Rz. 1
Stand: EL 119 – ET: 10/2019
Der steuerrechtliche Wohnsitzbegriff wird in § 8 AO bestimmt. Diese Vorschrift enthält eine vom zivilrechtlichen Wohnsitzbegriff des § 7 BGB abweichende Definition, die nicht auf den rechtsgeschäftlichen Willen des Stpfl abstellt, sondern auf die tatsächliche Gestaltung und damit auf äußere Merkmale. Sie gilt für das gesamte Steuerrecht (BFH/NV 2012, 1093), mit Ausnahmen lediglich für DBA (> Doppelbesteuerung Rz 18, 19; vgl zum im Abkommensrecht relevanten abweichenden Begriff der ständigen Wohnstätte zB Perwein, PIStB 2014, 184 und Pohl, IWB 2013, 237).
Vgl zusammenfassend zum Wohnsitz Hilbert/Engel, IWB 2014, 205.
An den Wohnsitz knüpfen sich Rechtsfolgen in mehrerer Hinsicht. Dazu gehören:
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§ 1 Abs 1 EStG für die > Unbeschränkte Steuerpflicht Rz 5 ff; |
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§ 1 Abs 4 EStG für die > Beschränkte Steuerpflicht Rz 1; |
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§ 1 Abs 3 EStG für im > Ausland Rz 1 ansässige Stpfl, die ihre Einkünfte im Wesentlichen im > Inland erzielen und hier auf Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden (> Unbeschränkte Steuerpflicht Rz 20 ff); |
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§ 10 Abs 1 Nr 1 EStG für den SA-Abzug von Unterhalt im Rahmen des Realsplitting, der grundsätzlich (Ausnahmen in DBA) nur bei unbeschränkt steuerpflichtigen Empfängern zugelassen ist (> Unterhaltsleistungen Rz 30 ff); |
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§ 10 Abs 1 Nr 5 Satz 3 EStG für den SA-Abzug von Kosten für > Kinderbetreuung Rz 35 ff, die bei Wohnsitz des Kindes im Ausland mit niedrigeren Lebenshaltungskosten in geringerer Höhe berücksichtigt werden; |
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§ 24b EStG setzt voraus, dass der Stpfl für den > Entlastungsbetrag für Alleinerziehende Rz 7 in seiner Wohnung, in der er mit seinem Kind allein lebt, auch seinen Wohnsitz hat; |
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§ 32 Abs 6 Satz 4 EStG für Kinderfreibeträge, die bei Wohnsitz des Kindes im Ausland mit niedrigeren Lebenshaltungskosten in geringerer Höhe berücksichtigt werden (> Auslandskinder, > Kinderfreibeträge Rz 45 ff); |
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§ 33a Abs 1 Satz 6 EStG für den Abzug von Unterhaltsleistungen an Angehörige im Ausland mit niedrigeren Lebenshaltungskosten mit geringeren Beträgen (> Unterhaltsleistungen Rz 110); |
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§ 33a Abs 2 Satz 2 EStG für den Abzug des > Ausbildungsfreibetrag Rz 25 mit einem geringeren Betrag für ein Kind, das im Ausland mit niedrigeren Lebenshaltungskosten lebt; |
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§ 63 Abs 1 EStG, der grundsätzlich nur für Kinder mit Wohnsitz im Inland > Kindergeld Rz 10 vorsieht; |
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§ 19 Abs 1 AO für die örtliche > Zuständigkeit Rz 6 ff des > Wohnsitz-Finanzamt bei natürlichen Personen (ArbN); zur Zuständigkeit für die Bildung und Änderung der > Lohnsteuerabzugsmerkmale Rz 25 vgl § 39 Abs 2 EStG, ergänzend zur Feststellung eines Freibetrags oder > Hinzurechnungsbetrag (> Grundfreibetrag Rz 5 ff) für den Lohnsteuerabzug (> Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren Rz 85); |
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§ 388 Abs 1 Nr 3 und Abs 3 AO für die Zuständigkeit im > Straf- und Bußgeldverfahren Rz 30 ff; |
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§ 334 Abs 2 Satz 2 AO für die örtliche Zuständigkeit der Amtsgerichte für die Anordnung der Ersatzzwangshaft. |
Rz. 2
Stand: EL 119 – ET: 10/2019
Der Stpfl kann gleichzeitig mehrere Wohnungen und mehrere Wohnsitze haben, ggf im In- und Ausland (BFH 192, 296 = BStBl 1997 II, 447; vgl auch Wortlaut des § 8 AO: "Einen Wohnsitz"). Es ist verfassungsgemäß, an eine Wohnung im Inland für die mit der > Unbeschränkte Steuerpflicht verbundene Besteuerung des Welteinkommens auch dann anzuknüpfen, wenn der Stpfl seinen Lebensmittelpunkt im Ausland hat (BFH/NV 2001, 1402, VerfB nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG vom 18.02.2003 – 2 BvR 952/01, DStZ 2003, 318; BFH/NV 2004, 917; 2019, 388).
Rz. 3
Stand: EL 119 – ET: 10/2019
Gerichtsentscheidungen lassen sich nur bedingt verallgemeinern. Die Abgrenzungen sind stark kasuistisch geprägt. An die Begründung eines neuen Wohnsitzes stellt die Rechtsprechung tendenziell höhere Anforderungen als an das Beibehalten des bisherigen Wohnsitzes (FG NI vom 09.09.2004, BeckRS 2004, 26 017 149; FG HH vom 05.04.2005, BeckRS 2005, 26 018 177). Die Gerichte sollten sich aber nicht davon leiten lassen, ob sie mit ihrer Entscheidung den Stpfl zB in die unbeschränkte Steuerpflicht einbeziehen oder ihn vom Kindergeld ausschließen. Bei Entscheidungen des BFH ist zu berücksichtigen, dass die Beurteilung des Sachverhalts im Einzelfall entscheidend beim FG als Tatsacheninstanz liegt und der BFH daran grundsätzlich gebunden ist (vgl BFH/NV 2011, 576; 2012, 917; 1093).