Rz. 1
Stand: EL 111 – ET: 01/2017
Bei einer Typisierung werden gleichgelagerte Fälle nach wesentlichen Merkmalen zusammengefasst und für die Besteuerung gleichbehandelt. Zur Bewältigung von Massensachverhalten dürfen Besonderheiten vernachlässigt werden, soweit nicht gegen Verfassungsgrundsätze verstoßen wird. Unvermeidliche Härten im Einzelfall verstoßen nicht gegen den allgemeinen > Gleichheitssatz. Damit wird die Einzelfallgerechtigkeit zugunsten einer generellen Steuergerechtigkeit vernachlässigt. Gleichwohl darf grundsätzlich keinem Stpfl die Möglichkeit genommen werden, in Fällen von einigem Gewicht im Einzelnen darzutun, dass sein Fall nicht der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht. Im Einzelnen vgl BVerfG vom 10.04.1997, BStBl 1997 II, 518, sowie vom 09.12.2008 unter I, 2a/bb mwN, BFH/NV 2009, 338; außerdemT/K/Drüen, zu § 3 AO Rz 50 ff; ergänzend > Nettoprinzip.
Rz. 2
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Beispiele für eine Typisierung sind die 1-%-Regelung bei der > Kraftfahrzeuggestellung in § 8 Abs 2 Satz 2 bis 5 iVm § 6 Abs 1 Nr 4 Satz 2 EStG (BFH 191, 286 = BStBl 2000 II, 273 mwN sowie die Werte der SvEV (> Anh 15), die über § 8 Abs 2 Satz 6 EStG auch für die Besteuerung gelten; ferner die > Entfernungspauschale in § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 4 und Abs 2 EStG, die auf § 9 Abs 4a Satz 2 EStG iVm H 9.5 LStH beruhenden > Kilometer-Pauschalen Rz 5 sowie § 9 Abs 4a EStG, der eine der Vereinfachung dienende Typisierung des Verpflegungsmehraufwands sowie eine Kürzung der Verpflegungspauschalen bei Auswärtstätigkeit um das vom ArbG gestellte Frühstück sowie das Mittag-/Abendessen enthält (> Auslösungen bei privaten Arbeitgebern Rz 43; > Reisekosten Rz 80 ff; > Umzugskosten Rz 31 ff). Ähnliches gilt für § 9a EStG (Pauschbeträge für WK) und die Herausnahme besonderer AgB aus § 33 EStG in die §§ 33a und 33b EStG (> Ausbildungsfreibetrag, > Behinderten-Pauschbetrag, > Unterhaltsleistungen Rz 50 ff). Auch die ‚Kohortenbesteuerung’ für > Renteneinkünfte ist ein Anwendungsfall der typisierenden Betrachtungsweise.
Rz. 3
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Ebenso enthalten die ‚Richtlinien’ der Bundesregierung und Erlasse der FinVerw Regelungen zur Vereinfachung, zB AfA-Tabellen und Richtsätze, oder die Aufteilung privat/beruflicher Beiträge zur > Unfallversicherung Rz 2. Sie sollen den Bearbeiter im FA von der Pflicht zur Sachaufklärung (vgl § 88 AO) entbinden und entlasten im Ergebnis auch den Stpfl im Einzelfall von dem mit der Auflistung und Darlegung von Besonderheiten verbundenen Arbeitsaufwand. Vgl ergänzend T/K/Drüen, § 4 AO Rz 80 ff [87] sowie > Rechtsquellen des Lohnsteuerrechts Rz 6 ff.
Rz. 4
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Typisierende Regelungen, die von dem sich im Massenverfahren ergebenden Gesamtbild ähnlicher Sachverhalte ausgehen und sich auf das Erfahrungswissen stützen, hat auch der BFH in ständiger Rechtsprechung als vertretbare Schätzungen der FinVerw, die der Arbeitsvereinfachung auch für ArbG und ArbN sowie der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dienen, mitgetragen oder zumindest hingenommen (BFH 129, 354 = BStBl 1980 II, 141; BFH 145, 181 = BStBl 1986 II, 200; BFH 165, 374 = BStBl 1992 II, 105). Es handelt sich um Schätzungen nach § 162 AO (> Schätzung), also um ein Ergebnis der statistischen Wahrscheinlichkeit für das Durchschnittsverhalten. Die Gerichte können aber prüfen, ob der > Gleichheitssatz beachtet worden ist (BFH 174, 69 = BStBl 1994 II, 532). Die Rechtsprechung hat typisierende Regelungen der Bundesregierung (LStR) oder der FinVerw (Erlasse) nicht angewandt, wenn sie zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen (zB BFH 161, 61 = BStBl 1990 II, 909 sowie BFH 165, 374 – aaO) oder wenn ihre inhaltliche Ausgestaltung sich nicht an sachgerechten Kriterien orientiert (so zB BFH 173, 166 = BStBl 1994 II, 418; BFH 173, 174 = BStBl 1994 II, 529; BFH 213, 484 = BStBl 2006 II, 781).