I. Die Begünstigungstatbestände im Überblick
Rz. 55
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Der Systematik des § 32 Abs 4 EStG liegt die Vermutung zugrunde, dass ein volljähriges Kind selbst für seinen Unterhalt aufkommen kann. Deshalb werden die Eltern nach dem 18. Geburtstag nur noch dann entlastet, wenn einer der folgenden Begünstigungstatbestände gegeben ist.
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Bis zum 21. Geburtstag wird ein Kind berücksichtigt, wenn es der Arbeitsagentur als Arbeitsuchender gemeldet ist (> Rz 56 – 59). |
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Bis zum 25. Geburtstag wird ein Kind in folgenden Fällen begünstigt:
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Das Kind sucht erstmals einen Ausbildungsplatz (> Rz 100 ff). |
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Das Kind befindet sich in erstmaliger Ausbildung für einen Beruf (zB in einem Ausbildungsdienstverhältnis) oder in einem Erststudium (> Rz 60ff). |
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Das Kind kann die begonnene Ausbildung für einen ersten Beruf/das Erststudium wegen eines fehlenden Ausbildungsplatzes nicht fortsetzen (> Rz 100 ff). |
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Das Kind wird für eine Übergangszeit von bis zu vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten berücksichtigt (> Rz 94 ff). Das gilt auch für die Übergangszeit zwischen einem Ausbildungsabschnitt und dem Wehrdienst oder einem Jugendfreiwilligendienst. |
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Das Kind leistet einen (Jugend-)Freiwilligendienst (> Rz 108 ff). |
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Nach dem Abschluss der erstmaligen Berufsausbildung oder des Erststudiums (> Rz 87 ff) befindet sich das Kind in einem (angeschlossenen) Ausbildungsdienstverhältnis (> Rz 90 ff). |
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Hinweis: Für die vorgenannten Alternativen gilt gemeinsam, dass ein Kind nicht mehr berücksichtigt wird, sobald es bereits vor dem 25. Geburtstag einem Vollerwerb nachgeht (zu Einzelheiten > Rz 116 ff).
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Hat das Kind (nicht begünstigten) Wehr- oder einen Ersatzdienst geleistet, kann es über den 25. Geburtstag hinaus begünstigt sein (> Rz 115 ff). |
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Das Kind ist schwerbehindert; dann gelten Besonderheiten (> Rz 110 ff). |
Rz. 55/1
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Stellungnahme: Löst man sich gedanklich von den Einzelheiten, wird das gesetzgeberische Prinzip erkennbar, jedes Kind bei den unterhaltspflichtigen Eltern zu berücksichtigen, das sich noch um die Befähigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit bemüht. Der Unterhalt für andere junge Leute, die – verschuldet oder unverschuldet – ihren Eltern "auf der Tasche liegen", ohne einen Vollerwerb anzustreben, wird steuerlich im Rahmen von § 33a Abs 1 EStG berücksichtigt (> Unterhaltsleistungen Rz 50 ff).
II. Arbeit suchende Kinder bis zum 21. Lebensjahr
Rz. 56
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Ein Kind wird – über den 18. Geburtstag hinaus – bis zum 21. Lebensjahr berücksichtigt, wenn es in keinem Beschäftigungsverhältnis steht (> Rz 58) und bei der > Bundesagentur für Arbeit als Arbeitsuchender gemeldet ist (§ 32 Abs 4 Satz 1 Nr 1 EStG; zur Rechtsentwicklung > Rz 21). Eigene Bemühungen um einen Arbeitsplatz sind unerheblich; auch auf die jederzeitige Verfügbarkeit kommt es nicht an (BFH/NV 2009, 567; 2016, 914; BFH 254, 562 = BStBl 2017 II, 124).
Rz. 56/1
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Eine Meldung online oder eine fernmündliche Kontaktaufnahme reicht aus (BFH/NV 2012, 1971); sie ist lediglich Indiz für das Bemühen um einen Ausbildungsplatz (BFH 250, 145 = BStBl 2015 II, 940). Der Meldung steht es gleich, wenn das Kind nach Ende der Berufsausbildung arbeitslos wird und Leistungen nach dem SGB II beantragt (BFH 238, 126 = BStBl 2013 II, 443) oder an einer Vermittlungsmaßnahme der ARGE "Grundsicherung für Arbeitsuchende" teilgenommen hat (BFH/NV 2012, 204). Die Meldung bei einem privaten Arbeitsvermittler reicht idR nicht aus (BFH/NV 2003, 1562); es sei denn, er ist von der Arbeitsagentur beauftragt (EFG 2007, 201). Ein Kind, das in einem anderen EU/EWR-Mitgliedstaat oder in der > Schweiz bei der staatlichen Arbeitsvermittlung arbeitsuchend gemeldet ist, kann berücksichtigt werden.
Rz. 56/2
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Die Pflicht zur Wiederholung der Meldung bei der Arbeitsagentur nach drei Monaten (vgl § 38 Abs 3 Satz 2 SGB III aF; vgl zB BFH 222, 349 = BStBl 2009 II, 1008) gibt es schon seit 2009 nicht mehr (vgl BFH/NV 2015, 15). Weiterhin gilt aber, dass ein Kind nicht mehr berücksichtigt wird, wenn es seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt und deshalb die Vermittlung eingestellt wird (vgl BFH/NV 2015, 1242 = HFR 2015, 945), so zB weil es einen Vorsprachetermin bei der Arbeitsagentur schuldhaft versäumt (BFH/NV 2015, 484). Hat das Kind aber seine Mitwirkungspflichten erfüllt und wird die Vermittlung zu Unrecht eingestellt, kann es zeitlich ggf bis zum 21. Geburtstag als ‚arbeitsuchend’ zu behandeln sein (vgl BFH 245, 200 = BStBl 2015 II, 29; BFH/NV 2015, 484).
Rz. 57
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
§ 32 Abs 4 Satz 1 Nr 1 EStG setzt voraus, dass das Kind überhaupt einen Anspruch auf die Vermittlungsleistung der Arbeitsagentur hat. Das ist aber nicht gegeben, wenn das Kind durchweg mehr als 15 Wochenstunden arbeitet oder aufgrund seines ausländerrechtlichen Status keine Arbeitsgenehmigung erlangen kann (BFH 233, 44 = BStBl 2012 II, 210). Ebenso ist es, wenn das Kind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezieht, weil die dafür zuständige Behörde keine Arbeit...