Rz. 116
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums (> Rz 87 ff) wird für den Regelfall gesetzlich vermutet, dass ein volljähriges Kind in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten. Deshalb wird ein Kind zwischen dem 18. und dem 25. Lebensjahr nur berücksichtigt, wenn es einen der Grundtatbestände des § 32 Abs 4 Satz 1 Nr 2 EStG erfüllt (> Rz 60–109) und keiner existenzsichernden Erwerbstätigkeit nachgeht, es sei denn, dass es in einem > Ausbildungsdienstverhältnis steht (§ 32 Abs 4 Satz 2 und 3 EStG; > Rz 90).
Beispiel 1:
A ist als Versicherungsangestellter berufstätig und nimmt ein berufsbegleitendes Studium auf. Er wird nicht als Kind berücksichtigt.
Beispiel 2:
S hat ein Studium der Rechtswissenschaften mit dem 1. Staatsexamen abgeschlossen und ist als Referendar mit dem Status eines Beamten auf Probe in die Justizverwaltung eingetreten.
S kann bis zu dem Monat, in dem er seinen 25. Geburtstag begeht, als Kind berücksichtigt werden, denn er befindet sich als Referendar in einem Ausbildungsdienstverhältnis als Beamtenanwärter.
Erwerbstätigkeit ist eine auf die Erzielung von Einkünften gerichtete Tätigkeit, die die Zeit und persönliche Arbeitskraft des Kindes überwiegend beansprucht (BFH 116, 133 = BStBl 1975 II, 537; BMF vom 08.02.2016, Rz 2 und 23 ff, BStBl 2016 I, 226). Das betrifft nicht nur die abhängige Beschäftigung als > Arbeitnehmer, sondern auch eine selbständige Tätigkeit als Freiberufler, Gewerbetreibender oder Land- und Forstwirt.
Rz. 116/1
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Ausgenommen sind Kinder mit Behinderungen (> Rz 110 ff). Für Kinder unter 21 Jahren, die als arbeitsuchend gemeldet sind (> Rz 56 ff), kommt die Regelung von der Sache her nicht in Betracht.
Rz. 117
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Unschädlich ist eine Erwerbstätigkeit bis zu 20 Wochenstunden oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis iSv §§ 8 und 8a SGB IV (> Geringfügige Beschäftigung). Die ‚Geringfügigkeit’ ist – wie im Sozialrecht – nach einer vorausschauenden Betrachtung zu beurteilen. Maßgebender Beurteilungszeitraum ist das Kalenderjahr (BFH/NV 2014, 1037).
Beispiel 3:
C hat nach Abschluss der allgemeinbildenden Schule zunächst eine Ausbildung als Außenhandelskaufmann mit der Prüfung vor der IHK abgeschlossen. Danach hat er ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität begonnen. Eine mehr als geringfügige Erwerbstätigkeit übt er nicht aus.
Die Eltern von C haben Anspruch auf > Kindergeld oder Freibeträge für Kinder. C hat zwar mit der Ausbildung zum Kaufmann bereits eine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen. Das Studium ist deshalb keine berufliche Erstausbildung, wenn es sich nicht um eine mehrstufige Berufsausbildung handelt (> Rz 86). Seine Berücksichtigung bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres würde aber nur durch eine volle Erwerbstätigkeit ausgeschlossen.
Beispiel 4:
Der 24 Jahre alte I hatte zunächst eine Berufsausbildung zum Mechatroniker abgeschlossen und sich nach Ablauf von 2 Jahren zu einem Ingenieurstudium entschlossen. Er steht im 4. Semester, bekommt BAföG und arbeitet nicht neben dem Studium.
Die Eltern von I haben noch Anspruch auf > Kindergeld und die Freibeträge für Kinder. I hat zwar vor Aufnahme seines Studiums bereits eine Berufsausbildung als Mechatroniker abgeschlossen, sodass sein Ingenieurstudium keine erstmalige Berufsausbildung ist. I geht aber keiner existenzsichernden Erwerbstätigkeit nach.
Rz. 118
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Bei einer Tätigkeit bis zu 20 Wochenstunden kommt es auf die vereinbarte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit an. Eine Ausweitung der Beschäftigung für höchstens 2 Monate ist unbeachtlich, wenn während der Kalendermonate, für die ein Freibetrag für Kinder gewährt werden soll, die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr als 20 Stunden beträgt (BMF vom 08.02.2016, Rz 24 mit Beispiel, BStBl 2016 I, 226). Eine > Geringfügige Beschäftigung (520-EUR-Job) ist neben einer anderen Erwerbstätigkeit nur dann unschädlich, wenn die 20-Wochenstunden-Grenze insgesamt nicht überschritten wird. Ob lediglich eine > Geringfügige Beschäftigung vorliegt, ist durch eine Bescheinigung des ArbG oder eine Meldung zur Minijob-Zentrale nachzuweisen (BMF vom 08.02.2016, Rz 26, 27, BStBl 2016 I, 226).
Rz. 119
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Auch für die Erwerbstätigkeit gilt das Monatsprinzip (> Rz 47 ff). Ein Kind, das während eines Monats die Grenzen einer geringfügigen Beschäftigung oder die 20-Stunden-Grenze überschreitet, wird ab dem folgenden Monat und solange nicht mehr berücksichtigt, wie die Grenzwerte nicht eingehalten werden (BMF vom 08.02.2016, Rz 29, BStBl 2016 I, 226).