Rz. 20
Stand: EL 130 – ET: 05/2022
Bestimmte Personen, die ihre Einkünfte im Wesentlichen im > Inland erwirtschaften, haben hier weder einen > Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen > Aufenthalt, sondern sind im Ausland ansässig. Deshalb sind sie grundsätzlich mit ihren im Inland erzielten Einkünften (vgl § 49 EStG; > Inländische Einkünfte) in Deutschland beschränkt steuerpflichtig. Die für beschränkt Stpfl geltenden Besonderheiten (> Beschränkte Steuerpflicht Rz 6 ff) führen allerdings zu unangemessenen Ergebnissen, wenn der Stpfl in seinem Wohnsitzstaat keine hinreichenden Einkünfte erzielt und er deshalb dort die personen- und familienbezogenen Steuerermäßigungen nicht ausschöpfen kann. Deshalb kann das FA diese Personen in Deutschland auf Antrag der Stpfl als unbeschränkt steuerpflichtig behandeln (§ 1 Abs 3 EStG). In diese unbeschränkte Steuerpflicht wird in bestimmten Fällen auch der Ehegatte oder eingetragene > Lebenspartner einbezogen. Dann werden die im Inland erzielten Einkünfte familiengerecht besteuert (> Rz 30 ff). Zum > Progressionsvorbehalt > Rz 49.
Rz. 20/1
Stand: EL 130 – ET: 05/2022
Die Regelung des § 1 Abs 3 EStG beruht(e) ursprünglich auf der Umsetzung eines europarechtlichen Diskriminierungsverbots (EuGH vom 14.02.1995 – C 279/93 "Schumacker", DB 1995, 407; vgl kompakt Wittenstein/Hilbert, IWB 2014, 476; mit weitergehenden Hinweisen > Europäische Union Rz 9, > Beschränkte Steuerpflicht Rz 6/2). Die Abfassung der Vorschrift geht jedoch über das hinaus, was europarechtlich erforderlich gewesen wäre, denn ihr persönlicher Anwendungsbereich ist – anders als etwa bei § 1a Abs 1 EStG (> Rz 30 ff) – nicht auf Staatangehörige eines EU/EWR-Staates beschränkt oder aber auch nicht auf solche Stpfl, die in einem EU/EWR-Staat ansässig sind. Es dürfte dies auf gleichheitsrechtlichen Erwägungen (> Gleichheitssatz) beruhen; faktisch betrifft die Regelung allein schon aufgrund geographischer Gegebenheiten allerdings weit überwiegend EU-Grenzpendler.
Beispiel 1:
A ist britischer Staatsbürger und wohnt in London (England), arbeitet aber in Deutschland. Er erfüllt im Jahr 2022 die nachfolgend in den > Rz 21 ff dargestellten sachlichen Voraussetzungen des § 1 Abs 3 EStG. Obwohl > Großbritannien und Nordirland – nach Vollzug des "Brexit" – seit dem 01.02.2020 kein Mitgliedstaat der > Europäische Union Rz 1 mehr ist und auch nicht zum > Europäischer Wirtschaftsraum gehört, kann A beantragen (> Rz 26), in Deutschland als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt zu werden.
Rz. 21
Stand: EL 130 – ET: 05/2022
Der Stpfl kann seine Besteuerung als unbeschränkt Stpfl beantragen, wenn er folgende materiell-rechtliche sachliche Voraussetzungen erfüllt (vgl § 1 Abs 3 EStG):
Diese Voraussetzung muss die zuständige Steuerbehörde des Wohnsitzstaates zur Vorlage beim FA in Deutschland bescheinigen (zum Verfahren > Rz 26 ff).
Zu den Einkünften vgl folgendes
Beispiel 2:
Der ledige Stpfl mit > Wohnsitz in den Niederlanden ist in Aachen als ArbN tätig. 2022 bezieht er > Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 51 000 EUR, die nach dem DBA > Niederlande in Deutschland der Besteuerung unterliegen. Außerdem bezieht er aus der Vermietung eines in den Niederlanden belegenen Mietwohngrundstücks einen Überschuss von 5 000 EUR, für die die Niederlande das Besteuerungsrecht haben. Weitere Einkünfte hat er nicht. Das hat das niederländische FA am Wohnsitz des Stpfl per Vordruck bescheinigt (> Rz 26).
Die Summe der Einkünfte (> Rz 23/4) beträgt 56 000 EUR, wovon 91,07 % der deutschen ESt unterliegen. Die Einkommensvoraussetzungen des § 1 Abs 3 EStG sind damit erfüllt.
Rz. 22
Stand: EL 130 – ET: 05/2022
Kürzung, "soweit es nach den Verhältnissen im Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen notwendig und angemessen ist": Ist der Stpfl in einem Staat mit niedrigeren Lebenshaltungskosten ansässig, so ermäßigt sich der Betrag von 9 984 EUR ggf entsprechend der Zuordnung des Wohnsitzstaates zu einer Ländergruppe (> Anh 2 Ländergruppen) mit geringeren Lebenshaltungskosten auf 3/4 [= 7 488 EUR], 1/2 [= 4 992 EUR] oder 1/4 ...