Rz. 40
Stand: EL 124 – ET: 11/2020
Die FGO unterscheidet Gestaltungs-, Leistungs- und Feststellungsklagen (§§ 40, 41 FGO).
Für die Praxis ist die Anfechtungsklage die wichtigste Erscheinungsform der Gestaltungsklage; mit ihr wird die Aufhebung oder Änderung eines > Verwaltungsakt der Finanzbehörde begehrt: Wenn im > Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren der beantragte Steuerfreibetrag aus materiell-rechtlichen Gründen vom FA nicht oder niedriger festgestellt wird (vgl BFH 111, 475 = BStBl 1974 II, 366); ferner gegen den Einkommensteuerbescheid bei einer Veranlagung in den Antragsfällen als auch von Amts wegen (> Veranlagung von Arbeitnehmern). Ebenso ist es bei Nachforderungs- oder Haftungsbescheiden über Lohnsteuer, > Kirchensteuer oder den > Solidaritätszuschlag als Zuschlagsteuer iSd § 51a EStG. Außerdem ist Anfechtungsklage gegeben gegen VA des FA, mit denen es Zulagen wie die ArbN-Sparzulage nach dem VermBG oder die Wohnungsbau-Prämie festsetzt oder zu Unrecht ausgezahlte Sparzulage oder Wohnungsbau-Prämie zurückfordert. Das Gleiche gilt für die Festsetzung und Rückforderung von > Kindergeld (§§ 62ff EStG) durch die Familienkasse (> Kindergeld Rz 70 ff) oder von Altersvorsorgezulage (§§ 79ff EStG) durch die > Zentrale Stelle Rz 1 – ZfA (> Private Altersvorsorge Rz 90, 91 und 137). Gegenstand der Anfechtungsklage ist der ursprüngliche VA in der Gestalt, die sie durch die Entscheidung über den Einspruch gefunden hat (§ 44 Abs 2 FGO). Wurde also dem Begehren des Stpfl im außergerichtlichen Vorverfahren teilweise stattgegeben, so richtet sich die Klage nur gegen den Teil des VA, hinsichtlich dessen dem Begehren des Stpfl nicht entsprochen worden ist.
Rz. 41
Stand: EL 124 – ET: 11/2020
Eine besondere Form der Anfechtungsklage ist die Sprungklage (§ 45 FGO). Zur Beschleunigung des Verfahrens kann der Stpfl unter Verzicht auf das außergerichtliche Vorverfahren (den Einspruch; > Rz 1 ff) gegen den beanstandeten VA der Finanzbehörde unmittelbar Anfechtungsklage erheben. Voraussetzung ist, dass die Behörde, die die angefochtene Verfügung erlassen hat, der Erhebung der Sprungklage innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift zustimmt, was in ihrem > Ermessen liegt. Stimmt sie nicht zu, ist die Klage als Einspruch zu behandeln (§ 45 Abs 3 FGO; BFH 93, 41 = BStBl 1968 II, 661). Die Sprungklage bietet sich besonders an, wenn nur eine klar abzugrenzende Rechtsfrage strittig ist, deren gerichtliche Entscheidung die Beteiligten erstreben und die Finanzbehörde durch Verwaltungsanweisung gebunden ist. Bestehen unterschiedliche Sichtweisen über den Sachverhalt, sollte auf dessen genaue Aufklärung im Einspruchsverfahren nicht verzichtet werden.
Rz. 42
Stand: EL 124 – ET: 11/2020
Entscheidet die Behörde über einen Einspruch nicht in angemessener Frist, ohne dem Stpfl einen zureichenden Grund für die Verzögerung mitzuteilen, so kann der Stpfl die Untätigkeitsklage beim FG erheben (§ 46 FGO). Ist die Untätigkeitsklage wirksam erhoben, so kann das FG – unter Verzicht auf eine Einspruchsentscheidung – in der Sache selbst erkennen. Es kann aber auch der Finanzbehörde eine Frist zur Entscheidung setzen. Entscheidet diese innerhalb der gesetzten Frist, so ist die Untätigkeitsklage in der Hauptsache erledigt; das FG entscheidet dann nur über die Kosten des Verfahrens (vgl BFH 99, 114 = BStBl 1970 II, 551). Die Untätigkeitsklage kann idR frühestens 6 Monate nach Einlegung des Einspruchs erhoben werden, wenn nicht aus besonderen Gründen eine kürzere Frist angebracht ist. Das heißt aber nicht, dass nach Ablauf dieser Frist stets Untätigkeitsklage zulässig ist. Hinzukommen muss, dass die Behörde in einer unter Berücksichtigung des Umfangs der Ermittlungen, der Schwierigkeit der Rechtsfindung, der allgemeinen Geschäftsbelastung, aber auch der Interessen des Stpfl angemessenen Frist nicht entschieden hat. Zur Angemessenheit der Entscheidungsfrist für die Finanzbehörden vgl BFH 90, 274 = BStBl 1968 II, 61; BFH 165, 469 = BStBl 1992 II, 148. Bei einer verfrüht erhobenen Untätigkeitsklage hat das FG zu prüfen, ob eine Aussetzung des Verfahrens bis zum Ablauf der Sechsmonatsfrist geboten ist, da auch eine Untätigkeitsklage in die Zulässigkeit hineinwachsen kann (BFH/NV 2017, 53).
Rz. 42/1
Stand: EL 124 – ET: 11/2020
Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens einen Nachteil erleidet, hat Anspruch auf angemessene Entschädigung, wenn er bei dem Gericht Verzögerungsrüge erhoben hat. Zu Einzelheiten vgl § 155 FGO iVm § 198 GVG.
Rz. 43
Stand: EL 124 – ET: 11/2020
Die Leistungsklage (§ 40 Abs 1 FGO) zielt auf ein Urteil ab, das die Finanzbehörde zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen veranlasst. Die FGO unterscheidet zwischen der Verpflichtungsklage, die auf die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen > Verwaltungsakt gerichtet ist (§ 40 Abs 1 Alt 2 FGO), und der Verpflichtungsklage ieS, mit der die Behörde zu einer anderen Leistung (zB Erteilung einer Anrufungsauskunft, zur Überlassung von Fotokopien aus den Akten oder ...