Rz. 16
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Im EU/EWR-Bereich ist für die Zahlung von KiG grundsätzlich (vgl zB Art 10 der VO (EWG) 574/72) der Staat berufen, in dem das Kind lebt, wenn dort zumindest ein Elternteil berufstätig ist. Dementsprechend zahlt die Familienkasse in Deutschland KiG grundsätzlich für Kinder iSv § 63 Abs 1 Satz 1 EStG (> Rz 15) nur dann, wenn sie als unbeschränkt Stpfl im > Inland leben, hier also einen > Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen > Aufenthalt haben (vgl § 63 Abs 1 Satz 6 EStG; > Rz 10 ff).
Rz. 16/1
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Die Abhängigkeit des KiG-Anspruchs vom Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes ist verfassungsgemäß. Aus Art 6 GG, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates stellt, ist kein KiG-Anspruch für im Ausland lebende Kinder herzuleiten (BFH 193, 569 = BStBl 2001 II, 279 mwN; BFH/NV 2012, 1977).
Rz. 17
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Zu den Einzelheiten der Bestimmung von > Wohnsitz sowie > Aufenthalt eines Kindes vgl diese Stichworte sowie BFH/NV 2012, 375 mwN. Halten sich Kinder zur Schul-, Hochschul- oder Berufsausbildung außerhalb der EU/EWR-Mitgliedstaaten auf, behalten sie ihren Wohnsitz nicht allein dadurch, dass ihnen die elterliche Wohnung weiterhin zur Verfügung steht (BFH/NV 2011, 1351), das Kind muss vielmehr die Wohnung fortwährend als sein Zuhause betrachten. Deshalb behalten Kinder, die sich für mehrere Jahre ins Ausland begeben, die Wohnung bei den Eltern nur bei, wenn sie diese in den ausbildungsfreien Zeiten zumindest überwiegend nutzen (BFH 229, 270 = BStBl 2010 II, 1013). Kurze, üblicherweise durch die Eltern-Kind-Beziehung begründete Besuche sind regelmäßig nicht ausreichend (BFH/NV 2012, 555; BFH 247, 239 = BStBl 2015 II, 655).
Rz. 18
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Ein Kind ohne deutsche Staatsangehörigkeit kann im > Inland einen > Wohnsitz oder seinen > gewöhnlichen Aufenthalt ohne eine ausländerrechtliche Erlaubnis haben (EFG 1998, 377; A 23.1 Abs 2 DA-KG [> Rz 9/3]). Bei mehrfachem Wohnsitz eines Elternteils im In- und Ausland teilt ein im Ausland geborenes Kind nicht automatisch den Wohnsitz des Elternteils im Inland (BFH/NV 2009, 1630; 2014, 1030). Zur Berücksichtigung eines vermissten Kindes vgl A 7 Abs 4 DA-KG sowie BFH 188, 403 = BStBl 1999 II, 1425. Bei widerrechtlicher Entziehung des Kindes durch den anderen Elternteil wird der inländische Wohnsitz nur aufgehoben, wenn feststeht, dass das Kind dadurch seinen Wohnsitz ins Ausland außerhalb eines EU/EWR-Staates verlegt hat (EFG 1999, 1114; 1296; 1297) oder die Umstände darauf schließen lassen, dass das Kind nicht zurückkehrt (BFH/NV 2002, 1146 – Entführung durch pakistanischen Vater; BFH/NV 2002, 1148 – Entführung durch türkischen Vater; EFG 2008, 1463 – Entführung durch die Mutter). In diesen Fällen kann davon ausgegangen werden, dass das Kind in den ersten sechs Monaten nach der Entziehung den inländischen Wohnsitz beibehält, wenn sich der sorgeberechtigte Elternteil bemüht, das Kind zurückzuholen (BFH/NV 2003, 464). Eine Prognose über den künftigen Aufenthalt eines Kindes muss dabei nicht zugunsten desjenigen ausfallen, dem das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind übertragen wurde (BFH/NV 2014, 1208). Zieht die Mutter mit allen Kindern für mindestens ein Jahr ins Herkunftsland zurück, entfällt wegen Wegfalls der unbeschränkten Steuerpflicht ein Anspruch des Vaters (EFG 2012, 68; BFH/NV 2012, 375).
Rz. 19
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Ab 2016 (> Rz 7/2) muss der Berechtigte grundsätzlich sich selbst ebenso wie das Kind durch die > Identifikationsnummer (§ 139b AO) oder in geeigneter anderer Weise bei der Familienkasse identifizieren. Zur Einführung eines verbindlichen Authentifizierungsverfahrens bei den Familienkassen – dieses soll der Aufdeckung von Doppelzahlungen dienen – vgl O 2.3 DA-KG (> Rz 9/3). Sofern eine Identifikationsnummer erst später ausgestellt wird, hat sie rückwirkende Kraft. Vgl dazu § 62 Abs 1 Satz 2 und 3; § 63 Abs 1 Satz 3 bis 6 sowie § 67 Satz 3 bis 5 EStG.