Rz. 1
Stand: EL 128 – ET: 11/2021
Ist ein > Steuerbescheid fehlerhaft, kann er anstatt im Rahmen eines Einspruchsverfahrens (> Rechtsbehelfe) im Wege einer sog schlichten Änderung korrigiert werden. Im Wege der schlichten Änderung können nur Steuerbescheide, nicht jedoch ein anderer > Verwaltungsakt wie zB ein Haftungsbescheid (> Haftung für Lohnsteuer) oder eine Billigkeitsmaßnahme (> Billigkeit) geändert werden. Ein Steuerbescheid darf nur mit Zustimmung des Stpfl oder auf seinen Antrag hin geändert werden; zu seinen Gunsten jedoch nur, wenn er vor Ablauf der Einspruchsfrist zugestimmt oder den Antrag gestellt hat (§ 172 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Buchst a AO; vgl BFH 190, 285 = BStBl 2000 II, 283; BFH/NV 2007, 1265). Diese Frist gilt auch dann, wenn der > Steuerbescheid gegen das Recht der > Europäische Union verstößt, denn auch derartige Verstöße können nur innerhalb des Korrektursystems der §§ 172ff AO behoben werden (BFH/NV 2019, 677). Allerdings kann auch bei einem Antrag auf schlichte Änderung eine > Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht kommen. Dass Verfahren der schlichten Änderung bietet sich an, wenn sich der Stpfl und das FA über die Änderung einig sind. Anders als ein Einspruch kann der Antrag auf Änderung formlos, auch mündlich, telefonisch oder elektronisch (vgl EFG 2011, 1041 = DStRE 2011, 1481) gestellt werden.
Rz. 2
Stand: EL 128 – ET: 11/2021
Ein wirksamer Antrag auf schlichte Änderung zugunsten des Stpfl muss das verfolgte Änderungsbegehren innerhalb der Einspruchsfrist seinem sachlichen Gehalt nach zumindest in groben Zügen zu erkennen geben. Angaben zur rein betragsmäßigen Auswirkung der Änderung auf die Steuerfestsetzung (zB: "die Steuer auf ... EUR festzusetzen") sind für einen wirksamen Antrag weder erforderlich noch – für sich genommen – ausreichend (BFH 216, 31 = BStBl 2007 II, 503; BFH 247, 111 = BStBl 2015 II, 115).
Rz. 3
Stand: EL 128 – ET: 11/2021
Die Änderung eines > Verwaltungsakt aufgrund eines Antrags auf schlichte Änderung steht zwar grundsätzlich im > Ermessen der FinBeh, sind die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Änderung indes gegeben, reduziert sich das Ermessen allerdings auf null (BFH/NV 2018, 322).
Rz. 4
Stand: EL 128 – ET: 11/2021
Der Vorteil einer schlichten Änderung besteht neben dem einfacheren Verfahren vor allem darin, dass die Gefahr einer Verböserung (> Rechtsbehelfe Rz 27) nicht besteht, dh das FA kann allenfalls den Antrag ablehnen, den ursprünglichen > Steuerbescheid aber nicht zum Nachteil ändern. Fehler zuungunsten des Stpfl dürfen jedoch – sofern dadurch die ursprünglich festgesetzte Steuer nicht erhöht wird – ebenfalls korrigiert werden.
Der Nachteil einer schlichten Änderung besteht im Wesentlichen darin, dass eine Berichtigung des Steuerbescheids nur insoweit zulässig ist, als sie vom Stpfl bis zum Ablauf der Einspruchsfrist beantragt wurde, während im Einspruchsverfahren der Steuerbescheid in vollem Umfang außergerichtlich und gerichtlich überprüft werden kann. Der Antrag auf schlichte Änderung hemmt nicht den Ablauf der Einspruchsfrist, sodass im Falle einer zulässigen Ablehnung des Antrags insofern ein Rechtsverlust eintritt (vgl FG Münster vom 25.10.2016 – 2 K 191/14, HaufeIndex 11 929 588). Auch ist eine > Aussetzung der Vollziehung nicht zulässig.
Rz. 5
Stand: EL 128 – ET: 11/2021
Wird dem Antrag auf schlichte Änderung vom FA nicht oder nur teilweise entsprochen, kann dagegen Einspruch erhoben (BFH 172, 493 = BStBl 1994 II, 439) oder wiederum erneut ein Antrag auf schlichte Änderung gestellt werden. Nach Ablauf der Einspruchsfrist gegen den ursprünglichen Steuerbescheid kann dieser jedoch nur im Rahmen des ersten Antrags auf schlichte Änderung geändert werden. Ggf kann auch gerichtlich überprüft werden, ob die Ablehnung des Änderungsantrags durch das FA rechtswidrig war.
Rz. 6
Stand: EL 128 – ET: 11/2021
Zulässig ist auch die schlichte Änderung einer den ursprünglichen Steuerbescheid bestätigenden Einspruchsentscheidung (vgl § 172 Abs 1 Satz 3 AO; EFG 2017, 709; OFD Karlsruhe vom 27.12.1999, DB 2000, 67 [68]). Der Änderungsantrag muss vor Ablauf der Klagefrist gestellt werden. Die Anforderungen an die Begründung des Antrags sind dabei nicht strenger als die Anforderungen an die Konkretisierung des Gegenstands eines Klagebegehrens iSv § 65 Abs 1 FGO (BFH 264, 399 = BStBl 2019 II, 647). Deshalb ist es zur Konkretisierung eines Antrags auf schlichte Änderung im Falle einer > Schätzung der > Besteuerungsgrundlage ausreichend, anstatt eine > Steuererklärung abzugeben, die zu ändernden Besteuerungsgrundlagen zu benennen (EFG 2019, 1252). Durch den Antrag auf schlichte Änderung kann auch die erneute Überprüfung der Tat- oder Rechtsfragen begehrt werden, die bereits Gegenstand einer Einspruchsentscheidung waren (BFH 271, 295 = BFH/NV 2021, 816).