Rz. 155
Stand: EL 126 – ET: 04/2021
Ein gesetzlicher Vertreter, ein Vermögensverwalter oder ein Verfügungsberechtigter (§§ 34, 35 AO) hat die steuerlichen Pflichten der von ihm Vertretenen zu erfüllen. Diese öffentlich-rechtlichen Pflichten können durch Vereinbarungen zwischen Vertreter und Vertretenem nicht beeinflusst werden (BFH 96, 39 = BStBl 1969 II, 539). Der Vertreter usw haftet, soweit Steueransprüche infolge schuldhafter Verletzung (> Rz 158 ff) der ihm auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuern ohne rechtlichen Grund vergütet oder erstattet werden. Es handelt sich um
- gesetzliche Vertreter einer natürlichen oder > Juristische Person (zB Eltern, Vormund, Pfleger, Vorstand einer AG oder Genossenschaft, Geschäftsführer einer GmbH, Director einer > Limited, Vorstand eines Vereins [vgl dazu Möllmann, DStR 2009, 2125]). Es haftet auch, wer nach außen hin als Geschäftsführer auftritt, ungeachtet dessen, ob er formell wirksam bestellt wurde (BFH/NV 2003, 442; und zum faktischen Gf vgl BFH/NV 2009, 1277; EFG 2007, 1830) oder ein formell nicht geschäftsführender, aber beherrschender Gesellschafter einer KapGes (HFR 1980, 414). Gleiches gilt für jemanden, der als gesetzlicher Vertreter rechtswirksam bestellt worden ist, seine Aufgaben aber kraft interner Vereinbarungen nicht wahrnimmt (‚Strohmann’; vgl BFH 205, 14 = BStBl 2004 II, 579; BFH/NV 2006, 1252; 2009, 1589; EFG 2011, 1953);
- Geschäftsführer nichtrechtsfähiger Personenvereinigungen (OHG, KG, GbR) und Vermögensmassen (zB nichtrechtsfähige Stiftungen und sonstige Zweckverbände);
- Mitglieder oder Gesellschafter nichtrechtsfähiger Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer;
- Verwalter eines Vermögens (wenn sie nicht ohnehin Eigentümer oder deren Vertreter sind), soweit ihre Verwaltung reicht wie zB Insolvenzverwalter, Nachlassverwalter, Zwangsverwalter/Sequester (BFH 146, 363 = BStBl 1986 II, 586 Nr 2 der Urteilsgründe; BFH vom 22.04.2009 – VII B 225/08, Haufe-Index 2 191 053), Testamentsvollstrecker (BFH 186, 7 = BStBl 1998 II, 760), gerichtlich bestellte Liquidatoren, nicht aber Vergleichsverwalter – § 39 der früheren VerglO. Zur Haftung des > Insolvenzverwalter Rz 3; vgl Mösbauer, DStZ 2000, 443; zum Abwickler (Liquidator) einer GmbH vgl BFH 102, 227 = BStBl 1971 II, 614;
- sonstige Verfügungsberechtigte, die im eigenen oder fremden Namen auftreten (§ 35 AO), zB Prokuristen, soweit sie als solche auftreten und den Rahmen des ihnen zugewiesenen Geschäftsbereichs nicht überschreiten (BFH 142, 11 = BStBl 1985 II, 147; BFH/NV 1986, 192) oder Treuhänder. Das Auftreten als Verfügungsberechtigter idS muss nicht in der Disposition über fremdes Vermögen bestehen. Es reicht aus, dass die Person sich nach außen hin so geriert, als könne sie über fremdes Vermögen verfügen (BFH/NV 1992, 76; enger EFG 1994, 134). Auch wer im > Inland als (General-)Bevollmächtigter eines im > Ausland Rz 1 ansässigen Unternehmens auftritt, haftet für die Erfüllung der im Inland begründeten steuerlichen Verpflichtungen dieses Unternehmens (BFH/NV 1987, 69). Entsprechendes gilt für einen > Ständiger Vertreter im Inland (EFG 2003, 1626).
Rz. 156
Stand: EL 126 – ET: 04/2021
Da eine BGB-Gesellschaft (GbR) selbst ArbG sein kann (> Arbeitgeber Rz 5 [17/1]), haften ihre Gesellschafter auch insoweit grundsätzlich persönlich für die Steuerschulden und die damit zusammenhängenden Säumnis- und Verspätungszuschläge (BFH 144, 479 und BFH 145, 13 = BStBl 1986 II, 156, 158; BFH 158, 1 = BStBl 1989 II, 952). Diese Haftung kann nicht durch Vereinbarungen der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt werden (BFH 161, 390 = BStBl 1990 II, 939; BFH/NV 1991, 574). Zur Rechtsscheinhaftung für Steuerschulden einer Schein-GbR vgl BFH 213, 194 = BStBl 2007 II, 600. Gesellschafter einer Vor-GmbH haften nicht nach § 69 AO, sondern nach zivilrechtlichen Vorschriften (> Rz 185; BFH 185, 356 = BStBl 1998 II, 531). Die steuerlichen Pflichten einer GmbH hat der Geschäftsführer nicht erst mit der Eintragung im Handelsregister, sondern bereits mit Bestellung durch Gesellschafterbeschluss zu erfüllen (EFG 2007, 971). Zur Rechtsscheinhaftung eines nicht wirksam bestellten Geschäftsführers vgl BFH/NV 2003, 442 sowie > Rz 155 zum "Strohmann".
Rz. 157
Stand: EL 126 – ET: 04/2021
Die Haftung trifft auch ehemalige Gesellschafter, gesetzliche Vertreter usw, zB ausgeschiedene GmbH-Geschäftsführer oder Mitglieder eines Vereinsvorstands, soweit sie zur zutreffenden Einbehaltung und Abführung der LSt verpflichtet und in der Lage waren (BFH/NV 1990, 71; vgl AEAO zu § 191 Nr 1). Das gilt auch, wenn die Vertretung erloschen ist (§ 36 AO). Wer als Schatzmeister eines Fußballvereins für diesen auch über den Ablauf seiner gewählten Amtszeit hinaus die Tätigkeit eines Vorstands ausübt, haftet grundsätzlich auch für die abzuführende LSt (EFG 2006, 13). Zur Haftung eines ausgeschiedenen Komplementärs vgl BFH 125, 124 = BStBl 1978 II, 490. Zur Abwendung des Haftungsrisik...