Rz. 65
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Für einen Beruf wird ausgebildet, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet (BFH 189, 88 = BStBl 1999 II, 701; BFH/NV 2017, 1304 = HFR 2017, 937). Zur Berufsausbildung iwS (> Rz 62) gehören alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufes geeignet sind; dazu gehört auch ein Hochschulstudium (> Rz 69). Das Berufsziel richtet sich weitgehend nach den Vorstellungen der Eltern und des Kindes. Die Ausbildung ist nicht auf staatlich geregelte Ausbildungs- oder Studiengänge beschränkt (BFH 206, 413 = BStBl 2006 II, 294 mwN; BFH/NV 2010, 1431); ihr muss also keine öffentlich-rechtliche Ausbildungsordnung einschließlich einer Abschlussprüfung zugrunde liegen (vgl BMF vom 08.02.2016, Rz 21, BStBl 2016 I, 226). Sie muss aber berufsbezogen, also auf eine Tätigkeit gerichtet sein, die eine nachhaltige Erwerbsgrundlage bietet. Darüber hinaus muss sie ernsthaft und nachhaltig betrieben werden. Die Vermittlung allgemein nützlicher Fertigkeiten, genereller Lebenserfahrung oder die Herausbildung sozialer Befähigung darf nicht im Vordergrund stehen (vgl A 15 DA-KG [> Rz 9]).
Rz. 66
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Für das über 18 Jahre alte Kind beginnt die Berufsausbildung iwS gewöhnlich noch mit dem Besuch von Allgemeinwissen vermittelnden Schulen wie Grund-, Haupt- und Oberschulen sowie von Berufs-, Fach- und Hochschulen oder einem College im Ausland (BFH 189, 95 = BStBl 1999 II, 705; BFH/NV 2000, 26). Wenn es zur Erfüllung der Schulpflicht dient, genügt bereits ein Unterricht von zehn oder weniger Wochenstunden (BFH 229, 267 = BStBl 2010 II, 1060). Zur Berufsausbildung iwS gehört auch die Teilnahme eines nicht deutschsprachigen Kindes an einem Deutschkurs, wenn der Erwerb der Sprachkenntnisse Grundlage für eine anschließend beabsichtigte Ausbildung in Deutschland ist; zum Intensiv-Sprachkurs für junge Aussiedler vgl OFD Düsseldorf vom 29.10.1990, DB 1990, 2348. Auch ein von der Agentur für Arbeit gefördertes Sonderprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit – Ausbildung, Qualifizierung und Beschäftigung Jugendlicher – ist Berufsausbildung (BFH/NV 2005, 866). Berufsausbildung kann aber auch die private Vorbereitung auf einen Schulabschluss – Schulfremdenabitur – im Rahmen eines Selbststudiums sein (BFH 225, 331 = BStBl 2010 II, 296) oder eines Abiturfernlehrgangs (EFG 2008, 1903) oder beim 2. Bildungsweg die Zeit der Vorbereitung auf ein Abitur (BFH 225, 331 = BStBl 2010 II, 296). Bei einer zweieinhalbjährigen selbst organisierten Vorbereitung auf die Zulassung zum Musikstudium dürfen aber keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit bestehen (EFG 2012, 525 = DStRE 2012, 218). Zur Berufsausbildung gehört der Besuch einer Musikschule als Vorbereitung für die Bewerbung um die Aufnahme in die Musikhochschule. Keine Berufsausbildung ist der Besuch eines islamischen Mädchenkollegs, weil dieser nicht auf einen Beruf vorbereitet (EFG 2013, 1049). Ebenso beim Besuch einer Missionsschule (BFH 263, 53 = BStBl 2019 II, 256).
Der Abschluss einer solchen schulischen Bildung bewirkt keinen ‚Verbrauch’ der erstmaligen Berufsausbildung iSv § 32 Abs 4 Satz 2 EStG (dazu > Rz 87; vgl BMF vom 08.02.2016, Rz 21, BStBl 2016 I, 226).
Rz. 67
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Daran kann sich die Ausbildung für einen handwerklichen, hauswirtschaftlichen, kaufmännischen, technischen oder wissenschaftlichen Beruf oder eine Ausbildung im öffentlichen Dienst in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang anschließen, der durch eine Prüfung abgeschlossen wird. Unerheblich ist hier – anders bei > Rz 88 –, ob es sich um Berufsausbildungsverhältnisse oder anerkannte Lehr- und Anlernberufe oder vergleichbar geregelte Ausbildungsberufe iSd HWO oder des BBiG (EFG 1999, 1187) handelt.
Beispiel:
B befindet sich – nach Abschluss der allgemeinbildenden Schule – in einem auf drei Jahre angelegten Ausbildungsdienstverhältnis als Industriekauffrau. Daraus erhält sie eine tarifliche Ausbildungsvergütung. B hat vor der Aufnahme ihrer Tätigkeit weder ein Studium abgeschlossen noch eine anderweitige Berufsausbildung.
Die Eltern der B haben Anspruch auf Kindergeld oder die Freibeträge für Kinder.
Rz. 68
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Diese Phase der Berufsausbildung vollzieht sich regelmäßig im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses (vgl BMF vom 08.02.2016, Rz 25, aaO; H 9.2 LStH; > Auszubildende Rz 1 sowie > Rz 90 ff). In Berufsausbildung befindet sich deshalb, wer als > Beamtenanwärter einen Vorbereitungsdienst ausübt; das gilt auch für Lehramts- und Rechtsreferendare nach dem ersten Staatsexamen (BFH 191, 54 = BStBl 2000 II, 398; BFH/NV 2005, 36; > Referendare). Bei solchen noch nicht vollbezahlten Tätigkeiten steht der Ausbildungscharakter im Vordergrund (BFH 189, 98 = BStBl 1999 II, 706).
Hinweis: Selbst nach Abschluss einer Erstausbildung/eines Erststudiums kann ein angehängt...