Rz. 170
Stand: EL 126 – ET: 04/2021
Ein gesetzlicher Vertreter iSv > Rz 155 haftet neben dem von ihm vertretenen ArbG und ggf neben anderen Haftungsschuldnern (> Rz 167) "soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) ....nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden" (§ 69 Satz 1 AO). Hinsichtlich der Pflichten als ArbG haftet der Vertreter für die richtige Einbehaltung, Anmeldung und Abführung und für die beim > Lohnsteuer-Jahresausgleich zu Unrecht erstattete LSt (> Rz 33 ff, > Rz 50). Das Gleiche gilt uE für ESt/LSt, die aufgrund fehlerhafter Angaben im > Lohnkonto oder in der > Lohnsteuerbescheinigung verkürzt worden ist (> Rz 51 ff). Der sachliche Umfang der Haftung erstreckt sich – sofern überhaupt jeweils (noch) anfallend – auf die anzumeldende > Kirchensteuer Rz 42 ff und den anzumeldenden > Solidaritätszuschlag, soweit sie auf die LSt entfallen. Entsprechendes gilt für die Beiträge zur > Arbeitskammer (Bremen/Saarland). Zu Einwendungen > Rz 161 ff. Die Höhe der einzubehaltenden LSt bestimmt sich nach § 38a EStG, beim laufenden Arbeitslohn (> Laufende Bezüge) jeweils mit dem auf den > Lohnzahlungszeitraum entfallenden Teilbetrag der > Jahreslohnsteuer unter Berücksichtigung der für die ArbN abzurufenden elektronischen > Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM), besonders der > Steuerklassen (§ 38b EStG). Können die maßgeblichen Besteuerungsgrundlagen nicht ermittelt oder berechnet werden, hat sie die Finanzbehörde nach § 162 AO zu schätzen (vgl EFG 2012, 1650). Zu Einzelheiten > Schätzung.
Ferner erstreckt sich die Haftung auf Steuerrückstände, die während der Dauer der gesetzlichen Vertretung usw entstanden sind (> Rz 172), und auf Rückstände aus früherer Zeit, sofern die Verantwortlichen nicht die nötige Sorgfalt aufgewendet haben, um die früheren Rückstände zu tilgen (BFH 96, 39 = BStBl 1969 II, 539). Entsprechendes gilt für die im Anschluss an eine > Außenprüfung oder einer > Lohnsteuer-Nachschau nachgeforderten Steuern, soweit sie während der Dauer der Verantwortlichkeit des Haftenden festgesetzt, aber nicht entrichtet worden sind.
Rz. 171
Stand: EL 126 – ET: 04/2021
Die Haftung schließt die in § 3 Abs 4 AO aufgezählten steuerlichen Nebenleistungen ein, weil auch sie zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis iSv § 37 Abs 1 AO gehören, für die gehaftet wird (vgl § 69 Satz 1 AO). Die Haftung umfasst auch einen > Säumniszuschlag, der während der Tätigkeit als gesetzlicher Vertreter durch eine nachweisbare Pflichtverletzung dieser Person wegen nicht rechtzeitiger Abführung der Steuer entstanden ist (§ 69 Satz 2 AO; BFH 153, 512 = BStBl 1988 II, 859); zum > Verspätungszuschlag vgl BFH 192, 249 = BStBl 2001 II, 271 mwN; zur Darstellung im Haftungsbescheid vgl BFH 149, 125 = BStBl 1987 II, 363.
Rz. 172
Stand: EL 126 – ET: 04/2021
Eine schuldhafte Pflichtverletzung (> Rz 158 ff) muss die Ursache für die Nichteinbehaltung oder Nichtabführung der LSt sein. Deshalb ist die Haftung nach § 69 AO dem persönlichen Umfang nach auf den Betrag beschränkt, der infolge der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder entrichtet worden ist. Die Höhe der Haftung bestimmt sich unabhängig vom Grad des Verschuldens grundsätzlich allein aus der Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den bei dem Fiskus eingetretenen Vermögensschaden (BFH 216, 487 = BStBl 2008 II, 508). Der gesetzliche Vertreter haftet also nur, soweit Steuern bei pflichtgemäßem Verhalten nicht ausgefallen wären (BFH 153, 512 = BStBl 1988 II, 859). Die Kausalität richtet sich nach der sog Adäquanztheorie (BFH 223, 303 = BStBl 2009 II, 342). Sie besagt, dass nur solche Pflichtverletzungen für den Erfolg ursächlich sein können, die allgemein oder erfahrungsgemäß geeignet sind, diesen Erfolg zu verursachen. Sofern ein Unterlassen in Betracht kommt, muss, um die Ursächlichkeit bejahen zu können, die unterbliebene Handlung hinzugedacht werden; die bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Nichteintritts genügen dazu nicht (BFH 170, 295 = BStBl 1993 II, 471). So kommt die Haftung eines GmbH-Gf nicht in Betracht, wenn er zum Zeitpunkt der Fälligkeit der abzuführenden Steuerabzüge zB aufgrund eines gerichtlichen Verfügungsverbots rechtlich nicht mehr in der Lage war, die einbehaltenen Steuern für die GmbH abzuführen (BFH 170, 295, aaO).
Rz. 173
Stand: EL 126 – ET: 04/2021
Jeder Gesamtschuldner schuldet grundsätzlich die gesamte Leistung (§ 44 Abs 1 AO; vgl die entsprechenden Erläuterungen unter > Rz 95 ff). Allerdings beschränkt sich die Haftung nach § 69 Satz 1 AO dem Umfang nach auf den Betrag (Haftungssumme), der infolge der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder entrichtet worden ist. Die Vorschrift hat den Charakter von > Schadensersatz. Stehen zur Begleichung der Steuerschulden keine ausreichenden Mittel zur Ver...