I. Bedeutung der Festsetzungsverjährung (§ 169 Abs 1 AO)
Rz. 5
Stand: EL 127 – ET: 08/2021
Zu den Rechtsfolgen der Verjährung > Rz 4. Als weitere Folge kann ein Steuer- oder ein sonstiger der Festsetzungsverjährung unterliegender Bescheid (> Rz 2) nur innerhalb der Festsetzungsfrist erlassen, aufgehoben oder geändert werden; dies gilt auch für eine > Offenbare Unrichtigkeit (vgl § 169 Abs 1 Satz 1 und 2 AO); ergänzend > Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten Rz 47.
Rz. 6
Stand: EL 127 – ET: 08/2021
Wird nach Ablauf der Festsetzungsfrist eine Steuer- oder Haftungsschuld festgesetzt, ist der Bescheid rechtswidrig, aber nur auf einen Rechtsbehelf hin aufzuheben (EFG 1991, 56). Wird ein ESt-Bescheid geändert, weil die in ihm erfassten bestimmten Teile des Arbeitslohns wegen Festsetzungsverjährung nicht mehr besteuert werden dürfen, kann auch die zugehörige Abrechnungsverfügung, welche die auf den > Arbeitslohn entrichtete LSt auf die ESt angerechnet hatte, widerrufen werden (BFH 223, 344 = BStBl 2009 II, 344). Mit der Aufhebung entfällt die Zahlungspflicht; bereits gezahlte Beträge sind zu erstatten (§ 37 AO; > Erstattung von Lohnsteuer Rz 29, 36 ff). Wird kein Rechtsbehelf eingelegt und erwächst der Verwaltungsakt in Bestandskraft, ist er auch vollstreckbar.
Rz. 7
Stand: EL 127 – ET: 08/2021
Eine Steuer ist innerhalb der Festsetzungsfrist festgesetzt, wenn der Steuerbescheid vor Ablauf der Frist den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen FinBeh verlassen hat (§ 169 Abs 1 Satz 3 Nr 1 AO; BFH 160, 7 = BStBl 1990 II, 518) und dem Empfänger auch tatsächlich zugeht; ein Zugang des Steuerbescheids vor Ablauf der Festsetzungsfrist ist für die Fristwahrung nicht erforderlich (GrS 2/01 in BFH 201, 1 = BStBl 2003 II, 548; vgl dazu OFD Hannover vom 03.09.2003, DB 2003, 2148 und EFG 2009, 1430 zum Erstattungsanspruch). Zuständige FinBeh ist auch ein Rechenzentrum (§§ 2 und 17 FVG), wenn es den Bescheid an den Stpfl absendet (AEAO § 169 Nr 1). Deshalb kommt es auf den Zugang vor Ablauf der Frist beim Stpfl nicht an, wenn die Bekanntgabe des Bescheids nach deren Ablauf wiederholt wird und die FinBeh nachweist, dass der Originalbescheid ihren Bereich rechtzeitig verlassen hat (BFH 193, 28 = BStBl 2001 II, 211; BFH 195, 32 = BStBl 2001 II, 695; GrS 2/01 in BFH 201, 1 = BStBl 2003 II, 548).
Rz. 8
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Wird ein > Verwaltungsakt durch Bereitstellung zum Datenabruf nach § 122a AO bekanntgegeben, ist die Festsetzungsfrist gewahrt, wenn die vor Ablauf der Festsetzungsfrist versandte elektronische Benachrichtigung tatsächlich zugegangen ist. Das gilt auch dann, wenn der Empfänger den Zugang der Benachrichtigung bestreitet, er den VA aber tatsächlich abgerufen hat. Auf den Zeitpunkt des Abrufs kommt es dabei nicht an (vgl AEAO § 169).
Rz. 9
Stand: EL 127 – ET: 08/2021
Ein materiell unzutreffender Bescheid eines örtlich nicht zuständigen FA wahrt die Festsetzungsfrist nicht, wenn der Bescheid dem Stpfl erst nach deren Ablauf zugeht (BFH 197, 12 = BStBl 2002 II, 406). Bei öffentlicher Zustellung muss der Steuerbescheid oder eine Benachrichtigung nach § 15 VwZG vor Ablauf der Festsetzungsfrist ausgehängt worden sein (§ 169 Abs 1 Satz 3 Nr 2 AO). Zur ordnungsgemäßen Bekanntgabe und Heilung von Mängeln > Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten.
II. Dauer der Festsetzungsfrist (§ 169 Abs 2 AO)
1. Regelfrist
Rz. 10
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Die Frist, die dem FA für eine Festsetzung zugunsten wie zuungunsten eines Stpfl zur Verfügung steht (Festsetzungsfrist), beträgt im Allgemeinen vier Jahre (§ 169 Abs 2 Satz 1 Nr 2 AO).
2. Verlängerung bei Steuerstraftaten
Rz. 11
Stand: EL 127 – ET: 08/2021
Die Frist verlängert sich auf fünf Jahre bei leichtfertiger Steuerverkürzung und auf zehn Jahre bei Steuerhinterziehung (§ 169 Abs 2 Satz 2 AO; > Straf- und Bußgeldverfahren). Dies gilt auch für die > Kirchensteuer (EFG 1999, 362) und den > Solidaritätszuschlag. Zum > Kindergeld vgl BFH/NV 2016, 534. Für die Verlängerung der Festsetzungsfrist ist es grundsätzlich erforderlich, dass die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung durch den Stpfl oder einen seiner Erfüllungsgehilfen begangen worden ist (BFH/NV 2020, 1238). Hinterziehungshandlungen des Geschäftsführers einer juristischen Person fallen dieser selbst zur Last, sodass auch für sie die zehnjährige Verjährungsfrist gilt (RFH, RStBl 1938, 595). Das gilt grundsätzlich auch für andere Erfüllungsgehilfen (Vertreter, Bevollmächtigte, beauftragte Mitarbeiter) des Stpfl oder des ArbG. Die zehnjährige Festsetzungsfrist bei Steuerhinterziehung (§ 169 Abs 2 Satz 2 AO) setzt einen hinterzogenen Betrag voraus; sie wirkt nur zugunsten des Steuergläubigers und gilt deshalb nicht für die Festsetzung eines Erstattungsbetrags zugunsten des Steuerhinterziehers (BFH 220, 229 = BStBl 2008 II, 659). Sie gilt ebenso nicht bei einer Verlustfeststellung für > Einkünfte, die von der Steuerhinterziehung nicht betroffen sind (vgl § 10d Abs 4 Satz 6 EStG iVm § 169 Abs 2 AO; BFH 240, 4 = BStBl 2013 II, 995).
Rz. 12
Stand: EL 127 – ET: 08/2021
Kommt der ArbG seiner Verpflichtung zum LSt-Abzug vorsätzlich nicht nach, beträgt auch die Festse...