhaft zugeordnet ist. Die dauerhafte Zuordnung wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen des ArbG sowie die diese ausfüllenden Absprachen oder Weisungen bestimmt (§ 9 Abs 4 Satz 2 EStG). Die dienst- oder arbeitsrechtliche dauerhafte Zuordnung eines ArbN gilt grundsätzlich ohne Einschränkungen auch im Steuerrecht. Die Zuordnung kann für einzelne ArbN oder auch Arbeitnehmergruppen vorgenommen werden (BMF vom 25.11.2020, Rz 6, BStBl 2020 I, 1228, > Rz 6).
Rz. 13
Stand: EL 132 – ET: 12/2022
Der BFH hat bestätigt, dass es keiner gesonderten Zuordnung für lohn- oder einkommensteuerliche Zwecke bedarf (BFH 264, 248 = BStBl 2019 II, 546). Die vorrangig maßgebliche arbeitsrechtliche Zuordnung durch den ArbG kann außerhalb des Arbeits- bzw Dienstvertrags erfolgen, und zwar auch mündlich und sogar konkludent und ist unabhängig davon, ob sich der ArbG der steuerlichen Folgen bewusst ist. Die Zuordnungsentscheidung muss auch nicht dokumentiert werden (vgl dazu zB Krüger, DB 2019, 2143 und Gehm, EStB 2019, 304). Sie kann sich vielmehr auch ergeben aus: Regelungen im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Protokollnotizen, dienstrechtlichen Verfügungen (ua Regelungen zum abweichenden Dienstsitz), Einsatzplänen, Reiserichtlinien, Reisekostenabrechnungen, dem Ansatz eines geldwerten Vorteils für die Nutzung eines Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte (> Kraftfahrzeuggestellung Rz 3) oder vom ArbG als Nachweis seiner Zuordnungsentscheidung vorgelegten Organigrammen (beachte aber > Rz 14).
Maßgebend ist, ob der ArbN aus der Sicht ex ante nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des ArbG, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom ArbG bestimmten Dritten tätig werden sollen (BFH 264, 271 = BStBl 2019 II, 536).
Vgl insgesamt BMF vom 25.11.2020, Rz 9, 11, BStBl 2020 I, 1228, > Rz 6. Ausführlich zur Zuordnungsentscheidung auch Eggert, BBK 2021, 75.
Allein schon aus Gründen der Nachweisführung und > Glaubhaftmachung ist eine schriftliche Festlegung einer Zuordnung uE dringend zu empfehlen.
Nach EFG 2021, 1194 (Rev BFH VI R 6/21) zu einem Zeitsoldaten soll entscheidend sein, dass bereits die Einplanungsentscheidung der > Bundeswehr eine Bestimmung des Stützpunktes vornimmt, dem der Stpfl während seiner Tätigkeit dauerhaft zugeordnet ist. Unerheblich bleibe dann, dass der Stpfl zum Beginn seiner Tätigkeit eine Eignungsübung an einem anderen Standort ableisten musste und die Versetzungsverfügung zum in Rede stehenden Stützpunkt der Anschlussverwendung eine "voraussichtliche Verwendungsdauer" von 37 Monaten vorsah, denn diese sei nicht als zeitliche Befristung, sondern lediglich als Verweis auf die Versetzungsbefugnis der Bundeswehr zu verstehen. Ergänzend dazu > Rz 22–27, insbesondere > Rz 23 und > Rz 27 aE.
Rz. 14
Stand: EL 132 – ET: 12/2022
Ein Organigramm kann gegen den Willen des ArbG (vgl aber > Rz 13) nicht als Nachweis zur Bestimmung einer ersten Tätigkeitsstätte herangezogen werden, wenn der ArbG tatsächlich keine Zuordnung getroffen hat und kein anderer Nachweis über die Zuordnung erbracht wird (BMF vom 25.11.2020, Rz 12, BStBl 2020 I, 1228, > Rz 6). Ist in Einstellungsbögen bzw in Arbeitsverträgen ein Einstellungs-, Anstellungs- oder Arbeitsort bestimmt, handelt es sich nicht um eine Zuordnung im vorstehenden Sinne, wenn der ArbG schriftlich auch gegenüber dem ArbN erklärt, dass dadurch keine arbeitsrechtliche Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte erfolgen soll.
Vgl zur nicht erkannten oder ungewollten ersten Tätigkeitsstätte Hermes, NWB 2016, 2022.
Rz. 15
Stand: EL 132 – ET: 12/2022
Eine dienstliche oder arbeitsrechtliche Regelung mit dem Inhalt, dass der ArbN keine erste Tätigkeitsstätte hat (Negativfestlegung), entfaltet keine steuerliche Bindungswirkung. Der ArbG kann allerdings (auch ausdrücklich) darauf verzichten, eine erste Tätigkeitsstätte arbeits- oder dienstrechtlich festzulegen oder erklären, dass organisatorische Zuordnungen keine erste Tätigkeitsstätte begründen sollen. In diesen Fällen erfolgt die Prüfung, ob eine erste Tätigkeitsstätte gegeben ist, dann anhand der quantitativen Zuordnungskriterien (§ 9 Abs 4 Satz 4 EStG; > Rz 28 ff). Im Ergebnis ist eine Zuordnungsentscheidung mittels arbeits- oder dienstrechtlicher Festlegung somit nur dann erforderlich, wenn der ArbG die erste Tätigkeitsstätte abweichend von den quantitativen Zuordnungskriterien festlegen will (BMF vom 25.11.2020, Rz 13, BStBl 2020 I, 1228, > Rz 6).