Rz. 43
Stand: EL 127 – ET: 08/2021
Soweit ein Dritter (zB der ArbG) Steuern für Rechnung des Steuerschuldners (ArbN) einzubehalten und abzuführen hat, endet gemäß § 171 Abs 15 AO die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist. Im Falle einer LStAp folgt daraus: Die LStAp richtet sich unmittelbar und zielgerichtet allein gegen den ArbG. Nur ihm gegenüber ergeht eine Prüfungsanordnung (BFH 179, 312 = BStBl 1996 II, 239 mwN). Sie hemmt die Festsetzungsfrist in Bezug auf die Einkommensteuer des ArbN nicht nach § 171 Abs 4 AO (T/K/Drüen, § 171 AO Rz 57ff). Nach einer Ap können Steueransprüche gegen den ArbN bei diesem dennoch bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung beim ArbG (> Rz 28) geltend gemacht werden (> Außenprüfung Rz 80), soweit der ArbG die LSt für Rechnung des ArbN einzubehalten und abzuführen hat. Mittelbar kann mithin als Folge der Ap beim ArbG durchaus eine Hemmung auch beim ArbN in Betracht kommen.
Rz. 44
Stand: EL 127 – ET: 08/2021
Das betrifft die Lohnsteuerschuld des ArbN, also jene Steuerschuld des ArbN, die beim > Zufluss von Arbeitslohn entstanden ist, soweit noch keine Steuerabzüge einbehalten oder pauschaliert worden sind (zum Grundsätzlichen > Erlöschen des Lohnsteueranspruchs Rz 1 und 2; > Nachforderung von Lohnsteuer Rz 31 ff).
Beispiel 1:
Bei einer im Jahr 2020 beginnenden LSt-Außenprüfung, die in 2021 beendet wird, stellt das FA 2021 fest, dass der ArbG seinem Angestellten A im Dezember 2015 einen geldwerten Vorteil zugewandt hat, von dem zu Unrecht keine LSt einbehalten worden ist. Der A ist bisher nicht zur ESt veranlagt worden und hat keine Steuererklärung 2015 beim FA eingereicht.
Für den ArbG läuft die Festsetzungsfrist für die offene Lohnsteuerschuld vom 01.01.2017 bis zum 31.12.2020, da der ArbG sie im Januar 2016 beim FA hätte anmelden müssen (vgl § 170 Abs 2 Nr 1 AO). Aufgrund der LSt-Außenprüfung ist eine Ablaufhemmung eingetreten (vgl § 171 Abs 4 AO). Diese Ablaufhemmung ermöglicht dem FA hinsichtlich der LSt für Dezember 2015 im Zuge der Auswertung der Ap eine Inhaftungnahme des ArbG in 2021.
Für den ArbN A beginnt die reguläre vierjährige Festsetzungsfrist für seine im Dezember 2015 entstandene Lohnsteuerschuld mit Ablauf des Jahres 2015 (vgl § 170 Abs 1 AO). Sie läuft vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2019. Der Zeitpunkt der LSt-Anmeldung beim FA ist für den Lauf der Festsetzungsfrist bei A unerheblich. Ab dem 01.01.2020 ist regulär keine LSt-Nachforderung bei A mehr zulässig.
Die aufgrund der LSt-Außenprüfung beim ArbG eingetretene Ablaufhemmung (vgl § 171 Abs 4 AO), die eigentlich nur für den ArbG gilt und die erst beim Abschluss der Ap in 2021 endet, gilt wegen § 171 Abs 15 AO aber auch für den A. Gegen ihn als Gesamtschuldner kann das FA ggf einen Nachforderungsbescheid in Höhe der fortbestehenden Lohnsteuerschuld erlassen (> Nachforderung von Lohnsteuer Rz 35 ff [39]).
Rz. 44/1
Stand: EL 127 – ET: 08/2021
Als Anwendungsbereich für § 171 Abs 15 AO ist wohl auch an eine Nachforderung von ESt im Rahmen einer > Veranlagung von Arbeitnehmern (vgl § 46 EStG) zu denken. Dazu müssten die vom ArbG unversteuert belassenen Teile des Arbeitslohns entweder in die erstmalige Festsetzung der ESt einbezogen werden oder ein bereits ergangener > Steuerbescheid wird mit Rücksicht auf eine ablaufgehemmte Festsetzungsfrist noch zu Lasten des ArbN geändert (> Nachforderung von Lohnsteuer Rz 49 ff [52]).
Beispiel 2:
Bei einer im Jahr 2020 beginnenden LSt-Außenprüfung, die in 2021 beendet wird, stellt das FA 2021 fest, dass der ArbG seinem Angestellten B im Dezember 2015 einen geldwerten Vorteil zugewandt hat, von dem zu Unrecht kein LSt-Abzug vorgenommen worden ist. Der B, der von Amts wegen zur ESt veranlagt wird, hat seine Steuererklärung 2015 in 2016 beim FA eingereicht.
Die reguläre Festsetzungsfrist für die ESt des ArbN beginnt mit Ablauf des 31.12.2016 und endet mit Ablauf des 31.12.2020 (vgl § 170 Abs 2 Nr 1 AO). Erstreckt sich die Verpflichtung des ArbG zum LSt-Abzug auch auf die ESt-Schuld der ArbN, würde die Festsetzungsfrist für die ESt des ArbN nicht ablaufen, bevor die Festsetzungsfrist gegenüber dem ArbG endet (§ 171 Abs 15 AO). Somit könnte auch der ArbN B in 2021 noch durch geänderten Einkommensteuerbescheid in Anspruch genommen werden.
Unter Hinweis auf die Sonderregelung des § 171 Abs 15 AO will das FA diese erweiterte Festsetzungsfrist zu Lasten des A auch auf ihn anwenden. Nach seiner Auffassung sei die im Dezember 2015 entstandene Lohnsteuer, für deren Einbehaltung und Abführung der ArbG verantwortlich sei, Teil der iRd Veranlagung festgesetzten ESt-Schuld. Deshalb laufe die Festsetzungsfrist für die Steuerschuld des A nicht ab, bevor auch die Festsetzungsfrist gegenüber dem ArbG endet (§ 171 Abs 15 AO). Somit könne auch der ArbN B in 2021 noch im Wege der Änderung des ESt-Bescheids in Anspruch genommen werden. B hat Rechtsbehelf eingelegt und uE gute Aussichten zu obsiegen.
Rz. 44/2
S...