Rz. 145
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Bei der Veranlagung prüft das FA von Amts wegen, ob der Stpfl Anspruch auf die Freibeträge für Kinder des § 32 Abs 6 EStG hat, und zwar unabhängig von den bis dahin gebildeten Lohnsteuerabzugsmerkmalen (> Rz 122 ff). Besteht ein Anspruch, hat das FA auch festzustellen, ob die Voraussetzungen in allen Monaten des VZ oder nur zeitanteilig vorgelegen haben (> Rz 47 ff). Die zustehenden Freibeträge werden für Zwecke der Festsetzung der ESt jedoch nur abgezogen, wenn nicht bereits das im Laufe des Kalenderjahres zustehende Kindergeld den Stpfl in dem verfassungsmäßig gebotenen Umfang entlastet hat (> Rz 5/1). Um das zu ermitteln, wird im Rahmen der ESt-Veranlagung von Amts wegen – bezogen auf den gesamten VZ (vgl § 31 Satz 1 und 4 EStG) – folgende Vergleichsrechnung ("Günstigerprüfung") durchgeführt: Zunächst wird die ESt ermittelt, die sich ohne Abzug der Freibeträge für Kinder ergibt. In einer weiteren Berechnung wird die ESt ermittelt, die sich bei Abzug der dem Stpfl zustehenden Freibeträge ergeben würde. Anschließend wird die Differenz zwischen den beiden ermittelten ESt-Beträgen festgestellt. Ist diese geringer als das für den gesamten VZ zustehende Kindergeld (> Rz 153 ff), so ist das verfassungsrechtlich zu berücksichtigende Existenzminimum des Kindes bereits durch das als Steuervergütung zustehende Kindergeld steuerfrei gestellt worden; die Freibeträge für Kinder werden in diesem Fall bei der ESt-Festsetzung nicht abgezogen. Ist die Differenz der ermittelten ESt-Beträge dagegen höher als das zustehende Kindergeld, werden die Freibeträge auch für Zwecke der ESt-Festsetzung abgezogen und das Kindergeld der tariflichen ESt hinzugerechnet (§ 2 Abs 6 Satz 3, § 31 Satz 4 EStG; zu Beispielen > Rz 150 ff).
Rz. 146
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Bei nicht zusammenveranlagten Eltern wird der Kindergeldanspruch im Umfang der Freibeträge für Kinder angesetzt (§ 31 Satz 4 HS 2 EStG; > Rz 157).
Die in die Vergleichsrechnung einzubeziehenden Freibeträge (§ 31 Satz 1 EStG) sind der Kinderfreibetrag und der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (§ 32 Abs 6 EStG; > Rz 3). Der > Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG) und der > Ausbildungsfreibetrag (§ 33a Abs 2 EStG) werden in die Vergleichsrechnung nicht einbezogen.
Rz. 146/1
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Die Freibeträge für Kinder werden übrigens auch für Zwecke der "Günstigerprüfung" iSv § 10a Abs 2 EStG abgezogen: Dabei wird geprüft, ob der SA-Abzug für Altersvorsorgebeiträge iSd § 10a Abs 1 EStG vorteilhafter ist als die dafür zustehende Zulage (§§ 84, 85 EStG). Diesen Abgleich nimmt das FA ggf ebenfalls im Rahmen der Veranlagung von Amts wegen vor. Um aber das für den Stpfl günstigste Ergebnis zu errechnen und es zugleich im Steuerbescheid nachvollziehbar darstellen zu können, werden die Freibeträge für Kinder für den Vergleich rechnerisch nur in den Fällen abgezogen, in denen sie im Rahmen der Günstigerprüfung nach § 31 Satz 4 EStG dann auch tatsächlich abgezogen werden, weil das vorteilhafter ist als das Kindergeld (vgl Gesetzesbegründung zu § 10a EStG; > Rz 150 Beispiel 3). Ergänzend > Private Altersvorsorge Rz 98 ff.
Rz. 147
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Wenn die Durchführung einer Veranlagung zur ESt im FA ansteht, hat die Familienkasse im Allgemeinen bereits entschieden, ob der Stpfl für ein Kind Anspruch auf Kindergeld hat oder nicht (> Kindergeld Rz 55 ff). Dieser Entscheidung kann sich das FA ggf anschließen, soweit die Voraussetzungen für das steuerliche Kindergeld (§§ 62ff EStG) und für die Freibeträge für Kinder übereinstimmen (§ 32 EStG; > R 31 Abs 4 EStR; zur Zusammenarbeit mit den Familienkassen > Kindergeld Rz 68); zu den Unterschieden > Rz 9. Die Entscheidung über das Kindergeld ist aber kein > Grundlagenbescheid für die Berücksichtigung von Freibeträgen für Kinder bei der Veranlagung, weil eine Bindungswirkung gesetzlich nicht vorgesehen ist (BFH 169, 76 [81] = BStBl 1993 II, 180 [182]). Ein Bescheid der Familienkasse bindet das FA nicht, wenn der Anspruch fehlerhaft, aber bestandskräftig abgelehnt worden ist (BFH 236, 539 = BStBl 2013 II, 226 mwN). Zur Zusammenarbeit der Behörden > R 31 Abs 4 EStR sowie > Kindergeld Rz 67 ff.
Rz. 148
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Bei der Ermittlung der > Bemessungsgrundlage für die > Zuschlagsteuern berücksichtigt das FA mithin die maßgebenden Freibeträge für Kinder stets unabhängig vom Kindergeld (§ 51a Abs 2 EStG). Aus Vereinfachungsgründen setzt das FA hierbei – ebenso wie beim LSt-Abzug (vgl § 51a Abs 2a EStG; > Rz 123) – die Freibeträge für Kinder für das ganze Kalenderjahr an, also nicht monatsbezogen. Ist ein Freibetrag mit unterschiedlichen monatlichen Werten zu berücksichtigen, zB weil das Kind seinen > Wohnsitz im Laufe des Kalenderjahres in Staaten mit unterschiedlichen Lebensverhältnissen (> Anh 2 Ländergruppen; > Rz 45/3) hatte, so wird der günstigste Monatsbetrag auf einen Jahresbetrag hochgerechnet (OFD Hannover vom 10.12.1996, DStR 1997, 1...