Rz. 1
Stand: EL 115 – ET: 05/2018
Schreib- und Rechenfehler sowie ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines VA (> Verwaltungsakt) unterlaufen sind, kann die FinBeh jederzeit berichtigen (§ 129 AO; > Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten Rz 3). Die Berichtigung liegt grundsätzlich im > Ermessen des FA; die Begründung der Ermessensausübung ist nur dann entbehrlich, wenn eine andere Entscheidung rechtsfehlerhaft wäre (BFH/NV 1993, 637). Fehler zu Lasten des Stpfl sind zu berichtigen (§ 129 Satz 2 AO). Zur Berichtigung von Schreibfehlern usw in Urteilen vgl § 107 FGO. Die objektive Beweislast für das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit trägt derjenige, der sich darauf beruft; ein > Anscheinsbeweis genügt (BFH/NV 2009, 1394).
Den Schreib- und Rechenfehlern ähnliche Unrichtigkeiten sind "mechanische Fehler", die ebenso "mechanisch", dh ohne weitere Prüfung erkannt werden können (BFH 141, 485 = BStBl 1984 II, 785 mwN). Dabei kann es sich um Fehler bei der Eingabe von Zahlen bei der Verarbeitung elektronisch übermittelter Daten handeln oder um solche, die in einem Irrtum über den automatisierten Verfahrensablauf bestehen (BFH 146, 350 = BStBl 1986 II, 541; EFG 2016, 1843 – Rev, BFH VI R 38/16) oder bei der Nichtbeachtung eines programmgestützten Hinweises entstehen (EFG 2013, 1978 – Rev, BFH VI R 63/13; EFG 2017, 360; zu Grenzen vgl EFG 2014, 1743; BFH/NV 2015, 1078). Zu weiteren Beispielen > Rz 10ff.
Rz. 3
Stand: EL 115 – ET: 05/2018
Keine ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten sind Fehler in der Würdigung von Tatsachen, Fehler bei der Auslegung oder Nichtanwendung einer Rechtsnorm, unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht gegebenen Sachverhalts oder Fehler, die auf mangelnder Sachaufklärung oder Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen (BFH 146, 350 = BStBl 1986 II, 541 mwN; BFH 250, 332 = BStBl 2015 II, 1040). Besteht auch nur die Möglichkeit eines solchen Fehlers, ist § 129 AO nicht anwendbar (BFH 142, 202 = BStBl 1985 II, 32; BFH/NV 1993, 637). Die rein abstrakte Möglichkeit, dass dem Fehler auch rechtliche Überlegungen zu Grunde liegen, steht der Anwendung von § 129 AO aber nicht entgegen (BFH 129, 5 = BStBl 1980 II, 62; BFH/NV 1990, 752 mwN).
Die Möglichkeit eines Rechtsirrtums muss sich durch gerichtlich festgestellte Tatsachen belegen lassen (BFH 114, 346 = BStBl 1975 II, 350; BFH 116, 462 = BStBl 1975 II, 868). Ob ein mechanisches Versehen gegeben ist, prüft der BFH nur in eingeschränktem Umfang (BFH/NV 2006, 1793). Hat das FG die Nichterfassung von Lohnersatzleistungen nicht als "offenbaren Fehler" eingeordnet, bindet das den BFH (BFH/NV 2012, 694).
Rz. 4
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Offenbar ist ein Fehler, der bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und eindeutig erkennbar ist (BFH/NV 2017, 437); auf das Erkennen durch den Stpfl kommt es allerdings nicht an (BFH/NV 1989, 205). Der Fehler muss ohne weiteres augenfällig, durchschaubar und eindeutig sein (BFH 149, 478 = BStBl 1987 II, 588; BFH 149, 413 = BStBl 1988 II, 164; BFH/NV 1990, 752; 1993, 637 mwN). Nicht offenbar ist der Fehler, wenn die einer Steuererklärung beigefügte Beitragsbescheinigung einer Versicherung nicht sämtliche Voraussetzungen für den SA-Abzug bestätigt (vgl BFH/NV 2017, 437; vgl auch EFG 2017, 257).
Rz. 5
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Es ist unerheblich, ob das FA an dem Erlass des fehlerhaften Bescheids ein Verschulden trifft (BFH 145, 226 = BStBl 1986 II, 293; BFH 150, 509 = BStBl 1987 II, 834). Es kommt ferner nicht darauf an, ob der Bearbeiter bei gehöriger Sorgfalt sein Versehen hätte vermeiden können (BFH/NV 2010, 1410). Häufen sich aber die Unachtsamkeiten und wird Zweifeln, die sich aufdrängen, nicht nachgegangen, ist kein Versehen mehr gegeben. Unterbleibt trotz Zweifel eine Prüfung, beruht der Fehler nicht mehr auf bloßer Flüchtigkeit, sondern auf unzureichender Aufklärung des Falls (BFH/NV 1993, 509). Wird eine Unrichtigkeit, die in einem Erstbescheid unterlaufen ist, in Änderungsbescheide übernommen und ist auszuschließen, dass die Übernahme der Unrichtigkeit auf fehlerhafter Anwendung des materiellen Steuerrechts beruht, ist § 129 AO anwendbar. Dieses gilt auch, wenn der Fehler durch mehrere Bearbeiter wiederholt wurde (BFH 144, 118 = BStBl 1985 II, 569; BFH 150, 509 – aaO).
Rz. 6
Stand: EL 115 – ET: 05/2018
§ 129 AO regelt nur die Berichtigung von Fehlern, die der Behörde unterlaufen sind, nicht also von Fehlern des Stpfl.
Übernimmt das FA eine vom Stpfl erklärte Unrichtigkeit, die für den Bearbeiter ohne weitere rechtliche Prüfung erkennbar gewesen wäre, kann sie als ‚Übernahmefehler’ berichtigt werden (BFH/NV 2008, 1801; BFH 226, 8 = BStBl 2009 II, 946, BFH 141, 485 = BStBl 1984 II, 785; BFH 149, 490 = BStBl 1987 II, 762; BFH/NV 2013, 1; EFG 2011, 500; EFG 2018, 342). Eine Änderung nach § 173 Abs 1 Nr 2 AO kommt in Betracht, wenn sie für den Stpfl günstig ist. Zu weiteren Einzelheiten vgl AEAO zu § 129 Nr 4.
Rz. 7
Stand: EL 115 – ET: 05/2018
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